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Document 62013TJ0623
Unión de Almacenistas de Hierros de España / Kommission
Unión de Almacenistas de Hierros de España / Kommission
Rechtssache T‑623/13
Unión de Almacenistas de Hierros de España
gegen
Europäische Kommission
„Zugang zu Dokumenten — Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — Dokumente betreffend zwei nationale Wettbewerbsverfahren — Dokumente, die eine nationale Wettbewerbsbehörde der Kommission im Rahmen der nach dem Unionsrecht vorgesehenen Zusammenarbeit vorgelegt hat — Verweigerung des Zugangs — Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten — Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten — Keine Pflicht des betroffenen Organs zur Vornahme einer konkreten und individuellen Prüfung des Inhalts der im Zugangsantrag angeführten Dokumente, wenn die betreffende Untersuchung endgültig abgeschlossen ist — Keine Notwendigkeit einer prozessleitenden Maßnahme zur Aufforderung zur Vorlage der streitigen Dokumente — Nichtberücksichtigung der besonderen Situation des Antragstellers“
Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 12. Mai 2015
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Reichweite – Anwendung auf Dokumente, die der Kommission von einer nationalen Wettbewerbsbehörde im Rahmen einer Untersuchung in Bezug auf die Anwendung von Art. 101 AEUV übermittelt wurden
(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 bis 3; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 11 Abs. 4)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz der geschäftlichen Interessen einer bestimmten Person – Reichweite – Anwendung auf Dokumente, die aus einem Verfahren stammen, das eine nationale Wettbewerbsbehörde geführt hat, die gemäß Art. 101 AEUV tätig wurde
(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Schutz der geschäftlichen Interessen – Verweigerung des Zugangs – Begründungspflicht – Reichweite
(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Schutz der geschäftlichen Interessen – Reichweite – Anwendung auf Dokumente, die der Kommission von einer nationalen Wettbewerbsbehörde im Rahmen einer Untersuchung in Bezug auf die Anwendung von Art. 101 AEUV übermittelt wurden – Allgemeine Vermutung der Beeinträchtigung des Schutzes der in einer solchen Untersuchung involvierten Interessen durch die Verbreitung der Dokumente
(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, 32. Erwägungsgrund und Art. 11 Abs. 4)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Verweigerung des Zugangs – Verpflichtung des Organs zu einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente – Möglichkeit, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten – Grenzen
(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Zwingende Ausnahmen – Berücksichtigung eines besonderen Interesses des Antragstellers – Nichteinbeziehung
(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 4 und 11, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1)
Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Verweigerung des Zugangs – Zuständigkeit des Unionsgerichts, die Vorlage der Dokumente für die Prüfung der Begründetheit der Verweigerung zu verlangen – Geltungsbereich
(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)
Der Umstand, dass eine Untersuchung in Bezug auf die Anwendung von Art. 101 AEUV von einer Behörde eines Mitgliedstaats und nicht von einem Unionsorgan durchgeführt wurde, wirkt sich nicht auf die Frage aus, ob die der Kommission von dieser Behörde auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 übermittelten Dokumente in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission fallen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht nämlich nicht hervor, dass es sich bei den betreffenden Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten ausschließlich um solche der Unionsorgane handelt, im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 3 der Verordnung, der dem Schutz des Entscheidungsprozesses des Organs dient. Da der Schutz der legitimen Interessen der Mitgliedstaaten aber aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung geregelten materiellen Ausnahmen sichergestellt werden kann, ist bei diesen Ausnahmen daher davon auszugehen, dass sie nicht nur dem Schutz der Tätigkeiten der Union dienen, sondern auch dem Schutz der spezifischen Interessen eines Mitgliedstaats, z. B. dem Schutz der Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Behörden dieses Mitgliedstaats.
(vgl. Rn. 44)
In Bezug auf ein von einer nationalen Behörde eröffnetes Wettbewerbsverfahren im Sinne von Art. 101 AEUV erhält diese Behörde – wenn sie prüft, ob ein oder mehrere Unternehmen im Rahmen kollusiver Verhaltensweisen Verpflichtungen eingegangen sind, die geeignet sind, den Wettbewerb in erheblicher Weise zu beeinträchtigen – sensible Geschäftsinformationen zu den geschäftlichen Strategien der beteiligten Unternehmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, der Höhe ihres Umsatzes, ihren Marktanteilen und ihren Geschäftsbeziehungen, so dass der Zugang zu den Dokumenten eines solchen Verfahrens den Schutz der geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen beeinträchtigen kann.
