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Document 62014TJ0787

    Urteil des Gerichts (Rechtsmittelkammer) vom 27. Oktober 2016.
    Europäische Zentralbank gegen Maria Concetta Cerafogli.
    Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Personal der EZB – Zugang zu Dokumenten – Dokumente zum Rechtsstreit zwischen den Verfahrensparteien – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Grundsatz der Übereinstimmung zwischen Klage und Beschwerde – Einrede der Rechtswidrigkeit.
    Rechtssache T-787/14 P.

    Court reports – general

    Rechtssache T-787/14 P

    Europäische Zentralbank

    gegen

    Maria Concetta Cerafogli

    „Rechtsmittel — Öffentlicher Dienst — Personal der EZB — Zugang zu Dokumenten — Dokumente zum Rechtsstreit zwischen den Verfahrensparteien — Teilweise Verweigerung des Zugangs — Grundsatz der Übereinstimmung zwischen Klage und Beschwerde — Einrede der Rechtswidrigkeit“

    Leitsätze – Urteil des Gerichts (Rechtsmittelkammer) vom 27. Oktober 2016

    1. BeamtenklageBedienstete der Europäischen ZentralbankVorherige VerwaltungsbeschwerdeÜbereinstimmung von Beschwerde und KlageIdentität von Gegenstand und GrundlageArgumente, die nicht in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnenZulässigkeitAuswechslung der rechtlichen Grundlage einer RügeNicht hinreichende Bedingung für die Annahme, dass es sich um einen neuen Grund handelt

      (Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2 und 91; Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, Art. 42; Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank, Art. 8.1)

    2. Einrede der RechtswidrigkeitTragweiteHandlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kannRechtsakt allgemeiner Tragweite, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt istNotwendigkeit eines rechtlichen Zusammenhangs zwischen der angefochtenen Handlung und dem beanstandeten allgemeinen RechtsaktWirkung der Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung

      (Art. 277 AEUV)

    3. BeamtenklageVorherige VerwaltungsbeschwerdeÜbereinstimmung von Beschwerde und KlageIdentität von Gegenstand und GrundlageEinrede der Rechtswidrigkeit, die erstmals im Rahmen der Klage erhoben wurdeZulässigkeit

      (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beamtenstatut, Art. 91; Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, Art. 42; Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank, Art. 8.1)

    4. Recht der Europäischen UnionGrundsätzeVerteidigungsrechteGeltung in allen Verfahren, die gegen eine Person eingeleitet werden und die zu einer diese beschwerenden Maßnahme führen könnenGrundsatz, der auch dann zu wahren ist, wenn es an einer Regelung für das fragliche Verfahren fehltTragweite

    1.  Ebenso wie Art. 91 Abs. 2 des Statuts sehen Art. 42 der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank und Art. 8.1 der Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank vor, dass einer ihrer Bediensteten eine Klage nur nach Durchführung des Vorverfahrens einreichen kann, das für die Mitarbeiter der Bank zwei Abschnitte umfasst, nämlich einen Antrag auf vorgerichtliche Prüfung und dann eine vorherige Beschwerde.

      Die Rechtmäßigkeit der den Kläger beschwerenden endgültigen Maßnahme ist anhand der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie sich dem Organ beim ausdrücklichen oder impliziten Erlass dieser Maßnahme darstellte, unbeschadet der für das Organ bestehenden Möglichkeit, unter den in der Rechtsprechung vorgesehenen Bedingungen zusätzliche Erläuterungen zu geben. Der Grundsatz der Übereinstimmung zwischen Beschwerde und nachfolgender Klage verlangt, dass ein vor dem Unionsrichter geltend gemachter Klagegrund bereits im Rahmen des Vorverfahrens vorgetragen worden ist, so dass die Anstellungsbehörde von den Rügen des Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen konnte; andernfalls ist der Klagegrund unzulässig

      In Beamtensachen dürfen die beim Unionsrichter eingereichten Anträge nur Rügen enthalten, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde geltend gemachten Rügen, wobei diese Rügen jedoch vor dem Unionsrichter durch Klagegründe und Argumente weiterentwickelt werden können, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen.

      Da das vorgerichtliche Verfahren informeller Natur ist und die Betroffenen im Allgemeinen in diesem Verfahrensstadium nicht von einem Rechtsanwalt unterstützt werden, darf die Verwaltung jedoch zum einen die Beschwerden nicht eng auslegen, sondern muss sie im Gegenteil in einem Geist der Aufgeschlossenheit prüfen. Zum anderen sollen Art. 91 des Statuts und die entsprechenden Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen sowie Art. 8.1 der Dienstvorschriften den möglichen Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen, solange nur die Klageanträge weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändern.

