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Document 62015CJ0553

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 8. Dezember 2016.
    Undis Servizi Srl gegen Comune di Sulmona.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Auftragserteilung ohne Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens – ‚In-House‘-Vergabe – Voraussetzungen – Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen – Verrichtung der Haupttätigkeit – Beauftragte Gesellschaft mit öffentlichem Kapital, deren Anteile mehrere Gebietskörperschaften innehaben – Tätigkeit auch zugunsten nicht beteiligter Gebietskörperschaften – Tätigkeit, die von einer nicht beteiligten Behörde auferlegt wird.
    Rechtssache C-553/15.

    Court reports – general

    Rechtssache C‑553/15

    Undis Servizi Srl

    gegen

    Comune di Sulmona

    (Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Auftragserteilung ohne Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens – ‚In-House‘-Vergabe – Voraussetzungen – Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen – Verrichtung der Haupttätigkeit – Beauftragte Gesellschaft mit öffentlichem Kapital, deren Anteile mehrere Gebietskörperschaften innehaben – Tätigkeit auch zugunsten nicht beteiligter Gebietskörperschaften – Tätigkeit, die von einer nicht beteiligten Behörde auferlegt wird“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 8. Dezember 2016

    1. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen–Zulässigkeit–Erfordernis, dem Gerichtshof gegenüber hinreichende Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu machen–Umfang der Verpflichtung im Bereich der öffentlichen Aufträge

      (Art. 49 AEUV, 56 AEUV und 267 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 94)

    2. Rechtsangleichung–Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge–Richtlinie 2004/18–Geltungsbereich–Öffentliche Aufträge, die „in-house“ vergeben werden–Nichteinbeziehung–Voraussetzungen–Verrichtung der Haupttätigkeit durch die beauftragte Einrichtung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers–Beurteilungskriterien

      (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a)

    3. Rechtsangleichung–Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge–Richtlinie 2004/18–Geltungsbereich–Öffentliche Aufträge, die „in-house“ vergeben werden–Nichteinbeziehung–Voraussetzungen–Verrichtung der Haupttätigkeit durch die beauftragte Einrichtung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers–Berücksichtigung von Tätigkeiten zugunsten von Gebietskörperschaften, die an dieser Einrichtung nicht beteiligt sind–Nichteinbeziehung

      (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a)

    4. Rechtsangleichung–Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge–Richtlinie 2004/18–Geltungsbereich–Öffentliche Aufträge, die „in-house“ vergeben werden–Nichteinbeziehung–Voraussetzungen–Verrichtung der Haupttätigkeit durch die beauftragte Einrichtung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers–Tätigkeit zugunsten von Gebietskörperschaften, die an dieser Einrichtung beteiligt sind und über sie eine Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen ausüben–Berücksichtigung von Tätigkeiten, die verrichtet wurden, bevor die Kontrolle wirksam wurde

      (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 24, 25)

    2.  Jede Ausnahme von der Verpflichtung, die in den einschlägigen Richtlinien vorgesehenen Vorschriften über die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden, ist eng auszulegen. Die Ausnahme in Bezug auf „In-House“-Vergaben wird mit der besonderen internen Verbindung gerechtfertigt, die zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und der beauftragten Einrichtung in einem solchen Fall besteht, auch wenn diese eine rechtlich vom öffentlichen Auftraggeber verschiedene Einrichtung ist. Der öffentliche Auftraggeber greift in solchen Fällen in Wirklichkeit auf seine eigenen Mittel zurück, und die beauftragte Einrichtung gehört quasi zu seinen internen Dienststellen.

      Diese Ausnahme setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber über die beauftragte Einrichtung eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und dass diese Einrichtung darüber hinaus ihre Tätigkeit im Wesentlichen zugunsten des öffentlichen Auftraggebers oder der öffentlichen Auftraggeber verrichtet, die ihre Anteile innehaben. Daher ist es unerlässlich, dass die beauftragte Einrichtung hauptsächlich für die Körperschaft oder die Körperschaften, die ihre Anteile innehaben, tätig wird, wobei jede andere Tätigkeit nur nebensächlich sein kann. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, muss der zuständige Richter alle – qualitativen wie quantitativen – Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei ist der Umsatz relevant, den die Einrichtung aufgrund der Vergabeentscheidungen der kontrollierenden Körperschaft oder der kontrollierenden Körperschaften erzielt.

      (vgl. Rn. 28-32)

    3.  Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur freihändigen Vergabe („in-house“) öffentlicher Aufträge bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber, insbesondere die Gebietskörperschaften, die an ihm beteiligt sind und es kontrollieren, verrichtet, ist in diese Tätigkeit eine solche nicht einzubeziehen, die dem Unternehmen von einer an ihm nicht beteiligten Behörde zugunsten von Gebietskörperschaften, die auch nicht an ihm beteiligt sind und keine Kontrolle über das Unternehmen ausüben, auferlegt wird; diese Tätigkeit ist als Tätigkeit zugunsten Dritter anzusehen.

      Das Erfordernis, dass die fragliche Person ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft oder die Körperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben, soll nämlich sicherstellen, dass die Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge anwendbar bleibt, wenn ein von einer oder mehreren Körperschaften kontrolliertes Unternehmen auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann. Dabei fehlt es einem Unternehmen nicht unbedingt allein deshalb an Handlungsfreiheit, weil die es betreffenden Entscheidungen von der Körperschaft oder den Körperschaften kontrolliert werden, die seine Anteile innehaben, sofern es noch einen bedeutenden Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit mit anderen Wirtschaftsteilnehmern abwickeln kann. Wenn die Leistungen dieses Unternehmens im Wesentlichen nur für diese Körperschaft oder diese Körperschaften erbracht werden, ist es jedoch gerechtfertigt, dass das Unternehmen nicht den Zwängen der Richtlinie 2004/18 unterliegt, da diese durch das Anliegen der Bewahrung eines Wettbewerbs diktiert werden, für das es in dem entsprechenden Fall keinen Grund mehr gibt.

      Daraus ergibt sich, dass jede Tätigkeit der beauftragten Einrichtung für andere Personen als die, die ihre Anteile innehaben, d. h. Personen, die in keinem Kontrollverhältnis zu dieser Einrichtung stehen, auch wenn es sich dabei um Behörden handelt, als Tätigkeit zugunsten Dritter anzusehen ist.

      (vgl. Rn. 33, 34, 38, Tenor 1)

    4.  Was die Ausnahme von der Verpflichtung anbelangt, die Vorschriften über die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Bezug auf „In-House“-Vergaben anzuwenden, sind bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaften verrichtet, die an ihm beteiligt sind und über das Unternehmen gemeinsam eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen eine Tätigkeit gehören kann, die das Unternehmen für diese Gebietskörperschaften verrichtet hat, bevor diese gemeinsame Kontrolle wirksam wurde.

      Der nationale Richter muss nämlich zur Beurteilung der Frage, ob die die Verrichtung der Haupttätigkeit betreffende Voraussetzung vorliegt, alle – qualitativen wie quantitativen – Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei können vor dem Zeitpunkt der Erteilung des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags beendete Tätigkeiten des beauftragten Unternehmens ein Hinweis auf die Bedeutung der Tätigkeit sein, die dieses Unternehmen für seine beteiligten Gebietskörperschaften auszuüben beabsichtigt, nachdem deren Kontrolle wie über eigene Dienststellen wirksam wurde.

      (vgl. Rn. 40-42, Tenor 2)

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