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Document 62012TJ0165

Leitsätze des Urteils

Rechtssache T‑165/12

European Dynamics Luxembourg SA

und

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE

gegen

Europäische Kommission

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge — Ausschreibungsverfahren — Erbringung von unterstützenden Diensten mit dem Ziel der Entwicklung von IT‑Infrastruktur‑ Diensten und elektronischen Behördendiensten (‚e‑government services‘) in Albanien — Ablehnung des Angebots eines Bieters — Transparenz — Begründungspflicht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 13. Dezember 2013

  1. Öffentliche Aufträge der Europäischen Union – Ausschreibungsverfahren – Verpflichtung zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter – Notwendigkeit, die Chancengleichheit zu gewährleisten und dem Grundsatz der Transparenz zu entsprechen – Bedeutung – Keine Verpflichtung das Protokoll des Bewertungsausschusses während des vorprozessualen Verfahrens an einen Bieter zu übermitteln

    (Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 89 Abs. 1) (Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 147)

  2. Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs‑ und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Klagegrund, der erstmals im Stadium der Erwiderung geltend gemacht wurde – Unzulässigkeit

    (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c und 48 § 2)

  3. Handlungen der Organe – Begründung – Verpflichtung – Umfang – Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht auszuwählen – Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, hinreichend präzise die Gründe für die Ablehnung klar zum Ausdruck bringende Anmerkungen zu übermitteln – Verstoß – Verletzung der Begründungspflicht

    (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149)

  4. Nichtigkeitsklage – Klage gegen eine Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht auszuwählen – Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung wegen unzureichender Begründung – Hilfsklagegrund auf Nichtigerklärung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz, der Änderungen der Vertragsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens untersagt – Vorliegen einer Verletzung abhängig von der Prüfung von Klagegründen, die gegen die die nichtige Entscheidung ersetzende Entscheidung gerichtet sein müssen – Vorzeitigkeit des Klagegrundes

  1.  Der öffentliche Auftraggeber ist in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit aller Bieter verpflichtet. Der Grundsatz der Gleichbehandlung schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein, die es ermöglichen soll, seine Beachtung zu überprüfen. Dieser Grundsatz der Transparenz bedeutet, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Verdingungsunterlagen maßgeblichen technischen Informationen allen an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligten Unternehmen so bald wie möglich zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter tatsächlich die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.

    Unter diesen Umständen stellt die Weigerung eines Organs, das Protokoll des Bewertungsausschusses während des vorprozessualen Verfahrens an einen Bieter zu übermitteln, keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar, da sie nicht zu einer Chancenungleichheit zwischen den Klägerinnen und den anderen Bietern bei der Abfassung der Angebote geführt hat. Denn wie aus Art. 147 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften hervorgeht, besteht das Ziel des Bewertungsprotokolls nicht darin, alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens darzulegen, sondern darin, das Ergebnis der vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Bewertung zu präsentieren und hierzu vor allem die Namen der ausgeschlossenen Bieter und die Gründe für den Ausschluss ihres Angebots sowie den Namen des ausgewählten Auftragnehmers und die Gründe für die Wahl aufzuführen.

    (vgl. Randnrn. 45-51)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Randnr. 55)

  3.  Aus Art. 100 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und Art. 149 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit deren Durchführungsbestimmungen geht hervor, dass der öffentliche Auftraggeber seiner Begründungspflicht genügt, wenn er zunächst die unterlegenen Bieter unverzüglich über die Ablehnung ihres Angebots unterrichtet und anschließend den Bietern, die dies ausdrücklich beantragen, innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Eingang des schriftlichen Antrags die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters mitteilt.

    Diese Bestimmung verpflichtet zwar den öffentlichen Auftraggeber nicht zwangsläufig dazu, dem ausgeschlossenen Bieter ein Bewertungsprotokoll zur Verfügung zu stellen oder eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des ausgeschlossenen Bieters anzufertigen, jedoch müssen die Anmerkungen des öffentlichen Auftraggebers, um den Anforderungen dieser Bestimmung zu genügen, so präzise sein, dass die ausgeschlossenen Bieter ihnen die tatsächlichen und rechtlichen Umstände entnehmen können, auf deren Grundlage der öffentliche Auftraggeber ihr Angebot ablehnte und das Angebot eines anderen Bieters auswählte. Anmerkungen, die sich nur auf das Angebot der Klägerinnen und nicht auf das Angebot des Zuschlagsempfängers beziehen sowie vage Anmerkungen ohne Hinweis auf die unterschiedliche Benotung der einzelnen Experten der Klägerinnen erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

    So sind die Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 dieser Verordnung nicht erfüllt, wenn die Kommission den Klägerinnen die Benotung der Kriterien und Unterkriterien in Bezug auf ihr Angebot in Form einer Tabelle mitteilt, die nicht die Benotung des Angebots des Zuschlagsempfängers in Bezug auf diese Kriterien und Unterkriterien enthält, wodurch den Klägerinnen nicht ermöglicht wird, die von der Kommission vorgenommene Benotung ihres Angebots und desjenigen des Zuschlagsempfängers unmittelbar miteinander zu vergleichen. Das gilt umso mehr, wenn die Klägerinnen diesen bloßen Benotungen nicht die Gründe entnehmen konnten, aus denen sie für ihr Angebot vergeben worden waren. Dies gilt auch für die im Bewertungsbogen enthaltenen Zuschlagskriterien, denen die Klägerinnen auch nicht die Begründung der vergebenen Noten entnehmen konnten, sowie die Anmerkungen der Kommission zum Angebot der Klägerinnen, da sie ihre Überlegungen nicht so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Klägerinnen ihnen die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots entnehmen können.

    (vgl. Randnrn. 62, 78-82, 85-87, 89, 90)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Randnr. 97)

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