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Document 62016CJ0472

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 7. August 2018.
    Jorge Luís Colino Sigüenza gegen Ayuntamiento de Valladolid u. a.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2001/23/EG – Anwendungsbereich – Art. 1 Abs. 1 – Übergang von Unternehmen – Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer – Dienstleistungsauftrag für den Betrieb einer städtischen Musikschule – Einstellung der Tätigkeit des ersten Auftragnehmers vor dem Ende des laufenden Schuljahrs und Beauftragung eines neuen Auftragnehmers mit Beginn des darauffolgenden Schuljahrs – Art. 4 Abs. 1 – Verbot der Kündigung wegen Übergangs – Ausnahme – Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47.
    Rechtssache C-472/16.

    Court reports – general

    Rechtssache C‑472/16

    Jorge Luís Colino Sigüenza

    gegen

    Ayuntamiento de Valladolid u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Castilla y León)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2001/23/EG – Anwendungsbereich – Art. 1 Abs. 1 – Übergang von Unternehmen – Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer – Dienstleistungsauftrag für den Betrieb einer städtischen Musikschule – Einstellung der Tätigkeit des ersten Auftragnehmers vor dem Ende des laufenden Schuljahrs und Beauftragung eines neuen Auftragnehmers mit Beginn des darauffolgenden Schuljahrs – Art. 4 Abs. 1 – Verbot der Kündigung wegen Übergangs – Ausnahme – Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 7. August 2018

    1. Sozialpolitik–Rechtsangleichung–Übergang von Unternehmen–Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer–Richtlinie 2001/23–Geltungsbereich–Übergang–Begriff–Kriterien

      (Richtlinie 2001/23 des Rates, Art. 1 Abs. 1)

    2. Sozialpolitik–Rechtsangleichung–Übergang von Unternehmen–Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer–Richtlinie 2001/23–Anwendungsbereich–Dienstleistungsauftrag für den Betrieb einer städtischen Musikschule–Einstellung der Tätigkeit des ersten Auftragnehmers vor dem Ende des laufenden Schuljahrs und Beauftragung eines neuen Auftragnehmers mit Beginn des darauffolgenden Schuljahrs–Zurverfügungstellung sämtlicher dem Zedenten gehörender, zuvor dem früheren Auftragnehmer überlassener Betriebsmittel an den neuen Auftragnehmer–Einbeziehung

      (Richtlinie 2001/23 des Rates, Art. 1 Abs. 1)

    3. Sozialpolitik–Rechtsangleichung–Übergang von Unternehmen–Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer–Richtlinie 2001/23–Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen–Begriff–Dienstleistungsauftrag für den Betrieb einer städtischen Musikschule–Kündigung im Anschluss an die Einstellung der Tätigkeit des ersten Auftragnehmers vor dem Ende des laufenden Schuljahrs und Beauftragung eines neuen Auftragnehmers mit Beginn des darauffolgenden Schuljahrs–Einbeziehung–Voraussetzungen–Überprüfung durch das vorlegende Gericht

      (Richtlinie 2001/23 des Rates, Art. 4 Abs. 1)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 29-33)

    2.  Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass ein Fall wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dem der Auftragnehmer eines Dienstleistungsauftrags für den Betrieb einer städtischen Musikschule, dem die Stadtverwaltung sämtliche für die Ausübung dieser Tätigkeit notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung gestellt hat, diese Tätigkeit zwei Monate vor dem Ende des laufenden Schuljahrs einstellt, die Belegschaft entlässt und die Betriebsmittel an die Stadtverwaltung zurückgibt, die erst für das darauffolgende Schuljahr einen neuen Auftrag vergibt und dem neuen Auftragnehmer dieselben Betriebsmittel überlässt, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen kann.

      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Betriebsmittel, wie die Musikinstrumente, die Einrichtungen und die Räumlichkeiten, offenbar unabdingbar für die Ausübung der fraglichen wirtschaftlichen Tätigkeit sind, bei der es sich um den Betrieb einer Musikschule handelt. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Stadtverwaltung von Valladolid sämtliche Betriebsmittel, die sie dem früheren Auftragnehmer überlassen hatte, dem neuen Auftragnehmer zur Verfügung gestellt hat.

      Daraus folgt, dass eine Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/23, die eine Situation, in der die für die Abwicklung der in Rede stehenden Tätigkeit unabdingbaren materiellen Betriebsmittel ununterbrochen im Eigentum des Übergebers (der Stadtverwaltung von Valladolid) standen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschlösse, dieser Richtlinie einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit nehmen würde (vgl. Urteil vom 26. November 2015, Aira Pascual und Algeposa Terminales Ferroviarios, C‑509/14, EU:C:2015:781, Rn. 40).

      Überdies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die vorübergehende – nur wenige Monate dauernde – Unterbrechung der Tätigkeiten des Unternehmens nicht geeignet ist, auszuschließen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt hat, und damit auszuschließen, dass ein Unternehmensübergang im Sinne dieser Richtlinie vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2015, Ferreira da Silva e Brito u. a., C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 31).

      (vgl. Rn. 35, 39, 41, 46, Tenor 1)

    3.  Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem der Auftragnehmer eines Dienstleistungsauftrags für den Betrieb einer städtischen Musikschule diese Tätigkeit zwei Monate vor dem Ende des laufenden Schuljahrs einstellt und die Belegschaft entlässt und der neue Auftragnehmer die Tätigkeit mit Beginn des darauffolgenden Schuljahrs wieder aufnimmt, die Kündigung der Arbeitnehmer „aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen“, im Sinne dieser Bestimmung erfolgt zu sein scheint, sofern nicht die Umstände, die zur Kündigung der gesamten Belegschaft geführt haben, und die verzögerte Bestellung eines neuen Dienstleisters eine gezielte Maßnahme darstellen, um den betroffenen Arbeitnehmern die ihnen nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte zu entziehen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

      (vgl. Rn. 55, Tenor 2)

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