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Document 62013CJ0039

    Leitsätze des Urteils

    Verbundene Rechtssachen C‑39/13 bis C‑41/13

    Inspecteur van de Belastingdienst/Noord/kantoor Groningen u. a.

    gegen

    SCA Group Holding BV u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Amsterdam)

    „Niederlassungsfreiheit — Körperschaftsteuer — Steuerliche Einheit zwischen Gesellschaften ein und desselben Konzerns — Antrag — Versagungsgründe — Ort des Sitzes einer oder mehrerer Zwischengesellschaften oder der Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat — Fehlen einer Betriebsstätte im Besteuerungsstaat“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 12. Juni 2014

    1. Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Körperschaftsteuer – Nationale Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, für eine Regelung der Besteuerung des Gruppeneinkommens zu optieren, für die gebietsansässigen Muttergesellschaften ausschließen, die ihre gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft halten – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten – Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    2. Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Körperschaftsteuer – Nationale Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, für eine Regelung der Besteuerung des Gruppeneinkommens zu optieren, für die gebietsansässigen Muttergesellschaften ausschließen, die ihre gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft halten – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten – Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    1.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen eine gebietsansässige Muttergesellschaft mit einer gebietsansässigen Enkelgesellschaft eine steuerliche Einheit bilden kann, wenn sie diese über eine oder mehrere gebietsansässige Gesellschaft(en) hält, dies aber nicht möglich ist, wenn sie die Enkelgesellschaft über gebietsfremde Gesellschaften hält, die in diesem Mitgliedstaat keine Betriebsstätte haben.

      Die durch dieses Recht gebietsansässigen Gesellschaften eröffnete Möglichkeit stellt für die betreffenden Gesellschaften nämlich einen Liquiditätsvorteil dar. Diese Regelung ermöglicht es insbesondere, die Gewinne und Verluste der in die steuerliche Einheit einbezogenen Gesellschaften auf der Ebene der Muttergesellschaft zu konsolidieren und innerhalb der Gruppe getätigte Transaktionen steuerlich neutral zu halten.

      Diese Rechtsvorschriften führen jedoch hinsichtlich der Möglichkeit, für die Regelung der steuerlichen Einheit zu optieren, zu einer unterschiedlichen Behandlung, je nachdem, ob die Muttergesellschaft ihre mittelbaren Beteiligungen über eine in diesem Mitgliedstaat oder über eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft hält.

      Dadurch dass die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten steuerlich benachteiligen, stellen sie daher eine durch die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung dar.

      Eine solche Ungleichbehandlung ist nur dann mit diesen Bestimmungen vereinbar, wenn sie entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind – wobei die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen ist –, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

      Was die Vergleichbarkeit betrifft, haben die nationalen Rechtsvorschriften das Ziel, einen aus einer Muttergesellschaft und ihren Tochter- und Enkelgesellschaften bestehenden Konzern einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten dadurch so weit wie möglich gleichzustellen, dass die Möglichkeit einer steuerlichen Konsolidierung der Ergebnisse aller dieser Gesellschaften eröffnet wird. Somit ist das Halten von gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsansässige Tochtergesellschaft oder eine gebietsfremde Tochtergesellschaft objektiv vergleichbar, soweit die Inanspruchnahme der Vorteile der Regelung der steuerlichen Einheit in beiden Fällen für die aus der Muttergesellschaft und den Enkelgesellschaften gebildete Gesamtheit angestrebt wird.

      Im Übrigen kann diese Beschränkung nicht als durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Wahrung der Kohärenz der Steuerregelung gerechtfertigt angesehen werden. Zwar kann die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu gewährleisten, eine Beschränkung der Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen; jedoch kann ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nicht dargetan werden.

      (vgl. Rn. 21, 24, 27-29, 31, 33, 40, 41, 43, Tenor 1)

    2.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen eine Regelung der steuerlichen Einheit auf eine gebietsansässige Muttergesellschaft, die gebietsansässige Tochtergesellschaften hält, Anwendung findet, nicht aber auf gebietsansässige Schwestergesellschaften, deren gemeinsame Muttergesellschaft ihren Sitz nicht in diesem Mitgliedstaat und dort keine Betriebsstätte hat.

