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Document 62014TJ0138

    Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 16. Dezember 2015.
    Randa Chart gegen Europäischer Auswärtiger Dienst.
    Außervertragliche Haftung – Örtliche Bedienstete bei der Delegation der Union in Ägypten – Vertragsende – Versäumnis der Delegation, dem ägyptischen Sozialversicherungsträger eine Bescheinigung über das Ende der Tätigkeit der Bediensteten zu erteilen und deren rechtliche Stellung insoweit nachträglich zu bereinigen – Verjährung – Sukzessiver Schaden – Teilweise Unzulässigkeit – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Angemessene Frist – Art. 41 der Charta der Grundrechte – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Sicherer Schaden – Kausalzusammenhang.
    Rechtssache T-138/14.

    Court reports – general

    Rechtssache T‑138/14

    Randa Chart

    gegen

    Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD)

    „Außervertragliche Haftung — Örtliche Bedienstete bei der Delegation der Union in Ägypten — Vertragsende — Versäumnis der Delegation, dem ägyptischen Sozialversicherungsträger eine Bescheinigung über das Ende der Tätigkeit der Bediensteten zu erteilen und deren rechtliche Stellung insoweit nachträglich zu bereinigen — Verjährung — Sukzessiver Schaden — Teilweise Unzulässigkeit — Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung — Angemessene Frist — Art. 41 der Charta der Grundrechte — Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht — Sicherer Schaden — Kausalzusammenhang“

    Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 16. Dezember 2015

    1. Außervertragliche Haftung — Voraussetzungen — Rechtswidrigkeit — Schaden — Kausalzusammenhang — Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen — Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang

      (Art. 340 Abs. 2 AEUV)

    2. Außervertragliche Haftung — Voraussetzungen — Rechtswidrigkeit — Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht — Missachtung des Rechts eines Drittlandes — Nichteinbeziehung — Ausnahme — Missachtung, die zugleich einen Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt

      (Art. 340 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41)

    3. Außervertragliche Haftung — Schaden — Ersatzfähigkeit — Schaden sukzessiver Art — Einbeziehung — Voraussetzungen

      (Art. 340 Abs. 2 AEUV)

    4. Außervertragliche Haftung — Voraussetzungen — Kausalzusammenhang — Auf dem Nichttätigwerden eines Organs beruhender Schaden — Materieller Schaden, der einem ehemaligen örtlichen Bediensteten durch das Versäumnis einer Delegation der Union entstanden ist, die bei der Beendigung des Dienstes des Betroffenen zu beachtenden Verwaltungsformalitäten zu regeln — Nicht im Verhalten der Unionsdelegation liegende ausschlaggebende Ursache des Schadens — Fehlen eines Kausalzusammenhangs

      (Art. 340 Abs. 2 AEUV)

    5. Schadensersatzklage — Verjährungsfrist — Beginn — Sukzessiv eintretender Schaden — Maßgeblicher Zeitpunkt

      (Art. 340 Abs. 2 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 46)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 49, 50)

    2.  Im Bereich der außervertraglichen Haftung der Union verlangt die Voraussetzung hinsichtlich des dem betreffenden Organ oder der betreffenden Einrichtung der Union vorgeworfenen Verhaltens den Nachweis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

      Insoweit kann eine Verletzung einer nationalen Regelung eines Drittlandes nicht schon als solche einen Verstoß gegen das Unionsrecht darstellen, der geeignet wäre, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen. Stellt hingegen eine solche Verletzung zugleich einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, insbesondere einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der Union dar, kann die außervertragliche Haftung der Union eintreten. Was die Missachtung des Rechts eines Drittlandes durch eine Delegation der Union im Hinblick auf die Erteilung einer Bescheinigung über das Ende der Tätigkeit für ihr Personal betrifft, ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung im Sinne von Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere gegen den Grundsatz der Sachbehandlung binnen angemessener Frist vorliegt. Soweit der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung Ausdruck eines besonderen Rechts ist, nämlich des Rechts auf unparteiische und gerechte Behandlung der Angelegenheiten innerhalb angemessener Frist im Sinne dieses Art. 41, ist er als Rechtsvorschrift der Union anzusehen, die bezweckt, Einzelnen Rechte zu verleihen. Des Weiteren verfügen die Organe, Institutionen und Einrichtungen der Union in einem konkreten Fall bei der Beachtung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht über einen Ermessensspielraum. Die Feststellung einer bloßen Verletzung dieses Grundsatzes durch eine Delegation der Union würde daher für die Bejahung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes ausreichen.