(vgl. Rn. 45, 46)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 48)
Es besteht eine allgemeine Vermutung dafür, dass die Verbreitung von Dokumenten, die gemäß Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 übermittelt wurden, grundsätzlich sowohl den Schutz der geschäftlichen Interessen der Unternehmen beeinträchtigt, auf die sich die betreffenden Informationen beziehen, als auch den damit eng zusammenhängenden Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten der betreffenden nationalen Wettbewerbsbehörde im Sinne von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission.
Die Verordnung Nr. 1/2003 verfolgt nämlich insbesondere das Ziel, die Vertraulichkeit der Informationen und die Wahrung des Berufsgeheimnisses in den Verfahren nach Art. 101 AEUV zu gewährleisten, und dies vor allem im Rahmen des Informationsverfahrens, das innerhalb des Netzes von Behörden eingeführt wurde, die die Beachtung der EU-Wettbewerbsregeln sicherstellen. Dieses Ziel ist insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass Gegenstand dieser Verfahren möglicherweise sensible geschäftliche Informationen sind, wie im 32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 ausgeführt wird. Diese Verordnung verfolgt daher im Bereich des Zugangs zu Dokumenten ein anderes Ziel als die Verordnung Nr. 1049/2001, die die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten so weit wie möglich erleichtern und eine gute Verwaltungspraxis durch die Gewährleistung der größtmöglichen Transparenz des Entscheidungsprozesses öffentlicher Stellen und der Informationen, auf denen deren Entscheidungen beruhen, fördern soll.
Außerdem gilt diese Vermutung auch nach dem endgültigen Abschluss der von der nationalen Wettbewerbsbehörde durchgeführten Verfahren weiter. Erstens impliziert nämlich das effektive Funktionieren des Informationsaustauschs im Rahmen des Netzes von Behörden, die die Beachtung der EU-Wettbewerbsregeln sicherstellen, dass die so ausgetauschten Informationen vertraulich bleiben. Zweitens kann die Beschränkung des Zeitraums, während dessen eine allgemeine Vermutung gilt, in diesem speziellen Zusammenhang nicht mit einer Berücksichtigung des Rechts auf Wiedergutmachung gerechtfertigt werden, das den durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV geschädigten Personen zukommt. Was jedoch die streitigen Dokumente betrifft, nämlich die von der nationalen Wettbewerbsbehörde in Aussicht genommene Entscheidung und die zusammenfassende Darstellung des Falles, deren Übermittlung in Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen ist, finden sich die zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs notwendigen Beweise nicht in diesen, sondern gegebenenfalls in der Untersuchungsakte der Behörde, auch wenn in diesen Dokumenten auf solche Beweise Bezug genommen wird.
(vgl. Rn. 60-62, 64, 77-79, 82)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 100)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 86-90)
Die gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung, mit der nach der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission der Zugang zu Dokumenten verweigert wurde, muss sich mit ihrer Begründung befassen. Wenn diese Begründung in der Abwägung der Folgen besteht, die die Verbreitung des Dokuments für bestimmte Güter, Werte oder Interessen haben könnte, ist ihre Überprüfung daher nur möglich, wenn das Unionsgericht sich sein eigenes Urteil über den tatsächlichen Inhalt des Dokuments bilden kann. In diesem Fall hat das Gericht in dieses Dokument hinter verschlossenen Türen Einsicht zu nehmen.
Demgegenüber ist es nicht Sache des Unionsgerichts, jedes der beantragten Dokumente selbst konkret zu prüfen, um festzustellen, ob der Zugang zu diesen Dokumenten die geltend gemachten Interessen beeinträchtigen würde, wenn das betreffende Organ aufgrund einer allgemeinen Vermutung einen allgemeinen Antrag bescheiden konnte, ohne jedes Dokument, zu dem der Zugang beantragt wurde, konkret und individuell zu prüfen und der Kläger weder nachgewiesen hat, dass eines dieser Dokumente nicht unter den Geltungsbereich dieser allgemeinen Vermutung fällt, noch, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung dieses Dokuments nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 besteht.
(vgl. Rn. 105-108)