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Document 62013CJ0659

Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 4. Februar 2016.
C & J Clark International Ltd gegen The Commissioners for Her Majesty's Revenue & Customs und Puma SE gegen Hauptzollamt Nürnberg.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Dumping – Einfuhren von Schuhen mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in China und Vietnam – Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 – WTO-Antidumpingübereinkommen – Verordnung (EG) Nr. 384/96 – Art. 2 Abs. 7 – Feststellung des Dumpings – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft – Anträge auf Zuerkennung des Status als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätige Unternehmen – Frist – Art. 9 Abs. 5 und 6 – Anträge auf individuelle Behandlung – Art. 17 – Stichprobe – Art. 3 Abs. 1, 5 und 6, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 4 – Kooperation des Wirtschaftszweigs der Union – Art. 3 Abs. 2 und 7 – Feststellung der Schädigung – Andere bekannte Faktoren – Zollkodex der Gemeinschaften – Art. 236 Abs. 1 und 2 – Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Zölle – Frist – Unvorhersehbares Ereignis oder höhere Gewalt – Ungültigkeit einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt wurden.
Verbundene Rechtssachen C-659/13 und C-34/14.

Court reports – general

Verbundene Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14

C & J Clark International Ltd

gegen

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

und

Puma SE

gegen

Hauptzollamt Nürnberg

(Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht vom First-tier Tribunal [Tax Chamber] und vom Finanzgericht München)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Zulässigkeit — Dumping — Einfuhren von Schuhen mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in China und Vietnam — Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 — WTO-Antidumpingübereinkommen — Verordnung (EG) Nr. 384/96 — Art. 2 Abs. 7 — Feststellung des Dumpings — Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft — Anträge auf Zuerkennung des Status als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätige Unternehmen — Frist — Art. 9 Abs. 5 und 6 — Anträge auf individuelle Behandlung — Art. 17 — Stichprobe — Art. 3 Abs. 1, 5 und 6, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 4 — Kooperation des Wirtschaftszweigs der Union — Art. 3 Abs. 2 und 7 — Feststellung der Schädigung — Andere bekannte Faktoren — Zollkodex der Gemeinschaften — Art. 236 Abs. 1 und 2 — Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Zölle — Frist — Unvorhersehbares Ereignis oder höhere Gewalt — Ungültigkeit einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt wurden“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 4. Februar 2016

  1. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen — Gültigkeitsprüfung — Frage zur Gültigkeit einer Verordnung, die nicht nach Art. 263 AEUV angefochten wurde — Von einer Gesellschaft, die offenkundig nicht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage befugt war, im Ausgangsverfahren erhobene Klage — Zulässigkeit

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV und 267 Buchst. b AEUV)

  2. Nichtigkeitsklage — Natürliche oder juristische Personen — Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen — Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen — Erzeuger und Exporteure aus Drittländern — Importeure und Wirtschaftsteilnehmer der Union, die in besonderen Beziehungen zu den Erzeugern stehen

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

  3. Eigenmittel der Europäischen Union — Erstattung oder Erlass von Einfuhrabgaben — Importeur des Erzeugnisses, auf das Antidumpingzölle erhoben werden, der nicht innerhalb der vorgesehenen Frist einen Erstattungsantrag nach Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 gestellt hat — Unterlassung, die der Einreichung eines auf Art. 236 des Zollkodex gestützten Erstattungsantrags nicht entgegensteht

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 11 Abs. 8, und Verordnung Nr. 2913/92 des Rates, Art. 236)

  4. Einrede der Rechtswidrigkeit — Geltendmachung der Rechtswidrigkeit einer Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls vor dem nationalen Gericht durch einen Importeur im Rahmen einer Klage gegen eine aufgrund der Verordnung erlassene nationale Maßnahme — Interesse des Importeurs an der Geltendmachung eines Verstoßes der Kommission gegen ihre Pflicht zur Prüfung der Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung oder individuelle Behandlung

    (Art. 263 AEUV und 277 AEUV)

  5. Völkerrechtliche Verträge — Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation — GATT 1994 — Unmöglichkeit, sich auf die WTO-Übereinkommen zu berufen, um die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts in Frage zu stellen — Ausnahmen — Unionsrechtsakt, mit dem ihre Umsetzung sichergestellt werden soll oder der ausdrücklich und speziell auf sie verweist

