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Document 62015CJ0191

Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 28. Juli 2016.
Verein für Konsumenteninformation gegen Amazon EU Sàrl.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnungen (EG) Nr. 864/2007 und (EG) Nr. 593/2008 – Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Datenschutz – Richtlinie 95/46/EG – Onlinekaufverträge mit in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verbrauchern – Missbräuchliche Klauseln – Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Klausel enthalten, durch die das Recht des Mitgliedstaats gewählt wird, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat – Bestimmung des bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen im Rahmen einer Unterlassungsklage anzuwendenden Rechts – Bestimmung des Rechts, dem die Verarbeitung personenbezogener Daten der Verbraucher unterliegt.
Rechtssache C-191/15.

Court reports – general

Rechtssache C‑191/15

Verein für Konsumenteninformation

gegen

Amazon EU Sàrl

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Verordnungen (EG) Nr. 864/2007 und (EG) Nr. 593/2008 — Verbraucherschutz — Richtlinie 93/13/EWG — Datenschutz — Richtlinie 95/46/EG — Onlinekaufverträge mit in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verbrauchern — Missbräuchliche Klauseln — Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Klausel enthalten, durch die das Recht des Mitgliedstaats gewählt wird, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat — Bestimmung des bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen im Rahmen einer Unterlassungsklage anzuwendenden Rechts — Bestimmung des Rechts, dem die Verarbeitung personenbezogener Daten der Verbraucher unterliegt“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 28. Juli 2016

  1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht – Verordnung Nr. 593/2008 – Auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht – Verordnung Nr. 864/2007 – Unterlassungsklage, die sich gegen die Verwendung vermeintlich missbräuchlicher Klauseln in Onlinekaufverträgen mit in anderen Mitgliedstaaten als dem des Gewerbetreibenden ansässigen Verbrauchern richtet – Anwendbares Recht

    (Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 864/2007, Art. 1 Abs. 3 und 6 Abs. 1, und Nr. 593/2008, Art. 1 Abs. 3 und 6 Abs. 2; Richtlinie 2009/22 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 93/13 des Rates, Art. 8)

  2. Verbraucherschutz – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13 – Missbräuchliche Klausel im Sinne von Art. 3 – Begriff – Klausel eines Onlinekaufvertrags, die so formuliert ist, dass der Verbraucher hinsichtlich des auf den Vertrag anwendbaren Rechts in die Irre geführt wird – Einbeziehung – Beurteilung der Missbräuchlichkeit durch das nationale Gericht – Kriterien

    (Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 6 Abs. 2; Richtlinie 93/13 des Rates, Art. 3 Abs. 1)

  3. Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Anwendbares nationales Recht – Verarbeitung durch ein im elektronischen Geschäftsverkehr tätiges Unternehmen, das seine Geschäftstätigkeit auf einen Mitgliedstaat ausrichtet – Anwendung des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats – Voraussetzung

    (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a)

  1.  Die Verordnung Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und die Verordnung Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sind dahin auszulegen, dass unbeschadet des Art. 1 Abs. 3 beider Verordnungen das auf eine Unterlassungsklage im Sinne der Richtlinie 2009/22 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, die sich gegen die Verwendung vermeintlich unzulässiger Vertragsklauseln durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen richtet, das im elektronischen Geschäftsverkehr Verträge mit Verbrauchern abschließt, die in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere im Staat des angerufenen Gerichts, ansässig sind, anzuwendende Recht nach Art. 6 Abs. 1 der Rom II-Verordnung zu bestimmen ist, während das bei der Beurteilung einer bestimmten Vertragsklausel anzuwendende Recht stets anhand der Rom 1-Verordnung zu bestimmen ist, unabhängig davon, ob diese Beurteilung im Rahmen einer Individualklage oder einer Verbandsklage vorgenommen wird.

    Jedoch lässt nach Art. 6 Abs. 2 der Rom‑I-Verordnung bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Vertragsklausel im Rahmen einer Unterlassungsklage die Wahl des anzuwendenden Rechts die Anwendung der zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates unberührt, in dem die Verbraucher ansässig sind, deren Interessen durch diese Klage geschützt werden sollen. Dazu können auch die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gehören, soweit sie im Einklang mit deren Art. 8 ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher gewährleisten.

    (vgl. Rn. 59, 60, Tenor 1)

  2.  Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre; dies hat das nationale Gericht im Licht aller relevanten Umstände zu prüfen.

    (vgl. Rn. 71, Tenor 2)

  3.  Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein im elektronischen Geschäftsverkehr tätiges Unternehmen dem Recht jenes Mitgliedstaats unterliegt, auf den das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet, wenn sich zeigt, dass das Unternehmen die fragliche Datenverarbeitung im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung vornimmt, die sich in diesem Mitgliedstaat befindet. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob dies der Fall ist.

    Insoweit schließt der Umstand, dass das für die Datenverarbeitung verantwortliche Unternehmen in einem Mitgliedstaat weder über eine Tochtergesellschaft noch über eine Zweigniederlassung verfügt, zwar nicht aus, dass es dort eine Niederlassung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 besitzt, doch kann eine solche Niederlassung nicht bloß deswegen bestehen, weil von dort aus auf die Website des Unternehmens zugegriffen werden kann. Es sind vielmehr sowohl der Grad an Beständigkeit der Einrichtung als auch die effektive Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten im fraglichen Mitgliedstaat zu bewerten.

    (vgl. Rn. 76, 77, 81, Tenor 3)

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