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Document 62011CJ0018

    Leitsätze des Urteils

    Rechtssache C-18/11

    The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

    gegen

    Philips Electronics UK Ltd

    (Vorabentscheidungsersuchen des Upper Tribunal [Tax and Chancery Chamber])

    „Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Steuerliche Entlastung — Nationale Regelung, die die Übertragung im Inland entstandener Verluste einer Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, auf eine gebietsansässige Gesellschaft desselben Konzerns ausschließt“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 6. September 2012

    1. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Bestimmungen des Vertrags – Geltungsbereich

      (Art. 43 EG und Art. 48 EG)

    2. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Körperschaftsteuer – Verlustabzug – Konzernabzug – Nationale Regelung, die eine Übertragung der Verluste einer im Staatsgebiet ansässigen Betriebsstätte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen gebietsfremden Gesellschaft auf eine zum selben Konzern gehörende gebietsansässigen Gesellschaft verbietet – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die auf eine Verhinderung der doppelten Berücksichtigung von Verlusten oder die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gerichtet sind – Fehlen

      (Art. 43 EG)

    3. Recht der Europäischen Union – Unmittelbare Wirkung – Vorrang – Kollision zwischen dem Unionsrecht und einem nationalen Gesetz – Pflichten und Befugnisse des angerufenen nationalen Gerichts – Nichtanwendung des nationalen Gesetzes

      (Art. 10 EG und Art. 43 EG)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 12-14)

    2.  Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass es eine Beschränkung der Freiheit eines gebietsfremden Unternehmens, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, darstellt, wenn nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit der Übertragung von Verlusten, die eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft erlitten hat, auf eine gebietsansässige Gesellschaft im Wege des Konzernabzugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Verluste nicht für die Zwecke einer ausländischen Steuer verwendet werden können, obwohl für die Übertragung von Verlusten, die eine gebietsansässige Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat erlitten hat, keine entsprechende Voraussetzung gilt.

      Eine derartige ungleiche Behandlung macht die Ausübung der Niederlassungsfreiheit mittels einer Betriebsstätte für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften nämlich weniger attraktiv. Die Situation einer gebietsfremden Gesellschaft, die nur über eine Betriebsstätte im Inland verfügt, und die einer gebietsansässigen Gesellschaft sind zudem im Hinblick auf das Ziel eines Steuersystems wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden objektiv vergleichbar, was die Möglichkeit betrifft, im Vereinigten Königreich erlittene Verluste mittels Konzernabzug auf eine andere Gesellschaft dieses Konzerns zu übertragen.

      Eine solche Beschränkung kann nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, die auf eine Verhinderung der doppelten Berücksichtigung von Verlusten, die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten oder die Kombination dieser beiden Ziele gerichtet sind.

      Was erstens die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten angeht, wird insoweit die Besteuerungsbefugnis des Aufnahmemitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die für die Verluste der Betriebsstätte ursächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, durch die Möglichkeit, die Verluste einer in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Betriebsstätte im Wege des Konzernabzugs auf eine gebietsansässige Gesellschaft zu übertragen, in keiner Weise berührt, da die Besteuerungsbefugnis dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die möglichen Gewinne aus der Tätigkeit der Betriebsstätte in seinem Hoheitsgebiet nicht berührt wird.

      Zweitens hat die Gefahr einer doppelten Berücksichtigung der Verluste keinen Einfluss auf die Besteuerungsbefugnis des Mitgliedstaats, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Die von der Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft auf eine gebietsansässige Gesellschaft übertragenen Verluste sind in jedem Fall der Besteuerungsbefugnis dieses Staates zuzuordnen. Diese Besteuerungsbefugnis wird dadurch, dass die übertragenen Verluste gegebenenfalls auch in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt werden können, nicht in Frage gestellt.

      (vgl. Randnrn. 16, 19, 20, 25, 26, 30, 31, 35, Tenor 1-2)

    3.  Jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht ist als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt lässt.