    (Art. 216 Abs. 2 AEUV; Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994; Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 [WTO-Antidumpingübereinkommen])

  6. Völkerrechtliche Verträge — Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation — GATT 1994 — Unmöglichkeit, sich auf die WTO-Übereinkommen zu berufen, um die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts in Frage zu stellen — Ausnahmen — Unionsrechtsakt, mit dem ihre Umsetzung sichergestellt werden soll — Tragweite

    (Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 [WTO-Antidumpingübereinkommen]; Verordnung Nr. 384/96 des Rates, fünfter Erwägungsgrund, Art. 2 Abs. 7 und 9 Abs. 5)

  7. Völkerrechtliche Verträge — Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation — Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums der WTO, mit der die Unvereinbarkeit mit den materiellen Regeln des WTO-Übereinkommens festgestellt wird — Unmöglichkeit, sich auf diese Übereinkommen oder diese Entscheidung zu berufen, um die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts in Frage zu stellen

  8. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Dumpingspanne — Bestimmung des Normalwerts — Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft — Zuerkennung des Status als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätiges Unternehmen — Voraussetzungen — Den Herstellern obliegende Beweislast — Bewertung der Beweise durch die Organe

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 1 bis 6 und 7 Buchst. a, b und c)

  9. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Dumpingspanne — Bestimmung des Normalwerts — Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft — Zuerkennung des Status als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätiges Unternehmen — Pflicht der Kommission, den Antrag jedes Erzeugers auf Zuerkennung dieses Status zu bescheiden — Keine Prüfung der Anträge von nicht in die Stichprobe einbezogenen Erzeugern — Unzulässigkeit — Ungültigkeit der Verordnung Nr. 1472/2006 in dieser Hinsicht

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 17, sowie Verordnung Nr. 1472/2006)

  10. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Festsetzung der Antidumpingzölle — Individuelle Behandlung der Exportunternehmen eines Landes ohne Marktwirtschaft — Pflicht der Unionsorgane, Anträge auf individuelle Behandlung zu prüfen und zu bescheiden

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 9 Abs. 5)

  11. Recht der Europäischen Union — Auslegung — Vorschriften in mehreren Sprachen — Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen — Berücksichtigung des wirklichen Willens ihres Urhebers und des von ihm verfolgten Zwecks

  12. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Festsetzung der Antidumpingzölle — Individuelle Behandlung der Exportunternehmen eines Landes ohne Marktwirtschaft — Pflicht der Kommission, die Anträge auf individuelle Behandlung zu prüfen und über sie zu entscheiden — keine Prüfung der Anträge von nicht in die Stichprobe einbezogenen Wirtschaftsteilnehmern — Unzulässigkeit — Ungültigkeit der Verordnung Nr. 1472/2006 in dieser Hinsicht

    (Art. 267 AEUV; Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung sowie Verordnungen des Rates Nrn. 1472/2006 und 1294/2009)

  13. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 — Verfahren zur Beurteilung der Bedingungen, unter denen einem Hersteller der Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens zuerkannt werden kann — Überschreitung der Frist durch die Unionsorgane — Keine Auswirkung auf die Gültigkeit der endgültigen Verordnung

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. c, und Verordnung Nr. 1472/2006 des Rates)

  14. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Untersuchung — Pflicht der Kommission, das Verfahren abzuschließen, wenn die Unterstützung für den Antrag unter die Mindestschwellen gesunken ist — Fehlen

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 5 Abs. 4)

  15. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Ermessen der Organe — Einhaltung der Verfahrensgarantien — Gerichtliche Kontrolle — Grenzen

    (Art. 263 AEUV und 267 AEUV; Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung und Verordnung Nr. 1472/2006 des Rates)

  16. Gemeinsame Handelspolitik — Schutz gegen Dumpingpraktiken — Schädigung — Feststellung des Kausalzusammenhangs — Verpflichtungen der Organe — Berücksichtigung von Faktoren, die nicht mit dem Dumping zusammenhängen — Auswirkung derartiger Faktoren auf die Feststellung des Kausalzusammenhangs — Beweislast

    (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung, Art. 3 Abs. 7)

