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Document 62013CJ0553

    Statoil Fuel & Retail

    Rechtssache C‑553/13

    Tallinna Ettevõtlusamet

    gegen

    Statoil Fuel & Retail Eesti AS

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tallinna ringkonnakohus)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Indirekte Steuern — Verbrauchsteuern — Richtlinie 2008/118/EG — Art. 1 Abs. 2 — Verbrauchsteuerpflichtige Flüssigbrennstoffe — Steuer auf den Einzelhandelsverkauf — Begriff ‚besonderer Zweck‘ — Im Voraus festgelegte Verwendung — Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs im Gebiet einer Stadt“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 5. März 2015

    Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Verbrauchsteuern – Richtlinie 2008/118 – Verbrauchsteuerpflichtige Waren – Nationale Regelung, durch die eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Flüssigbrennstoffen eingeführt wird – Steuer, die auf die Finanzierung des Betriebs des öffentlichen Personenverkehrs gerichtet ist, einer unabhängig vom Bestehen dieser Steuer ausgeführten und finanzierten Tätigkeit – Keine besondere Zielsetzung – Unzulässigkeit

    (Richtlinie 2008/118 des Rates, Art. 1 Abs. 2)

    Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12 ist dahin auszulegen, dass eine Steuer, soweit sie auf den verbrauchsteuerpflichtigen Einzelhandelsverkauf von Flüssigbrennstoffen erhoben wird, keinen besonderen Zweck im Sinne dieser Bestimmung verfolgt, wenn sie auf die Finanzierung des Betriebs des öffentlichen Personenverkehrs im Gebiet der Gebietskörperschaft, die diese Steuer auferlegt, gerichtet ist und diese Gebietskörperschaft unabhängig vom Bestehen dieser Steuer verpflichtet ist, diese Tätigkeit auszuführen und zu finanzieren, selbst wenn die Einnahmen aus dieser Steuer ausschließlich für diese Tätigkeit verwendet wurden. Die genannte Bestimmung ist folglich dahin auszulegen, dass sie einer einzelstaatlichen Regelung, die eine solche Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von verbrauchsteuerpflichtigen Flüssigbrennstoffen einführt, entgegensteht.

    Der Umstand, dass die Einnahmen aus einer solchen Steuer im Voraus dafür bestimmt werden, dass örtliche Behörden auf sie übertragene Zuständigkeiten finanzieren, kann nämlich zwar einen Gesichtspunkt darstellen, der für die Feststellung, ob ein besonderer Zweck vorliegt, zu berücksichtigen ist. Eine derartige Zweckbestimmung, die sich aus einer bloßen internen Organisationsvorschrift für den Haushalt eines Mitgliedstaats ergibt, kann aber als solche nicht genügen, da jeder Mitgliedstaat unabhängig von der Zielsetzung vorschreiben kann, die Einnahmen aus einer Steuer zur Finanzierung bestimmter Ausgaben zu verwenden.

    Damit es die im Voraus festgelegte Verwendung der Einnahmen aus einer Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren erlaubt, von dieser Steuer einen besonderen Zweck im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 anzunehmen, muss die fragliche Steuer selbst darauf gerichtet sein, die Verwirklichung des beanspruchten besonderen Zwecks zu gewährleisten, und somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verwendung der Einnahmen aus der Steuer und dem besonderen Zweck bestehen. Ohne einen solchen Mechanismus der im Voraus vorgenommenen Festlegung der Verwendung der Einnahmen kann bei einer Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren nur dann davon ausgegangen werden, dass sie einen besonderen Zweck im Sinne der genannten Bestimmung verfolgt, wenn diese Steuer hinsichtlich ihrer Struktur, insbesondere des Steuergegenstands und des Steuersatzes, derart gestaltet ist, dass sie das Verhalten der Steuerpflichtigen mit Blick auf die Erreichung des beanspruchten besonderen Zwecks beeinflusst, etwa dadurch, dass die betroffenen Waren hoch besteuert werden, um ihren Konsum unattraktiv zu machen.

    Selbst wenn die Behauptung zutrifft, dass die Verkaufsteuer, soweit sie auf verbrauchsteuerpflichtige Flüssigbrennstoffe erhoben wird, durch einen wirksamen Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs im Wesentlichen die Umwelt und die öffentliche Gesundheit schützen soll, und es sich dabei nicht um bloß allgemeine Ausgaben handelt, die durch die Einnahmen aus jedweder Steuer finanziert werden könnten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Zweckbestimmung der Einnahmen für den Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Verwendung der Einnahmen aus der Steuer und den umweltbezogenen und auf die öffentliche Gesundheit bezogenen Zwecken begründet.

