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Document 62012CJ0421

    Kommission / Belgien

    Rechtssache C‑421/12

    Europäische Kommission

    gegen

    Königreich Belgien

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Verbraucherschutz — Unlautere Geschäftspraktiken — Richtlinie 2005/29/EG — Vollständige Harmonisierung — Ausschluss von Freiberuflern, Zahnärzten und Heilgymnasten — Art und Weise der Ankündigung von Preisermäßigungen — Beschränkung oder Verbot bestimmter Formen des Wandergewerbes“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 10. Juli 2014

    1. Vertragsverletzungsklage – Klageschrift – Darlegung der Rügen und Klagegründe – Formerfordernisse – Zusammenhängende und detaillierte Darlegung – Unbestimmtheit der Klageschrift infolge der Verletzung der Informationspflicht, die den Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie auferlegt ist – Zulässigkeit

      (Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 17 Abs. 1 EUV; Art. 258 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 120 Buchst. c; Richtlinie 2005/297 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19)

    2. Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Umsetzung der Richtlinien – Vertragsverletzung – Rechtfertigung mit der innerstaatlichen Ordnung – Unzulässigkeit

      (Art. 258 AEUV)

    3. Vertragsverletzungsklage – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Maßnahmen – Vorhandensein innerstaatlicher Klagemöglichkeiten – Keine Auswirkung auf die Erhebung der Vertragsverletzungsklage

      (Art. 258 AEUV)

    4. Vertragsverletzungsklage – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

      (Art. 258 AEUV)

    5. Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Umsetzung einer Richtlinie ohne Tätigwerden des Gesetzgebers – Voraussetzungen – Vorhandensein eines allgemeinen rechtlichen Kontexts, der die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleistet – Nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften entsprechend den Anforderungen der Richtlinie auslegt, nicht ausreichend

      (Art. 258 AEUV und 288 AEUV)

    6. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Restriktivere nationale Regelung, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betrifft – Vertragsverletzung

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, 17. Erwägungsgrund, Art. 2 Buchst. d, Art. 4, Art. 5 Abs. 1 und Anhang I)

    7. Verbraucherschutz – Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse – Richtlinie 98/6 – Geltungsbereich – Nationale Regelung, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betrifft – Nichteinbeziehung

      (Richtlinie 98/6 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 10)

    8. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Übergangsregelung – Unanwendbarkeit auf nationale Regelungen, die nach dem Inkrafttreten der Richtlinie in Kraft getreten sind

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 5)

    9. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Nationale Regelung, die bestimmte Berufe vom Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes ausnimmt und restriktivere Maßnahmen für Ankündigungen von Preisermäßigungen und das Wandergewerbe beibehält – Vertragsverletzung

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. b und d, Art. 3 und Art. 4)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 30, 33, 34)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 43)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 44)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 45)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 46)

    6.  Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern werden mit der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt auf Unionsebene vollständig harmonisiert. Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie Art. 4 der Richtlinie ausdrücklich festschreibt, keine strengeren Maßnahmen erlassen als die, die in der Richtlinie festgelegt sind – selbst dann nicht, wenn sie ein höheres Verbraucherschutzniveau bezwecken.

      Insoweit stellt die Richtlinie 2005/29 in Anhang I eine vollständige Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die nach ihrem Art. 5 Abs. 5 „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind. Folglich können – wie es im 17. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausdrücklich heißt – nur diese Geschäftspraktiken ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29 als unlauter gelten.

      Folglich verstößt eine die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betreffende nationale Regelung, die nicht in Anhang I der Richtlinie 2005/29 genannte Praktiken generell verbietet, ohne eine individuelle Prüfung der „Unlauterkeit“ dieser Praktiken anhand der in den Art. 5 bis 9 dieser Richtlinie aufgestellten Kriterien vorzunehmen, gegen den Inhalt von Art. 4 der Richtlinie und steht im Widerspruch zu dem von der Richtlinie verfolgten Ziel einer vollständigen Harmonisierung – und zwar selbst dann, wenn diese Regelung ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll.

      (vgl. Rn. 55, 56, 61)

    7.  Gegenstand der Richtlinie 98/6 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse ist der Schutz der Verbraucher nicht bei der Angabe der Preise im Allgemeinen oder hinsichtlich der wirtschaftlichen Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen, sondern bei der Preisangabe von Waren unter Bezugnahme auf unterschiedliche Maßeinheiten. Daher fallen nationale Vorschriften, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betreffen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/6.

      (vgl. Rn. 59, 60)

    8.  Aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie geht klar hervor, dass die Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit haben, restriktivere oder strengere nationale Bestimmungen beizubehalten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt bereits bestanden haben.