  17. Nichtigkeitsklage — Nichtigkeitsurteil — Umfang — Nichtigerklärung einer Antidumpingverordnung, soweit ein Antidumpingzoll auf die Erzeugnisse bestimmter Gesellschaften erhoben wird — Auswirkung der Nichtigerklärung auf die Gültigkeit eines auf die Erzeugnisse anderer Unternehmen anwendbaren Antidumpingzolls — Fehlen — Vermutung der Gültigkeit von Rechtsakten der Unionsorgane

    (Art. 263 AEUV; Verordnung des Rates Nr. 2913/92, Art. 236 Abs. 1, und Nr. 1472/2006)

  18. Eigenmittel der Europäischen Union — Erstattung oder Erlass von Einfuhrabgaben — Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 2913/92 des Rates, Art. 236 Abs. 2)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 56)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 58-62, 64)

  3.  Im Bereich des Schutzes gegen Dumpingpraktiken liefern weder der Wortlaut von Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 noch der von Art. 236 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme, dass Einführer, die sich nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist auf das in Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 vorgesehene Verfahren berufen haben, nicht oder nicht mehr berechtigt wären, das Verfahren nach Art. 236 des Zollkodex in Anspruch zu nehmen.

    Zudem verfolgt das Verfahren nach Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 nicht denselben Zweck wie das in Art. 236 des Zollkodex vorgesehene Verfahren. Das Verfahren nach Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 soll es nämlich Einführern erlauben, die Erstattung der von ihnen entrichteten Antidumpingzölle über die zuständigen nationalen Behörden von der Kommission zu verlangen, wenn nachgewiesen wird, dass die Dumpingspanne, auf deren Grundlage die Zölle entrichtet wurden, beseitigt oder so weit verringert worden ist, dass sie niedriger als der geltende Zoll ist. Im Rahmen dieses Verfahrens fechten die Einführer nicht die Rechtmäßigkeit der erhobenen Antidumpingzölle an, sondern machen eine Änderung des Sachverhalts geltend, die einen unmittelbaren Einfluss auf die ursprünglich ermittelte Dumpingspanne hat. Dagegen können die Einführer nach dem in Art. 236 des Zollkodex vorgesehenen Verfahren die Erstattung der von ihnen entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrzölle verlangen, wenn nachgewiesen ist, dass diese Zölle zum Zeitpunkt ihrer Zahlung nicht gesetzlich geschuldet waren.

    Schließlich unterscheidet sich die Systematik dieser beiden Verfahren grundlegend. Insbesondere fällt das Verfahren nach Art. 11 Abs. 8 der Verordnung Nr. 384/96 in die Zuständigkeit der Kommission und kann nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt durchgeführt werden, zu dem der endgültige Betrag der zu erhebenden Zölle von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgesetzt wurde, während das Verfahren nach Art. 236 des Zollkodex in die Zuständigkeit der nationalen Zollbehörden fällt und innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Zölle dem Schuldner mitgeteilt wurden, eingeleitet werden kann.

    (vgl. Rn. 68-70)

  4.  Im Rahmen von Klagen vor einem nationalen Gericht gegen eine nationale Maßnahme, die auf der Grundlage einer Verordnung erlassen wurde, mit der ein Antidumpingzoll eingeführt wurde, haben Einführer, die einen Antidumpingzoll entrichtet haben, ein offenkundiges eigenes Interesse und eine offenkundige eigene Befugnis, geltend zu machen, dass die Verordnungen, mit denen dieser Zoll eingeführt wurde, ungültig seien, weil der Zoll verhängt worden sei, ohne dass sich die Kommission vorher nach den in der Verordnung Nr. 384/96 vorgesehenen Regeln zu den von den Herstellern oder Ausführern der betroffenen Waren gestellten Anträgen auf Marktwirtschaftsbehandlung oder individuelle Behandlung geäußert habe. Die fehlende Berücksichtigung dieser Anträge kann sich nämlich negativ auf den Antidumpingzoll auswirken, der am Ende des Verfahrens auf die Waren der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer erhoben werden wird.

    (vgl. Rn. 72, 73)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 82-87)

  6.  Im Bereich des Schutzes gegen Dumpingpraktiken sieht der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern in der durch die Verordnung Nr. 461/2004 geänderten Fassung zwar vor, dass die Regeln des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Antidumpingübereinkommen) soweit wie möglich in das Unionsrecht übertragen werden sollen, doch ist dieser Ausdruck dahin aufzufassen, dass der Unionsgesetzgeber, selbst wenn er beim Erlass der Verordnung Nr. 384/96 die Regeln des Antidumpingübereinkommens berücksichtigen wollte, nicht den Willen zum Ausdruck gebracht hat, jede dieser Regeln in diese Verordnung umzusetzen.

