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Document 62015TJ0718

Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 5. Februar 2018.
PTC Therapeutics International Ltd gegen Europäische Arzneimittel-Agentur.
Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokument, das sich im Besitz der EMA befindet und im Rahmen des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Translarna vorgelegt wurde – Entscheidung, einem Dritten Zugang zum Dokument zu gewähren – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen – Keine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit.
Rechtssache T-718/15.

Court reports – general

Rechtssache T‑718/15

PTC Therapeutics International Ltd

gegen

Europäische Arzneimittel-Agentur

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokument, das sich im Besitz der EMA befindet und im Rahmen des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Translarna vorgelegt wurde – Entscheidung, einem Dritten Zugang zum Dokument zu gewähren – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen – Keine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 5. Februar 2018

  1. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Enge Auslegung und Anwendung – Verpflichtung des Organs zu einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente – Umfang – Ausschluss der Verpflichtung – Möglichkeit, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten – Grenzen

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

  2. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der geschäftlichen Interessen – Umfang – Anwendung auf Dokumente einer Akte, die im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels vorgelegt wurde – Für die Ausnahme vom Recht auf Zugang sprechende allgemeine Vermutung – Ausschluss

    (Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 141/2000 und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich und Nr. 726/2004, Art. 11, 13 Abs. 3, 36, 38 Abs. 3, 57 Abs. 1 und 2 und 73)

  3. Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Auslegung im Hinblick auf die von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte – Auslegung der Verordnungen Nr. 141/2000, Nr. 1049/2001, Nr. 726/2004 und Nr. 507/2006 im Hinblick auf das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)

    (TRIPS–Übereinkommen, Art. 39; Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 141/2000, Nr. 1049/2001 und Nr. 726/2004; Verordnung Nr. 507/2006 der Kommission; Beschluss 94/800 des Rates)

  4. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Verweigerung des Zugangs – Möglichkeit der Rechtfertigung auf der Grundlage des Ausmaßes der durch den Antrag auf Zugang verursachten Arbeitsbelastung – Ausschluss

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 und 2)

  5. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Verweigerung des Zugangs – Möglichkeit, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten – Verpflichtung, sich auf solche Vermutungen zu stützen – Fehlen

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

  6. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Enge Auslegung und Anwendung – Verpflichtung zur konkreten und individuellen Prüfung der unter eine Ausnahme fallenden Dokumente – Umfang

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 2 und 11 Art. 4)

  7. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der geschäftlichen Interessen – Geltungsbereich – Zusammenstellung öffentlicher wissenschaftlicher Studien, die nicht vertrauliche und vertrauliche Informationen enthält – Einbeziehung – Voraussetzung – Vorliegen einer sensiblen geschäftlichen Angabe, die geschäftliche Interessen beeinträchtigen kann

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 und erster Gedankenstrich)

  8. Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Schutz der geschäftlichen Interessen – Überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung von Dokumenten – Verpflichtung des Organs, die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen

    (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgrund 2 und Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 34-36, 38, 39)

  2.  Es besteht keine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der Dokumente in einer im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vorgelegten Akte und insbesondere der Berichte über klinische Studien, die sich aus der Anwendung der Verordnung Nr. 141/2000 über Arzneimittel für seltene Leiden in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission sowie der Verordnung Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln ergäbe.

    Daher regeln die Verordnungen Nrn. 141/2000 und 726/2004, im Unterschied zu den Fällen, für die die Geltung der allgemeinen Vermutungen der Vertraulichkeit zur Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten zugelassen wurden, die Verwendung der in der Akte eines Genehmigungsverfahrens für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels enthaltenen Dokumente nicht restriktiv. Sie sehen keine Beschränkung des Zugangs zur Akte auf die betroffenen Parteien oder auf die Beschwerdeführer vor. Insbesondere enthält die Verordnung Nr. 141/2000 keine spezifische Bestimmung über den Zugang zu Dokumenten. Die Verordnung Nr. 726/2004 sieht in ihrem Art. 73 vor, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 auf die Dokumente der EMA Anwendung findet und dass ihr Verwaltungsrat die Durchführungsbestimmungen für diese Verordnung erlässt. Keine andere Bestimmung dieser Verordnung kann dahin ausgelegt werden, dass sie die Absicht des Gesetzgebers erkennen ließe, eine Regelung des eingeschränkten Zugangs zu den Dokumenten über eine allgemeine Vermutung ihrer Vertraulichkeit zu schaffen.

