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Document 62012CJ0065

Leitsätze des Urteils

Rechtssache C‑65/12

Leidseplein Beheer BV

und

Hendrikus de Vries

gegen

Red Bull GmbH

und

Red Bull Nederland BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

„Vorabentscheidungsersuchen — Marken — Richtlinie 89/104/EWG — Rechte aus der Marke — Bekannte Marke — Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz — Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens ohne rechtfertigenden Grund durch einen Dritten — Begriff ‚rechtfertigender Grund‘“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 6. Februar 2014

  1. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Bekannte Marke – Befugnis, einen auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterten Schutz vorzusehen (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die von dieser Befugnis Gebrauch machen, diesen Schutz auch im Fall der Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen vorzusehen

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  2. Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Zielsetzung

  3. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Bekannte Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) – Voraussetzungen – Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt – Begriff des rechtfertigenden Grundes – Tragweite

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  4. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Bekannte Marke – Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) – Voraussetzungen – Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt – Begriff des rechtfertigenden Grundes – Zeichen, das vor Hinterlegung der Marke benutzt wurde

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 21, 34)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 28)

  3.  Durch die Erste Richtlinie 89/104 über die Marken soll allgemein ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen dem Interesse des Inhabers einer Marke an der Wahrung ihrer Hauptfunktion und dem Interesse der anderen Wirtschaftsteilnehmer an der Verfügbarkeit von Zeichen, die ihre Waren und Dienstleistungen bezeichnen können.

    Der Schutz der Rechte des Inhabers einer Marke aus der Richtlinie ist somit nicht bedingungslos, da er u. a. zur Herstellung eines Gleichgewichts der genannten Interessen auf die Fälle beschränkt ist, in denen sich der Inhaber hinreichend wachsam zeigt, indem er sich der Benutzung von Zeichen, die seine Marke verletzen können, durch andere Wirtschaftsteilnehmer widersetzt.

    In einem System des Markenschutzes wie dem, das mit dem Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum (Marken, Muster oder Modelle) auf der Grundlage der Richtlinie 89/104 geschaffen wurde, werden die Interessen eines Dritten, im geschäftlichen Verkehr ein einer bekannten Marke ähnliches Zeichen zu benutzen, im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie dadurch berücksichtigt, dass sich der Benutzer des Zeichens auf einen „rechtfertigenden Grund“ berufen kann.

    Ist es dem Inhaber der bekannten Marke nämlich gelungen, nachzuweisen, dass eine der Beeinträchtigungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vorliegt, und insbesondere, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wurde, obliegt dem Dritten, der ein der bekannten Marke ähnliches Zeichen benutzt hat, der Nachweis, dass es für die Benutzung dieses Zeichens einen rechtfertigenden Grund gibt.

    Daraus folgt, dass der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht nur objektiv zwingende Gründe umfassen kann, sondern sich auch auf die subjektiven Interessen eines Dritten beziehen kann, der ein mit der bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen benutzt.

    Deshalb zielt der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht darauf, einen Konflikt zwischen einer bekannten Marke und einem ähnlichen Zeichen, das vor Hinterlegung dieser Marke benutzt wurde, zu lösen oder die dem Inhaber der Marke zuerkannten Rechte zu beschränken, sondern darauf, ein Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Interessen zu finden, indem in dem besonderen Kontext des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und unter Berücksichtigung des weitreichenden Schutzes der bekannten Marke den Interessen des dieses Zeichen benutzenden Dritten Rechnung getragen wird. Dass sich ein Dritter auf einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung eines einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens beruft, kann damit nicht dazu führen, dass ihm die mit einer eingetragenen Marke verbundenen Rechte zuerkannt werden, aber zwingt den Inhaber der bekannten Marke dazu, die Benutzung des ähnlichen Zeichens zu dulden.

    So hat der Gerichtshof in Rn. 91 des Urteils C‑323/09, Interflora und Interflora British Unit, in einer Rechtssache, in der es um die Verwendung von Schlüsselwörtern für eine Referenzierung im Internet ging, entschieden, dass in Fällen, in denen im Internet anhand eines Schlüsselwortes, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt wird, mit der, ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke anzubieten, ohne die Wertschätzung der Marke oder ihre Unterscheidungskraft zu beeinträchtigen und ohne im Übrigen die Funktionen dieser Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, davon auszugehen ist, dass eine solche Benutzung grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb im Bereich der fraglichen Waren oder Dienstleistungen fällt und damit aus einem „rechtfertigenden Grund“ erfolgt.

    Daher kann der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich auf objektiv zwingende Gründe beschränkt.

    (vgl. Rn. 41-48)

  4.  Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer bekannten Marke wegen eines „rechtfertigenden Grundes“ im Sinne dieser Bestimmung gezwungen sehen kann, zu dulden, dass ein Dritter ein dieser Marke ähnliches Zeichen für eine Ware benutzt, die mit derjenigen identisch ist, für die die Marke eingetragen ist, wenn feststeht, dass dieses Zeichen vor Hinterlegung der Marke benutzt wurde und dass seine Benutzung für die identische Ware in gutem Glauben erfolgt. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

    die Verkehrsdurchsetzung und den Ruf des Zeichens bei den betroffenen Verkehrskreisen,

    den Grad der Nähe zwischen den Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen ursprünglich benutzt wurde, und der Ware, für die die bekannte Marke eingetragen ist, und

    die wirtschaftliche und handelsmäßige Erheblichkeit der Benutzung des der Marke ähnlichen Zeichens für die fragliche Ware.