    (vgl. Rn. 39, 41, 42, 45, 47 und Tenor)

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    Rechtssache C‑553/13

    Tallinna Ettevõtlusamet

    gegen

    Statoil Fuel & Retail Eesti AS

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tallinna ringkonnakohus)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Indirekte Steuern — Verbrauchsteuern — Richtlinie 2008/118/EG — Art. 1 Abs. 2 — Verbrauchsteuerpflichtige Flüssigbrennstoffe — Steuer auf den Einzelhandelsverkauf — Begriff ‚besonderer Zweck‘ — Im Voraus festgelegte Verwendung — Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs im Gebiet einer Stadt“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 5. März 2015

    Steuerliche Vorschriften — Harmonisierung der Rechtsvorschriften — Verbrauchsteuern — Richtlinie 2008/118 — Verbrauchsteuerpflichtige Waren — Nationale Regelung, durch die eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Flüssigbrennstoffen eingeführt wird — Steuer, die auf die Finanzierung des Betriebs des öffentlichen Personenverkehrs gerichtet ist, einer unabhängig vom Bestehen dieser Steuer ausgeführten und finanzierten Tätigkeit — Keine besondere Zielsetzung — Unzulässigkeit

    (Richtlinie 2008/118 des Rates, Art. 1 Abs. 2)

    Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12 ist dahin auszulegen, dass eine Steuer, soweit sie auf den verbrauchsteuerpflichtigen Einzelhandelsverkauf von Flüssigbrennstoffen erhoben wird, keinen besonderen Zweck im Sinne dieser Bestimmung verfolgt, wenn sie auf die Finanzierung des Betriebs des öffentlichen Personenverkehrs im Gebiet der Gebietskörperschaft, die diese Steuer auferlegt, gerichtet ist und diese Gebietskörperschaft unabhängig vom Bestehen dieser Steuer verpflichtet ist, diese Tätigkeit auszuführen und zu finanzieren, selbst wenn die Einnahmen aus dieser Steuer ausschließlich für diese Tätigkeit verwendet wurden. Die genannte Bestimmung ist folglich dahin auszulegen, dass sie einer einzelstaatlichen Regelung, die eine solche Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von verbrauchsteuerpflichtigen Flüssigbrennstoffen einführt, entgegensteht.

    Der Umstand, dass die Einnahmen aus einer solchen Steuer im Voraus dafür bestimmt werden, dass örtliche Behörden auf sie übertragene Zuständigkeiten finanzieren, kann nämlich zwar einen Gesichtspunkt darstellen, der für die Feststellung, ob ein besonderer Zweck vorliegt, zu berücksichtigen ist. Eine derartige Zweckbestimmung, die sich aus einer bloßen internen Organisationsvorschrift für den Haushalt eines Mitgliedstaats ergibt, kann aber als solche nicht genügen, da jeder Mitgliedstaat unabhängig von der Zielsetzung vorschreiben kann, die Einnahmen aus einer Steuer zur Finanzierung bestimmter Ausgaben zu verwenden.

    Damit es die im Voraus festgelegte Verwendung der Einnahmen aus einer Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren erlaubt, von dieser Steuer einen besonderen Zweck im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 anzunehmen, muss die fragliche Steuer selbst darauf gerichtet sein, die Verwirklichung des beanspruchten besonderen Zwecks zu gewährleisten, und somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verwendung der Einnahmen aus der Steuer und dem besonderen Zweck bestehen. Ohne einen solchen Mechanismus der im Voraus vorgenommenen Festlegung der Verwendung der Einnahmen kann bei einer Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren nur dann davon ausgegangen werden, dass sie einen besonderen Zweck im Sinne der genannten Bestimmung verfolgt, wenn diese Steuer hinsichtlich ihrer Struktur, insbesondere des Steuergegenstands und des Steuersatzes, derart gestaltet ist, dass sie das Verhalten der Steuerpflichtigen mit Blick auf die Erreichung des beanspruchten besonderen Zwecks beeinflusst, etwa dadurch, dass die betroffenen Waren hoch besteuert werden, um ihren Konsum unattraktiv zu machen.

    Selbst wenn die Behauptung zutrifft, dass die Verkaufsteuer, soweit sie auf verbrauchsteuerpflichtige Flüssigbrennstoffe erhoben wird, durch einen wirksamen Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs im Wesentlichen die Umwelt und die öffentliche Gesundheit schützen soll, und es sich dabei nicht um bloß allgemeine Ausgaben handelt, die durch die Einnahmen aus jedweder Steuer finanziert werden könnten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Zweckbestimmung der Einnahmen für den Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Verwendung der Einnahmen aus der Steuer und den umweltbezogenen und auf die öffentliche Gesundheit bezogenen Zwecken begründet.

    (vgl. Rn. 39, 41, 42, 45, 47 und Tenor)

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