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Document 62015CO0517
Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 14. Januar 2016.
AGC Glass Europe u. a. gegen Europäische Kommission.
Vorläufiger Rechtsschutz – Rechtsmittel – Aussetzung der Durchführung eines Urteils des Gerichts der Europäischen Union – Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen, die in einem Beschluss der Europäischen Kommission zur Feststellung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Automobilglas enthalten sind – Zurückweisender Beschluss der Kommission und Urteil des Gerichts, mit dem die Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss abgewiesen wurde – Dringlichkeit – Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden – Fehlen.
Rechtssache C-517/15 P-R.
Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 14. Januar 2016.
AGC Glass Europe u. a. gegen Europäische Kommission.
Vorläufiger Rechtsschutz – Rechtsmittel – Aussetzung der Durchführung eines Urteils des Gerichts der Europäischen Union – Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen, die in einem Beschluss der Europäischen Kommission zur Feststellung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Automobilglas enthalten sind – Zurückweisender Beschluss der Kommission und Urteil des Gerichts, mit dem die Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss abgewiesen wurde – Dringlichkeit – Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden – Fehlen.
Rechtssache C-517/15 P-R.
Court reports – general
Rechtssache C‑517/15 P-R
AGC Glass Europe SA u. a.
gegen
Europäische Kommission
„Vorläufiger Rechtsschutz — Rechtsmittel — Aussetzung der Durchführung eines Urteils des Gerichts der Europäischen Union — Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen, die in einem Beschluss der Europäischen Kommission zur Feststellung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Automobilglas enthalten sind — Zurückweisender Beschluss der Kommission und Urteil des Gerichts, mit dem die Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss abgewiesen wurde — Dringlichkeit — Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden — Fehlen“
Leitsätze – Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 14. Januar 2016
Vorläufiger Rechtsschutz — Aussetzung des Vollzugs — Einstweilige Anordnungen — Voraussetzungen für die Gewährung — Fumus boni iuris — Dringlichkeit — Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden — Kumulativer Charakter — Abwägung sämtlicher betroffener Belange
(Art. 278 AEUV und 279 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 60 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 160 Abs. 3)
Vorläufiger Rechtsschutz — Aussetzung des Vollzugs — Einstweilige Anordnungen — Voraussetzungen für die Gewährung — Dringlichkeit — Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden — Schaden, der sich aus der Veröffentlichung von Informationen ergibt, die nicht unter das Berufsgeheimnis fallen — Beweislast für den nicht wiedergutzumachenden Schaden trotz des irreversiblen Charakters der Verbreitung von Informationen — Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung — Keine Auswirkung auf den nicht wiedergutzumachenden Schaden
(Art. 278 AEUV, 279 AEUV und 339 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 60 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 160 Abs. 3)
Vorläufiger Rechtsschutz — Aussetzung des Vollzugs — Einstweilige Anordnungen — Voraussetzungen für die Gewährung — Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden — Schaden, der sich aus der Veröffentlichung von Informationen während eines Wettbewerbsverfahrens ergibt — Entscheidende Ursache des Schadens, der in der Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln und nicht in der Verbreitung von Informationen besteht, die bei einer Schadensersatzklage gegen den Verantwortlichen der Zuwiderhandlung als Beweis dienen kann — Interesse dieses Verantwortlichen an der Nichtverbreitung, die den einstweiligen Rechtsschutz nicht rechtfertigt
(Art. 15 EUV; Art. 101 Abs. 1 AEUV, 278 AEUV und 279 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 30; Richtlinie 2014/104 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 5 Abs. 5; Satzung des Gerichtshofs, Art. 60 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 160 Abs. 3)
Vorläufiger Rechtsschutz — Aussetzung des Vollzugs — Einstweilige Anordnungen — Voraussetzungen für die Gewährung — Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden — Irreparabler Charakter des Schadens — Nicht bezifferbarer Schaden — Beurteilung allein auf der Grundlage der Ungewissheit im Hinblick auf den Ersatz eines finanziellen Schadens im Rahmen einer eventuellen Schadensersatzklage — Nicht gegeben
(Art. 268 AEUV, 278 AEUV, 279 AEUV, 339 AEUV und 340 AEUV)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 20, 21)
Im Rahmen der Bewertung der Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung genügt der Umstand, dass die Veröffentlichung von Informationen über Kundennamen und die Beschreibung von Unternehmenswaren, die wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union verfolgt werden, gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung verstoßen könnte, als solcher nicht für die Feststellung, dass diese Informationen als unter das Berufsgeheimnis fallend anzusehen sind und ihre Verbreitung daher den Unternehmen einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde. Ein solcher Umstand, als nachgewiesen unterstellt, könnte allenfalls die Pflicht für die Kommission begründen, diese Informationen nicht zu verbreiten.