    Insbesondere ist Art. 2 Abs. 7 der Verordnung Nr. 384/96 Ausdruck des Willens des Unionsgesetzgebers, eine spezifische unionsrechtliche Maßnahme zu erlassen, indem er bei Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft für die Ermittlung des Normalwerts eine besondere Regelung mit detaillierten Vorschriften vorsieht. Die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 384/96 verweisen auf Art. 2 Abs. 7 dieser Verordnung und sind integraler Bestandteil der durch die Verordnung eingeführten Regelung.

    (vgl. Rn. 90, 91)

  7.  In Anbetracht der Natur und des Aufbaus des durch das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) errichteten Systems der Streitbeilegung und der wichtigen Stellung, die dieses System den Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien einräumt, kann der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit oder Gültigkeit von Handlungen der Union jedenfalls nicht am Maßstab der WTO-Regeln überprüfen, solange die angemessene Frist, die der Union gesetzt ist, um den Entscheidungen und Empfehlungen des Streitbeilegungsgremiums (DSB) der WTO, mit denen die Nichtbeachtung dieser Regeln festgestellt wird, nachzukommen, nicht abgelaufen ist, da diese Frist sonst ihre Wirksamkeit verlöre.

    Überdies impliziert der Ablauf dieser Frist für sich genommen nicht, dass die Union die Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, die dieses System der Streitbeilegung zur Lösung der zwischen ihr und anderen Parteien bestehenden Streitigkeit vorsieht. Unter diesen Umständen könnte es daher zu einer Schwächung der Position der Union bei der Suche nach einer beiderseits akzeptablen, mit den WTO-Regeln im Einklang stehenden Lösung der Streitigkeit führen, wenn der Unionsrichter nur deshalb als zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit oder Gültigkeit der betreffenden Maßnahmen der Union im Hinblick auf die WTO-Regeln und die Entscheidungen und Empfehlungen des DSB, mit denen ihre Unvereinbarkeit festgestellt wird, verpflichtet angesehen würde, weil diese Frist abgelaufen ist.

    Somit kann sich ein Einzelner auch nach Ablauf der gesetzten Frist nicht auf derartige Entscheidungen und Empfehlungen des DSB berufen, um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Gültigkeit der Handlung der Unionsorgane zu erreichen, zumindest nicht, wenn die Union nicht auf diese Entscheidungen und Empfehlungen hin eine besondere Verpflichtung übernehmen wollte.

    (vgl. Rn. 94-96)

  8.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 105-109)

  9.  Im Bereich des Schutzes gegen Dumpingpraktiken sind der Rat und die Kommission verpflichtet, über den Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung eines Herstellers, der in einem Land ohne Marktwirtschaft niedergelassen ist, das zum Zeitpunkt der Einleitung einer Antidumpinguntersuchung Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) ist, zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn sie die in Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96 vorgesehene Stichprobenbildung anwenden.

    Hinsichtlich der Verordnung Nr. 1472/2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam stellt der Umstand, dass der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung der nicht in die gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden hat, einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 dar. Daher ist die Verordnung Nr. 1472/2006 insoweit ungültig.

    (vgl. Rn. 110, 112, 174, Tenor 1)

  10.  Im Bereich des Schutzes gegen Dumpingpraktiken sind der Rat und die Kommission nach Art. 9 Abs. 5 der Verordnung Nr. 384/96 grundsätzlich verpflichtet, beim Erlass einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle verhängt werden, den Zoll für jeden einzelnen von dieser Verordnung betroffenen Lieferanten festzusetzen, es sei denn, diese individuelle Behandlung ist nicht praktikabel.

    Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 weicht jedoch in dem in Art. 2 Abs. 7 Buchst. a dieser Verordnung genannten Fall, dass der Rat oder die Kommission eine Verordnung erlässt, mit der Antidumpingzölle auf Einfuhren bestimmter Herkunft, nämlich aus Ländern ohne Marktwirtschaft, erhoben werden, von diesem Grundsatz ab. In diesem Fall hat der Unionsgesetzgeber nämlich eine andere Grundregel vorgesehen, wonach es erforderlich und ausreichend ist, dass in der vom Rat oder von der Kommission erlassenen Verordnung die Höhe des erhobenen Antidumpingzolls auf der Ebene des Lieferlandes festgesetzt wird.