    (vgl. Rn. 60 und Tenor)

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Rechtssache C‑65/12

Leidseplein Beheer BV

und

Hendrikus de Vries

gegen

Red Bull GmbH

und

Red Bull Nederland BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

„Vorabentscheidungsersuchen — Marken — Richtlinie 89/104/EWG — Rechte aus der Marke — Bekannte Marke — Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz — Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens ohne rechtfertigenden Grund durch einen Dritten — Begriff ‚rechtfertigender Grund‘“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 6. Februar 2014

  1. Rechtsangleichung — Marken — Richtlinie 89/104 — Bekannte Marke — Befugnis, einen auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterten Schutz vorzusehen (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) — Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die von dieser Befugnis Gebrauch machen, diesen Schutz auch im Fall der Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen vorzusehen

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  2. Recht der Europäischen Union — Auslegung — Methoden — Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Zielsetzung

  3. Rechtsangleichung — Marken — Richtlinie 89/104 — Bekannte Marke — Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) — Voraussetzungen — Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt — Begriff des rechtfertigenden Grundes — Tragweite

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  4. Rechtsangleichung — Marken — Richtlinie 89/104 — Bekannte Marke — Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) — Voraussetzungen — Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt — Begriff des rechtfertigenden Grundes — Zeichen, das vor Hinterlegung der Marke benutzt wurde

    (Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 2)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 21, 34)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 28)

  3.  Durch die Erste Richtlinie 89/104 über die Marken soll allgemein ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen dem Interesse des Inhabers einer Marke an der Wahrung ihrer Hauptfunktion und dem Interesse der anderen Wirtschaftsteilnehmer an der Verfügbarkeit von Zeichen, die ihre Waren und Dienstleistungen bezeichnen können.

    Der Schutz der Rechte des Inhabers einer Marke aus der Richtlinie ist somit nicht bedingungslos, da er u. a. zur Herstellung eines Gleichgewichts der genannten Interessen auf die Fälle beschränkt ist, in denen sich der Inhaber hinreichend wachsam zeigt, indem er sich der Benutzung von Zeichen, die seine Marke verletzen können, durch andere Wirtschaftsteilnehmer widersetzt.

    In einem System des Markenschutzes wie dem, das mit dem Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum (Marken, Muster oder Modelle) auf der Grundlage der Richtlinie 89/104 geschaffen wurde, werden die Interessen eines Dritten, im geschäftlichen Verkehr ein einer bekannten Marke ähnliches Zeichen zu benutzen, im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie dadurch berücksichtigt, dass sich der Benutzer des Zeichens auf einen „rechtfertigenden Grund“ berufen kann.

    Ist es dem Inhaber der bekannten Marke nämlich gelungen, nachzuweisen, dass eine der Beeinträchtigungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vorliegt, und insbesondere, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wurde, obliegt dem Dritten, der ein der bekannten Marke ähnliches Zeichen benutzt hat, der Nachweis, dass es für die Benutzung dieses Zeichens einen rechtfertigenden Grund gibt.

    Daraus folgt, dass der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht nur objektiv zwingende Gründe umfassen kann, sondern sich auch auf die subjektiven Interessen eines Dritten beziehen kann, der ein mit der bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen benutzt.

    Deshalb zielt der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht darauf, einen Konflikt zwischen einer bekannten Marke und einem ähnlichen Zeichen, das vor Hinterlegung dieser Marke benutzt wurde, zu lösen oder die dem Inhaber der Marke zuerkannten Rechte zu beschränken, sondern darauf, ein Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Interessen zu finden, indem in dem besonderen Kontext des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und unter Berücksichtigung des weitreichenden Schutzes der bekannten Marke den Interessen des dieses Zeichen benutzenden Dritten Rechnung getragen wird. Dass sich ein Dritter auf einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung eines einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens beruft, kann damit nicht dazu führen, dass ihm die mit einer eingetragenen Marke verbundenen Rechte zuerkannt werden, aber zwingt den Inhaber der bekannten Marke dazu, die Benutzung des ähnlichen Zeichens zu dulden.

    So hat der Gerichtshof in Rn. 91 des Urteils C‑323/09, Interflora und Interflora British Unit, in einer Rechtssache, in der es um die Verwendung von Schlüsselwörtern für eine Referenzierung im Internet ging, entschieden, dass in Fällen, in denen im Internet anhand eines Schlüsselwortes, das einer bekannten Marke entspricht, eine Werbung gezeigt wird, mit der, ohne eine bloße Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke anzubieten, ohne die Wertschätzung der Marke oder ihre Unterscheidungskraft zu beeinträchtigen und ohne im Übrigen die Funktionen dieser Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen wird, davon auszugehen ist, dass eine solche Benutzung grundsätzlich unter einen gesunden und lauteren Wettbewerb im Bereich der fraglichen Waren oder Dienstleistungen fällt und damit aus einem „rechtfertigenden Grund“ erfolgt.

    Daher kann der Begriff „rechtfertigender Grund“ nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich auf objektiv zwingende Gründe beschränkt.

    (vgl. Rn. 41-48)

  4.  Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer bekannten Marke wegen eines „rechtfertigenden Grundes“ im Sinne dieser Bestimmung gezwungen sehen kann, zu dulden, dass ein Dritter ein dieser Marke ähnliches Zeichen für eine Ware benutzt, die mit derjenigen identisch ist, für die die Marke eingetragen ist, wenn feststeht, dass dieses Zeichen vor Hinterlegung der Marke benutzt wurde und dass seine Benutzung für die identische Ware in gutem Glauben erfolgt. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

    die Verkehrsdurchsetzung und den Ruf des Zeichens bei den betroffenen Verkehrskreisen,

    den Grad der Nähe zwischen den Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen ursprünglich benutzt wurde, und der Ware, für die die bekannte Marke eingetragen ist, und

    die wirtschaftliche und handelsmäßige Erheblichkeit der Benutzung des der Marke ähnlichen Zeichens für die fragliche Ware.

    (vgl. Rn. 60 und Tenor)

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