      (vgl. Rn. 51, 108, 109, 113-115)

    3.  Die außervertragliche Haftung der Union kann nur eintreten, wenn dem Kläger ein tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden ist. Die Voraussetzung eines sicheren Schadens ist erfüllt, wenn der Schadenseintritt unmittelbar bevorsteht und mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar ist, auch wenn der Schaden noch nicht genau beziffert werden kann.

      Bei Schäden sukzessiver Art sind im Laufe aufeinanderfolgender Zeiträume erneut eingetretene und proportional zur verstrichenen Zeit zunehmende Schäden als ersatzfähig anzusehen. Diese Definition kann nicht den materiellen Schaden erfassen, der in Verwaltungs- und Anwaltskosten besteht, die einem ehemaligen örtlichen Bediensteten für die Erneuerung seiner Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnisse in einem Mitgliedstaat aufgrund des Versäumnisses einer Delegation der Union entstanden sind, seine Situation nach seinem Ausscheiden in einem Drittland zu bereinigen, wobei dieses Versäumnis den Betroffenen daran gehindert haben soll, in dieses Land zurückzukehren. Diese Kosten sind zwar im Verlauf mehrerer Jahre wiederholt angefallen, sie sind jedoch als sofort eingetretene Schäden einzustufen, da sie sich zu dem Zeitpunkt tatsächlich realisiert haben, zu dem die nationalen Verfahren jeweils eingeleitet wurden, und ihr Umfang nicht proportional zur verstrichenen Zeit zugenommen hat.

      Ebenso wenig lässt sich der Schaden, der in den Reisekosten besteht, die dem Betroffenen für seine Reisen in das Land entstanden sein sollen, in dem die Delegation der Union ihren Sitz hat, als sukzessiv eingetreten ansehen. Diese Kosten fallen nämlich ihrem Wesen nach tatsächlich zum Zeitpunkt jeder der betreffenden Reisen an und erhöhen sich nicht im Verhältnis zur verstrichenen Zeit.

      (vgl. Rn. 52, 81, 82, 86)

    4.  Im Bereich der außervertraglichen Haftung der Union verlangt die Voraussetzung des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden, dass sich dieser mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem gerügten Verhalten ergeben muss, da keine Verpflichtung der Union zum Schadensersatz für jede noch so entfernte nachteilige Folge von rechtswidrigen Verhaltensweisen ihrer Organe besteht.

      Insoweit ist darauf zu verweisen, dass in den Fällen, in denen das Verhalten, das dem geltend gemachten Schaden zugrunde liegen soll, in einem Unterlassen besteht, eine besondere Gewissheit gegeben sein muss, dass dieser Schaden tatsächlich durch die gerügten Unterlassungen verursacht wurde und nicht durch andere als die dem beklagten Organ vorgeworfenen Verhaltensweisen herbeigeführt worden sein kann. Bei einer Klage eines ehemaligen örtlichen Bediensteten wegen des materiellen Schadens, der ihm aufgrund eines vorgetragenen Versäumnisses einer Delegation der Union entstanden sein soll, seine Situation nach seinem Ausscheiden bei den lokalen Behörden zu bereinigen, ist festzustellen, dass sich – auch wenn dieses Versäumnis bewirkte, dass der Betroffene nicht wieder in den Staat, in dem die Delegation der Union ihren Sitz hat, arbeiten und wohnen konnte – die Entscheidung, des Betroffenen, im dem Mitgliedstaat seines Wohnsitzes eine Wohnung zu kaufen und dazu ein Hypothekendarlehen aufzunehmen, maßgeblich aus seiner persönlichen Wahl ergibt und nicht aus diesem Verhalten. Zwischen diesem Verhalten einerseits und den Kauf- und Darlehensentscheidungen andererseits besteht allenfalls ein mittelbarer Kausalzusammenhang.

      (vgl. Rn. 53, 132, 133)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 55-58)

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