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Document 62009CJ0443

Leitsätze des Urteils

Rechtssache C-443/09

Camera di Commercio, Industria, Artigianato e Agricoltura (CCIAA) di Cosenza

gegen

Grillo Star Srl

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Cosenza)

„Richtlinie 2008/7/EG — Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital — Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und 6 Abs. 1 Buchst. e — Geltungsbereich — Jährliche Abgabe an die örtlichen Kammern für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft“

Leitsätze des Urteils

  1. Vorabentscheidungsverfahren — Anrufung des Gerichtshofs — Einzelstaatliches Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV — Begriff — Gericht, das eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter zu fällen hat

    (Art. 267 AEUV)

  2. Steuerliche Vorschriften — Harmonisierung der Rechtsvorschriften — Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital — Umsätze, die nicht indirekt zu besteuern sind

    (Richtlinie 2008/7 des Rates, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c)

  1.  Zur Beurteilung der rein unionsrechtlichen Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne des Art. 267 AEUV handelt, stellt der Gerichtshof auf eine Reihe von Merkmalen ab, wie z. B. gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit. Zudem können die nationalen Gerichte den Gerichtshof nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt. Dies trifft auf den für Insolvenzsachen zuständigen Richter des Tribunale di Cosenza zu, da dieser eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter zu fällen hat, um einen Rechtsstreit im Rahmen eines streitigen Verfahrens zu entscheiden.

    Der für Insolvenzsachen zuständige Richter hat nämlich die Aufgabe, auf der Grundlage einer vom Verwalter der insolventen Gesellschaft vorbereiteten vorläufigen Insolvenztabelle auf Antrag der Gläubiger festzustellen, welche Forderungen in diese Tabelle aufgenommen werden. Außerdem sind sowohl der Verwalter als auch die anderen Beteiligten befugt, vor dem für Insolvenzsachen zuständigen Richter der bei diesem vorgenommenen Anmeldung einer Forderung durch einen Gläubiger entgegenzutreten. Wenn kein Widerspruch eingelegt wird, erzeugt schließlich die Entscheidung dieses Richters, mit der die Eintragung einer Forderung in die Insolvenztabelle zurückgewiesen wird, verbindliche Rechtswirkungen. Zudem haben der Verwalter und die Gläubiger Gelegenheit, schriftlich und mündlich vor dem für Insolvenzsachen zuständigen Richter Stellung zu nehmen.

    (vgl. Randnrn. 20-21, 23-25)

  2.  Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/7 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass er einer Abgabe, die jährlich von jedem Unternehmen aufgrund seiner Eintragung in dem von den Kammern für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft geführten Unternehmensregister geschuldet wird, auch dann nicht entgegensteht, wenn eine solche Eintragung für Kapitalgesellschaften konstitutive Wirkung hat und die Abgabe von diesen Gesellschaften auch für den Zeitraum geschuldet wird, während dessen sie nur Vorbereitungen für den Betrieb eines Unternehmens treffen.

    Eine solche jährliche Abgabe wird nämlich nicht durch die Eintragung der Gesellschaft oder der juristischen Person, die Inhaber eines Unternehmens ist, sondern durch die Eintragung des Unternehmens selbst ausgelöst. Es handelt sich um eine Abgabe, die sämtliche Einheiten mit Erwerbszweck auf der Grundlage ihres Umsatzes trifft. Eine solche Abgabe ist von der Rechtsform des Inhabers des Unternehmens unabhängig, da sie gleichzeitig Unternehmen in der Form von Kapitalgesellschaften im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2008/7 und solche mit einer anderen Rechtsform trifft, insbesondere diejenigen, deren Inhaber natürliche Personen sind oder die von natürlichen Personen als Einzelunternehmen geführt werden. Zudem schließt die Tatsache, dass die jährliche Abgabe im Verhältnis zum Umsatz des betroffenen Unternehmens berechnet wird, aus, dass ihre Zahlung eine Formalität ist, die für ein Unternehmen, das die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gewählt hat, eine schwerere Belastung darstellt als für ein Unternehmen in einer anderen Rechtsform. Somit steht eine jährliche Abgabe nicht mit Formalitäten in Zusammenhang, denen Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden können.

    (vgl. Randnrn. 34-37, 43 und Tenor)

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