      (vgl. Rn. 73)

    9.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 78 und Tenor)

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    Rechtssache C‑421/12

    Europäische Kommission

    gegen

    Königreich Belgien

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Verbraucherschutz — Unlautere Geschäftspraktiken — Richtlinie 2005/29/EG — Vollständige Harmonisierung — Ausschluss von Freiberuflern, Zahnärzten und Heilgymnasten — Art und Weise der Ankündigung von Preisermäßigungen — Beschränkung oder Verbot bestimmter Formen des Wandergewerbes“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 10. Juli 2014

    1. Vertragsverletzungsklage – Klageschrift – Darlegung der Rügen und Klagegründe – Formerfordernisse – Zusammenhängende und detaillierte Darlegung – Unbestimmtheit der Klageschrift infolge der Verletzung der Informationspflicht, die den Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie auferlegt ist – Zulässigkeit

      (Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 17 Abs. 1 EUV; Art. 258 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 120 Buchst. c; Richtlinie 2005/297 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19)

    2. Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Umsetzung der Richtlinien – Vertragsverletzung – Rechtfertigung mit der innerstaatlichen Ordnung – Unzulässigkeit

      (Art. 258 AEUV)

    3. Vertragsverletzungsklage – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Maßnahmen – Vorhandensein innerstaatlicher Klagemöglichkeiten – Keine Auswirkung auf die Erhebung der Vertragsverletzungsklage

      (Art. 258 AEUV)

    4. Vertragsverletzungsklage – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

      (Art. 258 AEUV)

    5. Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Umsetzung einer Richtlinie ohne Tätigwerden des Gesetzgebers – Voraussetzungen – Vorhandensein eines allgemeinen rechtlichen Kontexts, der die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleistet – Nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften entsprechend den Anforderungen der Richtlinie auslegt, nicht ausreichend

      (Art. 258 AEUV und 288 AEUV)

    6. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Restriktivere nationale Regelung, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betrifft – Vertragsverletzung

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, 17. Erwägungsgrund, Art. 2 Buchst. d, Art. 4, Art. 5 Abs. 1 und Anhang I)

    7. Verbraucherschutz – Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse – Richtlinie 98/6 – Geltungsbereich – Nationale Regelung, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betrifft – Nichteinbeziehung

      (Richtlinie 98/6 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 10)

    8. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Übergangsregelung – Unanwendbarkeit auf nationale Regelungen, die nach dem Inkrafttreten der Richtlinie in Kraft getreten sind

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 5)

    9. Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Richtlinie 2005/29 – Nationale Regelung, die bestimmte Berufe vom Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes ausnimmt und restriktivere Maßnahmen für Ankündigungen von Preisermäßigungen und das Wandergewerbe beibehält – Vertragsverletzung

      (Richtlinie 2005/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. b und d, Art. 3 und Art. 4)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 30, 33, 34)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 43)

    3.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 44)

    4.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 45)

    5.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 46)

    6.  Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern werden mit der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt auf Unionsebene vollständig harmonisiert. Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie Art. 4 der Richtlinie ausdrücklich festschreibt, keine strengeren Maßnahmen erlassen als die, die in der Richtlinie festgelegt sind – selbst dann nicht, wenn sie ein höheres Verbraucherschutzniveau bezwecken.

      Insoweit stellt die Richtlinie 2005/29 in Anhang I eine vollständige Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die nach ihrem Art. 5 Abs. 5 „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind. Folglich können – wie es im 17. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausdrücklich heißt – nur diese Geschäftspraktiken ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie 2005/29 als unlauter gelten.

      Folglich verstößt eine die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betreffende nationale Regelung, die nicht in Anhang I der Richtlinie 2005/29 genannte Praktiken generell verbietet, ohne eine individuelle Prüfung der „Unlauterkeit“ dieser Praktiken anhand der in den Art. 5 bis 9 dieser Richtlinie aufgestellten Kriterien vorzunehmen, gegen den Inhalt von Art. 4 der Richtlinie und steht im Widerspruch zu dem von der Richtlinie verfolgten Ziel einer vollständigen Harmonisierung – und zwar selbst dann, wenn diese Regelung ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll.

      (vgl. Rn. 55, 56, 61)

    7.  Gegenstand der Richtlinie 98/6 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse ist der Schutz der Verbraucher nicht bei der Angabe der Preise im Allgemeinen oder hinsichtlich der wirtschaftlichen Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen, sondern bei der Preisangabe von Waren unter Bezugnahme auf unterschiedliche Maßeinheiten. Daher fallen nationale Vorschriften, die die wirtschaftliche Realität der Ankündigung von Preisermäßigungen betreffen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/6.

      (vgl. Rn. 59, 60)

    8.  Aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie geht klar hervor, dass die Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit haben, restriktivere oder strengere nationale Bestimmungen beizubehalten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt bereits bestanden haben.

      (vgl. Rn. 73)

    9.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 78 und Tenor)

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