      Diese Rechtsvorschriften führen nämlich zu einer Ungleichbehandlung von Muttergesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat, die dank der Regelung der steuerlichen Einheit insbesondere für die Zwecke der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Gewinns die Verluste ihrer defizitären Tochtergesellschaften unmittelbar mit den Gewinnen ihrer profitablen Tochtergesellschaften verrechnen können, auf der einen und von Muttergesellschaften, die gleichfalls in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaften halten, ihren Sitz aber in einem anderen Mitgliedstaat und in dem ersten Mitgliedstaat keine Betriebsstätte haben, denen die Inanspruchnahme der steuerlichen Einheit und somit der Liquiditätsvorteil, zu dem sie berechtigt, verwehrt ist, auf der anderen Seite.

      Dadurch dass die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften Sachverhalte mit Gemeinschaftsbezug gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten steuerlich benachteiligen, stellen sie daher eine durch die Vertragsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung dar.

      Was die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt anbelangt, lässt sich das Ziel der Regelung der steuerlichen Einheit, nämlich Gesellschaften ein und desselben Konzerns zu ermöglichen, steuerlich so betrachtet zu werden, als handelte es sich nur um einen einzigen Steuerpflichtigen, ebenso gut bei Konzernen mit gebietsansässiger Muttergesellschaft wie bei jenen erreichen, deren Muttergesellschaft gebietsfremd ist, zumindest was die Besteuerung allein der in diesem Mitgliedstaat steuerpflichtigen Schwestergesellschaften angeht Die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Möglichkeit einer steuerlichen Integration von Schwestergesellschaften ist daher nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation gerechtfertigt.

      Sie ist mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen diesem steuerlichen Vorteil und einer bestimmten steuerlichen Belastung auch nicht durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Wahrung der Kohärenz der Steuerregelung in Verbindung mit der Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung gerechtfertigt.

      (vgl. Rn. 47, 48, 50-54, 56, Tenor 2)

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    Verbundene Rechtssachen C‑39/13 bis C‑41/13

    Inspecteur van de Belastingdienst/Noord/kantoor Groningen u. a.

    gegen

    SCA Group Holding BV u. a.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Amsterdam)

    „Niederlassungsfreiheit — Körperschaftsteuer — Steuerliche Einheit zwischen Gesellschaften ein und desselben Konzerns — Antrag — Versagungsgründe — Ort des Sitzes einer oder mehrerer Zwischengesellschaften oder der Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat — Fehlen einer Betriebsstätte im Besteuerungsstaat“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 12. Juni 2014

    1. Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Nationale Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, für eine Regelung der Besteuerung des Gruppeneinkommens zu optieren, für die gebietsansässigen Muttergesellschaften ausschließen, die ihre gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft halten — Unzulässigkeit — Rechtfertigung — Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten — Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    2. Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Nationale Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, für eine Regelung der Besteuerung des Gruppeneinkommens zu optieren, für die gebietsansässigen Muttergesellschaften ausschließen, die ihre gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft halten — Unzulässigkeit — Rechtfertigung — Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten — Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    1.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen eine gebietsansässige Muttergesellschaft mit einer gebietsansässigen Enkelgesellschaft eine steuerliche Einheit bilden kann, wenn sie diese über eine oder mehrere gebietsansässige Gesellschaft(en) hält, dies aber nicht möglich ist, wenn sie die Enkelgesellschaft über gebietsfremde Gesellschaften hält, die in diesem Mitgliedstaat keine Betriebsstätte haben.

      Die durch dieses Recht gebietsansässigen Gesellschaften eröffnete Möglichkeit stellt für die betreffenden Gesellschaften nämlich einen Liquiditätsvorteil dar. Diese Regelung ermöglicht es insbesondere, die Gewinne und Verluste der in die steuerliche Einheit einbezogenen Gesellschaften auf der Ebene der Muttergesellschaft zu konsolidieren und innerhalb der Gruppe getätigte Transaktionen steuerlich neutral zu halten.