    Gleichwohl sieht Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 384/96 vor, dass für Lieferanten, die in einem Land ohne Marktwirtschaft niedergelassen sind und darüber hinaus die Eigenschaft eines Ausführers aufweisen, ein individueller Antidumpingzoll festgesetzt wird, wenn sie anhand ordnungsgemäß begründeter Anträge nachweisen, dass sie die Kriterien, die diese individuelle Behandlung rechtfertigen, erfüllen. Dieser individuelle Antidumpingzoll wird auf sie somit an Stelle des auf der Ebene des Landes festgesetzten Antidumpingzolls angewandt, der ohne einen solchen Antrag auf sie anwendbar gewesen wäre.

    Insoweit sind der Rat und die Kommission grundsätzlich verpflichtet, die Anträge auf individuelle Behandlung, die auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 384/96 bei ihnen gestellt werden, zu prüfen und über sie zu entscheiden.

    (vgl. Rn. 118-120, 123)

  11.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 122)

  12.  Der Umstand, dass der Rat und die Kommission vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1472/2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam nicht über die Anträge auf individuelle Behandlung der nicht in die gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden haben, stellt einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 5 dieser Verordnung dar. Daher ist die endgültige Verordnung Nr. 1472/2006 insoweit ungültig. Aus den gleichen Gründen und im gleichen Umfang ungültig ist die Durchführungsverordnung Nr. 1294/2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam und in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus der Sonderverwaltungsregion Macau versandte Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder, ob als Ursprungserzeugnisse der Sonderverwaltungsregion Macau angemeldet oder nicht, nach einer Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 384/96.

    In dieser Hinsicht ergibt die Prüfung des Verhältnisses zwischen Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 und Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96, der die Stichprobenbildung vorsieht, dass sich der Wortlaut des Art. 9 Abs. 5 von dem des Art. 9 Abs. 6 der Verordnung Nr. 384/96, der einen ausdrücklichen Verweis enthält, wonach Art. 17 dieser Verordnung Anwendung findet, unterscheidet. Daraus folgt, dass Art. 9 Abs. 5 dahin ausgelegt werden kann, dass Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96 in seinem Rahmen, anders als im Rahmen des Art. 9 Abs. 6, keine Bedeutung zukommt. Beruft sich ein in einem Land ohne Marktwirtschaft niedergelassener ausführender Hersteller mit der Begründung, dass seine unternehmensspezifischen Ausfuhrpreise hinreichend unabhängig vom Staat festgelegt würden, auf Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 384/96, will er somit erreichen, dass der Rat und die Kommission anerkennen, dass er sich unter diesem Gesichtspunkt in einer Situation befindet, die sich grundlegend von der der anderen in diesem Land niedergelassenen ausführenden Hersteller unterscheidet. Aus diesem Grund beantragt er, in individualisierter Weise behandelt zu werden, dort wo diese anderen ausführenden Hersteller in der Praxis als Einheit behandelt werden.

    Müsste man zulassen, dass der Rat und die Kommission auf einen ausführenden Hersteller, der sich in dieser Situation befindet, einen Antidumpingzoll, der anhand des betreffenden Landes festgesetzt und anhand der gewogenen durchschnittlichen Dumpingspanne berechnet wird, die für die in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller ermittelt wurde, anwenden können, ohne vorher über den Antrag dieses ausführenden Herstellers entschieden zu haben, würde man dem Rat und der Kommission damit gestatten, diesen ausführenden Hersteller so zu behandeln wie diejenigen, die in der genannten Stichprobe berücksichtigt wurden, obwohl sich Letztere a priori in einer anderen Situation befinden.

    (vgl. Rn. 124-127, 131, 132, 135, 174, Tenor 2)

  13.  Wie die Verordnung Nr. 384/96 kann eine Verordnung zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Erzeugnisse aus Drittländern nicht mit der bloßen Begründung, der Rat und die Kommission hätten nicht innerhalb der in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 384/96 vorgesehenen Frist über die bei ihnen eingereichten Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung entschieden, für ungültig erklärt werden. Der Einführer, der sich auf diesen Verfahrensfehler beruft, muss darüber hinaus konkret nachweisen, dass nicht völlig ausgeschlossen ist, dass die nach Abschluss des Verfahrens erlassene Verordnung ohne diesen Fehler einen für ihn günstigeren Inhalt gehabt hätte.

