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Document 62015CJ0573

    Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 9. März 2017.
    État belge gegen Oxycure Belgium SA.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 98 Abs. 2 – Anhang III Nrn. 3 und 4 – Grundsatz der steuerlichen Neutralität – Medizinische Sauerstoffbehandlung – Ermäßigter Mehrwertsteuersatz – Sauerstoffgasflaschen – Normaler Mehrwertsteuersatz – Sauerstoffkonzentratoren.
    Rechtssache C-573/15.

    Court reports – general

    Rechtssache C‑573/15

    État belge

    gegen

    Oxycure Belgium SA

    (Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Liège)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 98 Abs. 2 – Anhang III Nrn. 3 und 4 – Grundsatz der steuerlichen Neutralität – Medizinische Sauerstoffbehandlung – Ermäßigter Mehrwertsteuersatz – Sauerstoffgasflaschen – Normaler Mehrwertsteuersatz – Sauerstoffkonzentratoren“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 9. März 2017

    Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befugnis der Mitgliedstaaten, auf bestimmte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden – Ausübung – Grenzen – Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nur auf Sauerstoffgasflaschen – Zulässigkeit

    (Richtlinie 2006/112 des Rates, Art. 98 Abs. 1 und 2 sowie Anhang III Nrn. 3 und 4)

    Art. 98 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und deren Anhang III Nrn. 3 und 4 stehen im Licht des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, die vorsieht, dass auf die Lieferung oder die Vermietung von Sauerstoffkonzentratoren der normale Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, während für die Lieferung von Sauerstoffgasflaschen ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz gilt.

    Daher können sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich dafür entscheiden, auf die in Anhang III Nr. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Arzneimittel einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, während sie auf die in Nr. 4 dieses Anhangs aufgeführten medizinischen Geräte den normalen Steuersatz anwenden. Sie können sich auch dafür entscheiden, auf einige der in den Nrn. 3 und 4 aufgeführten Arzneimittel oder medizinischen Geräte einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden und auf andere dieser Arzneimittel oder Geräte den normalen Steuersatz. Sie sind jedenfalls verpflichtet, auf Produkte, die nicht in diesem Anhang aufgeführt sind, den normalen Steuersatz anzuwenden.

    Wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz selektiv auf bestimmte in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführte Gegenstände oder Dienstleistungen anzuwenden, muss er jedoch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. April 2008, Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien, C‑442/05, EU:C:2008:184, Rn. 41 und 43, vom 6. Mai 2010, Kommission/Frankreich, C‑94/09, EU:C:2010:253, Rn. 30, und vom 27. Februar 2014, Pro Med Logistik und Pongratz, C‑454/12 und C‑455/12, EU:C:2014:111, Rn. 45).

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz es nicht zulässt, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (Urteil vom 11. September 2014, K, C‑219/13, EU:C:2014:2207, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität jedoch nicht, den Geltungsbereich eines ermäßigten Steuersatzes ohne eindeutige Bestimmung auszuweiten (vgl. u. a. Urteile vom 5. März 2015, Kommission/Luxemburg, C‑502/13, EU:C:2015:143, Rn. 51, und vom 2. Juli 2015, De Fruytier, C‑334/14, EU:C:2015:437, Rn. 37).

    Dieser Grundsatz ist nämlich keine Regel des Primärrechts, die für den Umfang eines ermäßigten Steuersatzes maßgebend sein kann, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz der engen Auslegung ermäßigter Steuersätze anzuwenden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2012, Deutsche Bank, C‑44/11, EU:C:2012:484, Rn. 45).

    (vgl. Rn. 26, 28, 30-32, 37 und Tenor)

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