      Es ist zwar – um eine gütliche Beilegung von Streitigkeiten zu ermöglichen, indem die Anstellungsbehörde schon im Stadium der Beschwerde über die Beanstandungen des Betroffenen informiert wird – notwendig, dass sich der Gegenstand und die Grundlage des Rechtsstreits zwischen der Beschwerde und der Klage nicht ändern; die Auslegung dieser Begriffe darf jedoch nicht dazu führen, dass die Möglichkeiten des Betroffenen, die ihn beschwerende Entscheidung wirksam anzufechten, eingeschränkt werden.

      Daher dürfen der Begriff Gegenstand des Rechtsstreits, der dem geltend gemachten Anspruch des Betroffenen entspricht, und der Begriff Grundlage des Rechtsstreits, der der rechtlichen und tatsächlichen Begründung dieses Anspruchs entspricht, nicht eng ausgelegt werden. Die bloße Auswechslung der Rechtsgrundlage einer Rüge genügt nicht, um ihre Grundlage als neu zu charakterisieren. Mehrere Rechtsgrundlagen können ein und dasselbe Begehren und damit ein und denselben Grund stützen. Mit anderen Worten bedeutet der Umstand, dass in der Klageschrift ein Verstoß gegen eine bestimmte Vorschrift geltend gemacht wird, der in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde, nicht unbedingt, dass der Grund des Rechtsstreits dadurch geändert worden wäre. Es ist nämlich auf den Wesensgehalt und nicht bloß auf den Wortlaut der Rechtsgrundlagen abzustellen. Die Unionsgerichte müssen prüfen, ob ein enger Zusammenhang zwischen diesen Rechtsgrundlagen besteht und ob sie sich im Wesentlichen auf dieselben geltend gemachten Ansprüche beziehen.

      (vgl. Rn. 32-40)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 41-46)

    3.  Nur der Richter ist nach Art. 277 AEUV berechtigt, die Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung festzustellen und die Konsequenzen der sich daraus ergebenden Unanwendbarkeit hinsichtlich des vor ihm angefochtenen individuellen Rechtsakts zu ziehen, da dem Organ, an das die Beschwerde gerichtet ist, nach den Verträgen keine solche Befugnis zuerkannt wird.

      Das Organ kann einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung, dessen Urheber es ist, zurücknehmen oder aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass dieser Rechtsakt rechtswidrig ist, eine solche Rücknahme oder eine solche Aufhebung kommt aber nicht der Feststellung der Rechtswidrigkeit oder den sich daraus ergebenden Wirkungen gleich, die allein der Richter gemäß Art. 277 AEUV bewirken kann. Unter solchen Voraussetzungen steht das formale Erfordernis, im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens das Organ über eine Einrede der Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung zur Vermeidung einer späteren Unzulässigkeit dieser Einrede vor dem Unionsrichter zu informieren, im Widerspruch zur Systematik und zur Ratio der Einrede der Rechtswidrigkeit.

      Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zielt nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Gerichten der Union zu ändern.

      Im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem Bediensteten und einem Organ kann eine Einrede der Rechtswidrigkeit nur erhoben werden, wenn mehrere Zulässigkeitsvoraussetzungen beachtet werden: Da es sich um einen inzidenten Rechtsbehelf handelt, ist Voraussetzung, dass eine Klage in der Hauptsache eingereicht wurde, dass sie gegen eine den Beamten beschwerende Entscheidung gerichtet ist, dass diese Klage zulässig ist, dass der Bedienstete keine Möglichkeit hatte, die Nichtigerklärung des Rechtsakts mit allgemeiner Geltung, der als Rechtsgrundlage der ihn beschwerenden Entscheidung diente, zu beantragen, und dass ein ausreichender Zusammenhang zwischen dem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung und der angefochtenen individuellen Entscheidung besteht. Jedoch führen die Systematik der rechtlichen Regelung der Einrede der Rechtswidrigkeit und insbesondere die Erwägungen im Zusammenhang damit, dass nur ein Gericht die Nichtanwendbarkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung feststellen kann, zu der Schlussfolgerung, dass ihre vorherige Erhebung im Beschwerdeverfahren keine zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung darstellen kann.

      Der inzidente Charakter der Rechtswidrigkeitseinrede führt nicht dazu, dass eine solche Einrede im Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden könnte. Dass ein Bediensteter berechtigt ist, eine solche Einrede im Beschwerdeverfahren zu erheben, führt jedoch nicht zu einer dahingehenden Pflicht, deren Verletzung die spätere Unzulässigkeit eines solchen Klagegrundes vor dem Unionsrichter zur Folge hätte.

      (vgl. Rn. 49, 55, 56, 66-68, 70)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 72)

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