Es trifft zwar zu, dass die Veröffentlichung von Informationen einen irreversiblen Charakter hat, jedoch müsste zur Erfüllung der Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen und insbesondere der Voraussetzung der Dringlichkeit die Unumkehrbarkeit der Verbreitung der Informationen auch noch geeignet sein, den Antragstellern einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zuzufügen.
Wenn es hierzu zwar für den Nachweis eines solchen Schadens nicht erforderlich ist, dass dessen Eintritt mit absoluter Sicherheit belegt wird, sondern es genügt, dass dieser Schaden mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist, obliegt es jedoch dem Antragsteller, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen.
Zudem, wenn zwar die Verbreitung von Geschäftsgeheimnissen einen Schaden verursachen kann, der darin besteht, dass, wenn die vertraulichen Informationen erst einmal veröffentlicht sind, eine spätere Aufhebung des streitigen Beschlusses die Wirkungen der Veröffentlichung nicht mehr umkehren würde, gilt jedoch für die Verbreitung von Informationen, die nicht als unter das Berufsgeheimnis fallend anzusehen sind, nicht das Gleiche. Dies ist bei Informationen der Fall, über die entschieden ist, dass sie kein Berufsgeheimnis in einem Teil eines Gerichtsurteils darstellen, der nicht vom Rechtsmittel gegen dieses Urteil betroffen ist. Der Teil, der die in Rede stehenden Informationen betrifft, ist nämlich als endgültig anzusehen.
(vgl. Rn. 33-38, 40-42)
Im Fall eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen der Union ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nur gerechtfertigt, wenn die fragliche Anordnung die entscheidende Ursache des behaupteten schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens ist.
Im Fall eines von einem Unternehmen verursachten Schadens, den es durch eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts hervorgerufen hat, deren Ahndung die Verbreitung durch die Kommission bestimmter Informationen in Bezug auf die Kundennamen und die genannten Warenbeschreibungen beinhaltete, liegt die entscheidende Ursache für den gegenüber Dritten verursachten Schaden, dessen Wiedergutmachung mit den Schadensersatzklagen beantragt wird, nicht in der Verbreitung der durch die Kommission verbreiteten Informationen, sondern in der Zuwiderhandlung des sanktionierten Unternehmens gegen das Wettbewerbsrecht. Wenn diese Informationen die Erbringung eines Beweises durch die Antragsteller, die vom sanktionierten Unternehmen Schadensersatz fordern, erleichtern, soweit sie ihnen Beweise liefern, auf die sie sich sonst nicht stützen könnten, würde ein solcher Umstand der Kommission jedoch nicht allein deshalb die Verbreitung von Informationen verbieten, weil sie solche Beweise darstellen und somit der Stellung des sanktionierten Unternehmens abträglich sein könnten. Dies liefe nämlich darauf hinaus, von der Kommission zu verlangen, vertrauliche Informationen allein zu dem Zweck zurückzuhalten, das Interesse der Adressaten eines Beschlusses, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts festgestellt wird, daran zu schützen, dass die Schadensersatzkläger keinen Zugang zu den fraglichen Beweisen erhalten.
Trotz der Anerkennung der Bedeutung dieses Interesses, namentlich soweit es von den Verteidigungsrechten bei Klagen dieser Art erfasst wird, verpflichtet jedoch zum einen keine Regel des Unionsrechts die Kommission, ein solches Interesse zu schützen, indem sie ihr aufgibt, den vertraulichen Charakter von Informationen wie den in Rede stehenden entgegen ihrer Verpflichtung zur Transparenz aus Art. 15 EUV und konkret im vorliegenden Fall aus Art. 30 der Verordnung Nr. 1/2003 aufrechtzuerhalten. Zum anderen bestimmt Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2014/104 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union ausdrücklich, dass das Interesse von Unternehmen, Schadensersatzklagen aufgrund von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht zu vermeiden, nicht schutzwürdig ist.
(vgl. Rn. 45-50)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 53, 54, 56)