      Diese Rechtsvorschriften führen jedoch hinsichtlich der Möglichkeit, für die Regelung der steuerlichen Einheit zu optieren, zu einer unterschiedlichen Behandlung, je nachdem, ob die Muttergesellschaft ihre mittelbaren Beteiligungen über eine in diesem Mitgliedstaat oder über eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft hält.

      Dadurch dass die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten steuerlich benachteiligen, stellen sie daher eine durch die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung dar.

      Eine solche Ungleichbehandlung ist nur dann mit diesen Bestimmungen vereinbar, wenn sie entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind – wobei die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen ist –, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

      Was die Vergleichbarkeit betrifft, haben die nationalen Rechtsvorschriften das Ziel, einen aus einer Muttergesellschaft und ihren Tochter- und Enkelgesellschaften bestehenden Konzern einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten dadurch so weit wie möglich gleichzustellen, dass die Möglichkeit einer steuerlichen Konsolidierung der Ergebnisse aller dieser Gesellschaften eröffnet wird. Somit ist das Halten von gebietsansässigen Enkelgesellschaften über eine gebietsansässige Tochtergesellschaft oder eine gebietsfremde Tochtergesellschaft objektiv vergleichbar, soweit die Inanspruchnahme der Vorteile der Regelung der steuerlichen Einheit in beiden Fällen für die aus der Muttergesellschaft und den Enkelgesellschaften gebildete Gesamtheit angestrebt wird.

      Im Übrigen kann diese Beschränkung nicht als durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Wahrung der Kohärenz der Steuerregelung gerechtfertigt angesehen werden. Zwar kann die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu gewährleisten, eine Beschränkung der Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen; jedoch kann ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nicht dargetan werden.

      (vgl. Rn. 21, 24, 27-29, 31, 33, 40, 41, 43, Tenor 1)

    2.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen eine Regelung der steuerlichen Einheit auf eine gebietsansässige Muttergesellschaft, die gebietsansässige Tochtergesellschaften hält, Anwendung findet, nicht aber auf gebietsansässige Schwestergesellschaften, deren gemeinsame Muttergesellschaft ihren Sitz nicht in diesem Mitgliedstaat und dort keine Betriebsstätte hat.

      Diese Rechtsvorschriften führen nämlich zu einer Ungleichbehandlung von Muttergesellschaften mit Sitz in diesem Mitgliedstaat, die dank der Regelung der steuerlichen Einheit insbesondere für die Zwecke der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Gewinns die Verluste ihrer defizitären Tochtergesellschaften unmittelbar mit den Gewinnen ihrer profitablen Tochtergesellschaften verrechnen können, auf der einen und von Muttergesellschaften, die gleichfalls in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaften halten, ihren Sitz aber in einem anderen Mitgliedstaat und in dem ersten Mitgliedstaat keine Betriebsstätte haben, denen die Inanspruchnahme der steuerlichen Einheit und somit der Liquiditätsvorteil, zu dem sie berechtigt, verwehrt ist, auf der anderen Seite.

      Dadurch dass die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften Sachverhalte mit Gemeinschaftsbezug gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten steuerlich benachteiligen, stellen sie daher eine durch die Vertragsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich verbotene Beschränkung dar.

      Was die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt anbelangt, lässt sich das Ziel der Regelung der steuerlichen Einheit, nämlich Gesellschaften ein und desselben Konzerns zu ermöglichen, steuerlich so betrachtet zu werden, als handelte es sich nur um einen einzigen Steuerpflichtigen, ebenso gut bei Konzernen mit gebietsansässiger Muttergesellschaft wie bei jenen erreichen, deren Muttergesellschaft gebietsfremd ist, zumindest was die Besteuerung allein der in diesem Mitgliedstaat steuerpflichtigen Schwestergesellschaften angeht Die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Möglichkeit einer steuerlichen Integration von Schwestergesellschaften ist daher nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation gerechtfertigt.

      Sie ist mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen diesem steuerlichen Vorteil und einer bestimmten steuerlichen Belastung auch nicht durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Wahrung der Kohärenz der Steuerregelung in Verbindung mit der Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung gerechtfertigt.

      (vgl. Rn. 47, 48, 50-54, 56, Tenor 2)

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