    Die Verordnung Nr. 726/2004 schreibt nämlich der EMA in Art. 11, Art. 13 Abs. 3, Art. 36, Art. 38 Abs. 3 und Art. 57 Abs. 1 und 2 die Veröffentlichung von drei Dokumenten vor, nämlich des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts, der Zusammenfassung der Merkmale der betreffenden Arzneimittel und der für den Benutzer bestimmten Packungsbeilage nach Streichung aller vertraulichen Angaben geschäftlicher Art. Diese Bestimmungen nennen die Mindestinformationen, die die EMA durch die drei genannten Dokumente der Öffentlichkeit proaktiv zur Verfügung stellen soll. Das Ziel des Gesetzgebers ist zum einen, dass den medizinischen Fachleuten die Merkmale des betreffenden Arzneimittels und die Art, auf die es den Patienten zu verschreiben ist, in möglichst verständlicher Weise mitgeteilt werden, und zum anderen, dass die nicht berufszugehörige Öffentlichkeit in einer verständlichen Sprache über die optimale Art der Anwendung des Arzneimittels und dessen Wirkungen unterrichtet wird. Diese Regelung einer proaktiven Veröffentlichung eines Minimums an Informationen stellt daher keine spezifische Regelung für den Zugang zu den Dokumenten dar, die dahin auszulegen wäre, dass alle Daten und Informationen, die nicht in den drei angeführten Dokumenten enthalten sind, als vertraulich anzusehen wären.

    Daraus folgt, dass der in den Verordnungen Nrn. 726/2004 und 1049/2001 vorherrschende Grundsatz der des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen ist und dass die Ausnahmen von diesem Grundsatz die in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten einschließlich der Ausnahme für vertrauliche geschäftliche Informationen sind. In Anbetracht des Erfordernisses einer strikten Auslegung der Ausnahmen von der Verbreitung ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber implizit der Auffassung war, dass die Integrität des Genehmigungsverfahrens für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels bei Fehlen einer Vermutung der Vertraulichkeit nicht beeinträchtigt wäre.

    (vgl. Rn. 46-49, 52, 53)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 62)

  4.  Die administrative Arbeit, die dadurch verursacht wird, dass der Öffentlichkeit ein Zugang zu Dokumenten gewährt wird, die zu schwärzende vertrauliche Informationen enthalten, kann keine stichhaltige Rechtfertigung für die Verweigerung dieses Zugangs darstellen. Außerdem kann der Arbeitsaufwand eines Dritten für die Bestimmung, welcher Teil des beantragten Dokuments von einer der Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission umfasst ist, im Rahmen der Frage, ob ein Dokument oder Teile von diesem verbreitet werden können oder nicht, nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen liegt es im Interesse des konsultierten Dritten, von dem das Dokument stammt, Gründe zu liefern, um das Organ, bei dem ein Antrag auf Zugang gestellt wird, zu unterstützen, damit die geeigneten Ausnahmen gegebenenfalls angewandt werden können.

    (vgl. Rn. 66)

  5.  Ein Organ, bei dem ein Antrag auf Zugang nach der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gestellt wurde, ist, wenn eine allgemeine Vermutung besteht, nicht verpflichtet, seine Entscheidung auf diese zu stützen. Es kann jederzeit die vom Antrag auf Zugang erfassten Dokumente konkret prüfen und eine Begründung geben, die sich aus einer solchen konkreten Prüfung ergibt.

    (vgl. Rn. 70)

  6.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 79-83)

  7.  Für die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorgesehenen Ausnahmeregelung muss dargetan werden, dass die beantragten Dokumente Angaben enthalten, die durch ihre Veröffentlichung die geschäftlichen Interessen einer juristischen Person beeinträchtigen könnten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die beantragten Dokumente sensible Geschäftsinformationen u. a. zu den geschäftlichen Strategien der betreffenden Unternehmen oder ihren Geschäftsbeziehungen enthalten oder wenn sie Angaben zu dem betroffenen Unternehmen selbst enthalten, die dessen Sachverstand zeigen.

    Bei einem Antrag auf Zugang zu einem Bericht, der eine Reihe von Informationen enthält, die im Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht, der vom Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur erstellt wird, veröffentlicht wurden, wobei der Letztere öffentlich zugänglich ist und Daten enthält, die unmittelbar aus diesem Bericht stammen, ist darzutun, dass die Zusammenstellung der öffentlich zugänglichen Daten mit denjenigen, die dies nicht sind, insgesamt eine sensible geschäftliche Angabe darstellt, deren Verbreitung die geschäftlichen Interessen einer juristischen Person beeinträchtigen würde. Insoweit ist ein Vorbringen, dass „das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist“, zu vage, um darzutun, dass diese Zusammenstellung der Informationen geschäftliche Interessen beeinträchtigen könnte. Genaue und konkrete Erläuterungen sind umso erforderlicher, als die Ausnahmeregelungen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen und daher strikt auszulegen und anzuwenden sind.

    Im Übrigen stellt das Risiko der missbräuchlichen Verwendung des Berichts, zu dem der Zugang beantragt wird, durch einen Wettbewerber nicht für sich genommen einen Grund für die Annahme dar, dass eine Information eine vertrauliche geschäftliche Information nach der Verordnung Nr. 1049/2001 ist.

    (vgl. Rn. 85, 89, 91)

  8.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 106, 107)

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