      (vgl. Randnrn. 38, 40, Tenor 3)

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    Rechtssache C-18/11

    The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

    gegen

    Philips Electronics UK Ltd

    (Vorabentscheidungsersuchen des Upper Tribunal [Tax and Chancery Chamber])

    „Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Steuerliche Entlastung — Nationale Regelung, die die Übertragung im Inland entstandener Verluste einer Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, auf eine gebietsansässige Gesellschaft desselben Konzerns ausschließt“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 6. September 2012

    1. Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Bestimmungen des Vertrags — Geltungsbereich

      (Art. 43 EG und Art. 48 EG)

    2. Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Verlustabzug — Konzernabzug — Nationale Regelung, die eine Übertragung der Verluste einer im Staatsgebiet ansässigen Betriebsstätte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen gebietsfremden Gesellschaft auf eine zum selben Konzern gehörende gebietsansässigen Gesellschaft verbietet — Unzulässigkeit — Rechtfertigung — Zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die auf eine Verhinderung der doppelten Berücksichtigung von Verlusten oder die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gerichtet sind — Fehlen

      (Art. 43 EG)

    3. Recht der Europäischen Union — Unmittelbare Wirkung — Vorrang — Kollision zwischen dem Unionsrecht und einem nationalen Gesetz — Pflichten und Befugnisse des angerufenen nationalen Gerichts — Nichtanwendung des nationalen Gesetzes

      (Art. 10 EG und Art. 43 EG)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 12-14)

    2.  Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass es eine Beschränkung der Freiheit eines gebietsfremden Unternehmens, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, darstellt, wenn nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit der Übertragung von Verlusten, die eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft erlitten hat, auf eine gebietsansässige Gesellschaft im Wege des Konzernabzugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Verluste nicht für die Zwecke einer ausländischen Steuer verwendet werden können, obwohl für die Übertragung von Verlusten, die eine gebietsansässige Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat erlitten hat, keine entsprechende Voraussetzung gilt.

      Eine derartige ungleiche Behandlung macht die Ausübung der Niederlassungsfreiheit mittels einer Betriebsstätte für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften nämlich weniger attraktiv. Die Situation einer gebietsfremden Gesellschaft, die nur über eine Betriebsstätte im Inland verfügt, und die einer gebietsansässigen Gesellschaft sind zudem im Hinblick auf das Ziel eines Steuersystems wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden objektiv vergleichbar, was die Möglichkeit betrifft, im Vereinigten Königreich erlittene Verluste mittels Konzernabzug auf eine andere Gesellschaft dieses Konzerns zu übertragen.

      Eine solche Beschränkung kann nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, die auf eine Verhinderung der doppelten Berücksichtigung von Verlusten, die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten oder die Kombination dieser beiden Ziele gerichtet sind.

      Was erstens die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten angeht, wird insoweit die Besteuerungsbefugnis des Aufnahmemitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die für die Verluste der Betriebsstätte ursächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, durch die Möglichkeit, die Verluste einer in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Betriebsstätte im Wege des Konzernabzugs auf eine gebietsansässige Gesellschaft zu übertragen, in keiner Weise berührt, da die Besteuerungsbefugnis dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die möglichen Gewinne aus der Tätigkeit der Betriebsstätte in seinem Hoheitsgebiet nicht berührt wird.

      Zweitens hat die Gefahr einer doppelten Berücksichtigung der Verluste keinen Einfluss auf die Besteuerungsbefugnis des Mitgliedstaats, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Die von der Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft auf eine gebietsansässige Gesellschaft übertragenen Verluste sind in jedem Fall der Besteuerungsbefugnis dieses Staates zuzuordnen. Diese Besteuerungsbefugnis wird dadurch, dass die übertragenen Verluste gegebenenfalls auch in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt werden können, nicht in Frage gestellt.

      (vgl. Randnrn. 16, 19, 20, 25, 26, 30, 31, 35, Tenor 1-2)

    3.  Jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht ist als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt lässt.

      (vgl. Randnrn. 38, 40, Tenor 3)

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