    Da die Betroffenen diesen Nachweis nicht erbracht haben, hat die Nichteinhaltung dieser Frist nicht die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 1472/2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam zur Folge.

    Diese Auslegung gilt unabhängig davon, ob die betroffenen ausführenden Hersteller in die gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogen wurden.

    (vgl. Rn. 141-144, 174, Tenor 2)

  14.  Im Bereich des Schutzes gegen Dumpingpraktiken enthält die Verordnung Nr. 384/96 keine Bestimmung darüber, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn die Unterstützung des Antrags auf Einleitung einer Untersuchung seitens der Hersteller zurückgeht, so dass der Rat und die Kommission diese Untersuchung auch fortsetzen können müssen, wenn die Unterstützung der Untersuchung zurückgeht und obwohl ein solcher Rückgang impliziert, dass die Unterstützung einer Produktionsmenge entspricht, die unter einer der beiden in Art. 5 Abs. 4 dieser Verordnung vorgesehenen Schwellen liegt. Diese Schwellen sind zum einen die Unterstützung durch Unionshersteller, deren Produktion insgesamt mehr als 50% der Gesamtproduktion darstellt, die auf den Teil des Wirtschaftszweigs der Union entfällt, der sich zu dem Antrag äußert, und zum anderen die Unterstützung durch Unionshersteller, auf die mindestens 25% der Gesamtproduktion des Wirtschaftszweigs der Union entfallen.

    (vgl. Rn. 152, 153)

  15.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 161, 162, 165, 166)

  16.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 168-170)

  17.  Die Gerichte der Mitgliedstaaten können sich nicht auf Urteile, in denen der Unionsrichter eine Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt wurden, in Bezug auf bestimmte in dieser Verordnung genannte ausführende Hersteller für nichtig erklärt hat, stützen, um festzustellen, dass die Zölle, die auf die Waren anderer in dieser Verordnung genannter ausführender Hersteller erhoben wurden, die sich in der gleichen Situation befinden wie diejenigen, hinsichtlich deren diese Verordnung für nichtig erklärt wurde, nicht gesetzlich geschuldet im Sinne von Art. 236 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften sind. Wurde diese Verordnung nicht von dem Organ, das sie erlassen hat, zurückgenommen, vom Unionsrichter für nichtig erklärt oder vom Gerichtshof für ungültig erklärt, soweit auf die Waren dieser anderen ausführenden Hersteller Antidumpingzölle erhoben werden, bleiben diese Zölle gesetzlich geschuldet im Sinne dieser Bestimmung.

    Erklärt der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, die von einer Person eingereicht wurde, die von einer Verordnung, durch die Antidumpingzölle erhoben werden, unmittelbar und individuell betroffen ist, diese Verordnung für nichtig, soweit sie diese Person betrifft, berührt diese Nichtigerklärung nicht die übrigen Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere die Bestimmungen, mit denen Antidumpingzölle auf andere als von der betreffenden Person hergestellte, ausgeführte oder eingeführte Waren eingeführt wurden.

    Vielmehr sind diese Bestimmungen, wenn sie nicht innerhalb der Frist des Art. 263 AEUV von den Personen angefochten wurden, die befugt gewesen wären, ihre Nichtigerklärung zu beantragen, diesen gegenüber bestandskräftig. Im Übrigen gilt für diese Bestimmungen, solange sie nicht zurückgenommen oder auf ein Vorabentscheidungsersuchen oder eine Rechtswidrigkeitseinrede hin für ungültig erklärt worden sind, die Vermutung der Rechtmäßigkeit, die besagt, dass sie gegenüber jeder anderen Person ihre volle Rechtswirkung entfalten.

    (vgl. Rn. 183-185, Tenor 3)

  18.  Art. 236 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die vollständige oder teilweise Ungültigerklärung einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt wurden, durch den Richter der Europäischen Union weder ein unvorhersehbares Ereignis noch höhere Gewalt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

    (vgl. Rn. 190-194, Tenor 4)

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