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Document 62016CJ0093

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 20. Juli 2017.
Ornua Co-operative Ltd gegen Tindale & Stanton Ltd España, SL.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Unionsmarke – Einheitlichkeit – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c – Einheitlicher Schutz des durch die Unionsmarke verliehenen Rechts vor Verwechslungsgefahr und vor Beeinträchtigung der Wertschätzung – Friedliche Koexistenz dieser Marke und einer von einem Dritten in einem Teil der Union benutzten nationalen Marke – Fehlen friedlicher Koexistenz im übrigen Teil der Union – Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers – Unterschiede in der Wahrnehmung, die es in verschiedenen Teilen der Union geben kann.
Rechtssache C-93/16.

Court reports – general

Rechtssache C‑93/16

Ornua Co-operative Ltd

gegen

Tindale & Stanton Ltd España SL

(Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de Alicante)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Unionsmarke – Einheitlichkeit – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c – Einheitlicher Schutz des durch die Unionsmarke verliehenen Rechts vor Verwechslungsgefahr und vor Beeinträchtigung der Wertschätzung – Friedliche Koexistenz dieser Marke und einer von einem Dritten in einem Teil der Union benutzten nationalen Marke – Fehlen friedlicher Koexistenz im übrigen Teil der Union – Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers – Unterschiede in der Wahrnehmung, die es in verschiedenen Teilen der Union geben kann“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 20. Juli 2017

  1. Unionsmarke–Wirkungen der Unionsmarke–Rechte aus der Marke–Recht, die Benutzung der Marke zu verbieten–Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, das identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen erfasst–Gefahr der Verwechslung mit der Marke–Beurteilungskriterien–Friedliche Koexistenz einer Unionsmarke und einer von einem Dritten in einem Teil der Union benutzten nationalen Marke–Fehlen einer solchen friedlichen Koexistenz in einem anderen Teil der Union–Keine Verwechslungsgefahr–Nicht gegeben

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b)

  2. Unionsmarke–Wirkungen der Unionsmarke–Rechte aus der Marke–Recht, die Benutzung der Marke zu verbieten–Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, das identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen erfasst–Verwechslungsgefahr, die nur in einem Teil der Union besteht–Beurteilungskriterien–Berücksichtigung relevanter, in einem Teil der Union vorhandener Faktoren, um die Benutzung eines Zeichens in einem anderen Teil der Union zu untersagen–Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b)

  3. Unionsmarke–Wirkungen der Unionsmarke–Rechte aus der Marke–Recht, die Benutzung der Marke zu verbieten–Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, das identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen erfasst–Gefahr der Verwechslung mit der Marke–Friedliche Koexistenz einer bekannten Unionsmarke und eines Zeichens in einem Teil der Union–Fehlen einer solchen friedlichen Koexistenz in einem anderen Teil der Union–Bestehen eines rechtfertigenden Grundes für die Benutzung dieses Zeichens–Fehlen

    (Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 1 Buchst. c)

  1.  Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass aus der Tatsache, dass in einem Teil der Europäischen Union eine Unionsmarke und eine nationale Marke friedlich nebeneinander existieren, nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass in einem anderen Teil der Union, in dem die Unionsmarke und das als nationale Marke eingetragene Zeichen nicht friedlich nebeneinander existieren, zwischen der Unionsmarke und diesem Zeichen keine Verwechslungsgefahr besteht.

    Wenn der Unionsmarkeninhaber nur vor Beeinträchtigungen geschützt wäre, die in der gesamten Union erfolgen, wäre es ihm nicht möglich, sich der Benutzung von identischen oder ähnlichen Zeichen zu widersetzen, die nur in einem Teil der Union zu einer Verwechslungsgefahr führt, obwohl der Zweck von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 darin besteht, den Unionsmarkeninhaber in der gesamten Union vor jeder Benutzung zu schützen, durch die die herkunftshinweisende Funktion seiner Marke beeinträchtigt wird.

    Daher liegt, wenn die Benutzung eines Zeichens in einem Teil der Union zur Gefahr von Verwechslungen mit einer Unionsmarke führt, während sie in einem anderen Teil der Union keine solche Gefahr hervorruft, eine Verletzung des durch die Marke verliehenen ausschließlichen Rechts vor. In diesem Fall muss das angerufene Unionsmarkengericht die Vermarktung der betreffenden Waren unter dem fraglichen Zeichen für die gesamte Union mit Ausnahme des Teils, für den eine Verwechslungsgefahr verneint wurde, untersagen (Urteil vom 22. September 2016, combit Software,C‑223/15, EU:C:2016:719, Rn. 25 und 36).

    Im Übrigen geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass sich die Prüfung, ob in einem Teil der Union Verwechslungsgefahr besteht, auf eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des Einzelfalls gründen muss und dass diese Beurteilung einen Vergleich der Marke mit dem von dem Dritten benutzten Zeichen in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht umfassen muss, was insbesondere aus sprachlichen Gründen in verschiedenen Teilen der Union zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2016, combit Software,C‑223/15, EU:C:2016:719, Rn. 31 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    (vgl. Rn. 32, 33, 36, 38, Tenor 1)

  2.  Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist dahin auszulegen, dass das mit einer Verletzungsklage befasste Unionsmarkengericht die Umstände, die seiner Auffassung nach für die Beurteilung der Frage relevant sind, ob der Inhaber einer Unionsmarke die Benutzung eines Zeichens in einem von der Klage nicht erfassten Teil der Europäischen Union untersagen kann, für die Beurteilung der Frage berücksichtigen darf, ob dieser Inhaber die Benutzung des Zeichens in dem Teil der Union untersagen kann, der von der Klage erfasst ist, sofern die Marktbedingungen und die soziokulturellen Umstände in den beiden Teilen der Union nicht deutlich voneinander abweichen.

    (vgl. Rn. 47, Tenor 2)

  3.  Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ist dahin auszulegen, dass aus der Tatsache, dass in einem Teil der Europäischen Union eine bekannte Unionsmarke und ein Zeichen friedlich nebeneinander existieren, nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass in einem anderen Teil der Union, in dem es diese friedliche Koexistenz nicht gibt, ein rechtfertigender Grund für die Benutzung dieses Zeichens besteht.

    (vgl. Rn. 60, Tenor 3)

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