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Document 62010CJ0089

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Unionsrecht – Unmittelbare Wirkung – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Erstattung – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Darin festgelegte Verjährungs- oder Ausschlussfristen

2. Unionsrecht – Unmittelbare Wirkung – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Erstattung – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Darin festgelegte Verjährungsfrist für den Anspruch auf die Erstattung von Abgaben, die länger ist, wenn sich der Anspruch gegen einen als Vermittler aufgetretenen Einzelnen richtet, als wenn er sich gegen den Staat richtet – Zulässigkeit – Voraussetzung

3. Vorabentscheidungsverfahren – Auslegung – Zeitliche Wirkung der Auslegungsurteile – Rückwirkung – Urteil, durch das die Unvereinbarkeit der Rückwirkung einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht festgestellt wird

(Art. 267 AEUV)

Leitsätze

1. Das Unionsrecht verbietet nicht, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die die innerstaatliche Rechtsordnung eines Mitgliedstaats für Forderungen gegen diesen Staat vorsieht, auf Klagen anzuwenden, mit denen Abgaben zurückgefordert werden, die aufgrund eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren „gemischten Beihilfe- und Abgabensystems“ entrichtet worden sind.

Die Mitgliedstaaten dürfen in Ermangelung harmonisierter Vorschriften über die Rückerstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben weiterhin die Verfahrensvorschriften ihres innerstaatlichen Rechts, u. a. über die Ausschlussfristen, anwenden, sofern sie dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten.

Der Grundsatz der Äquivalenz wird nicht dadurch verletzt, dass eine Verjährungsfrist von fünf Jahren auf alle Forderungen gegen den fraglichen Mitgliedstaat Anwendung findet und ihre Anwendbarkeit nicht davon abhängt, ob diese Forderungen auf einem Verstoß gegen nationales oder gegen Unionsrecht beruhen, was vom nationalen Gericht zu überprüfen ist. In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der erhobenen Klage zur Folge hat.

(vgl. Randnrn. 34-36, 38, Tenor 1)

2. Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung, wonach für den Anspruch eines Einzelnen gegenüber einem anderen Einzelnen auf Erstattung der Abgaben, die Ersterer an Letzteren, der als Vermittler aufgetreten ist, rechtsgrundlos gezahlt hatte und die dieser für Rechnung des Erstgenannten an den Staat entrichtet hatte, eine längere Verjährungsfrist gilt, während für den Anspruch des Ersteren, wenn er die Abgaben unmittelbar an den Staat entrichtet hätte, eine kürzere, von der allgemeinen Regelung für Ansprüche auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge abweichende Frist gegolten hätte, nicht entgegen, sofern die als Vermittler auftretenden Einzelnem die eventuell für andere Einzelne entrichteten Beträge vom Staat tatsächlich zurückverlangen können.

(vgl. Randnr. 45, Tenor 2)

3. Die Tatsache, dass der Gerichtshof in einem auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteil die Rückwirkung der fraglichen nationalen Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt hat, wirkt sich nicht auf den Beginn der im nationalen Recht für Forderungen gegen den fraglichen Mitgliedstaat vorgesehenen Verjährungsfrist aus.

Zum einen bestimmt sich der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich nach nationalem Recht. Zum anderen ist eine auf ein entsprechendes Ersuchen ergangene Vorabentscheidung nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur und wirkt daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück. Das Unionsrecht verwehrt es einer nationalen Behörde folglich nur dann, sich auf den Ablauf einer angemessenen Verjährungsfrist zu berufen, wenn ihr Verhalten in Verbindung mit einer Ausschlussfrist dem Betroffenen jede Möglichkeit genommen hat, seine Rechte vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

(vgl. Randnrn. 47-48, 51, 53, Tenor 3)

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