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Document 62009CJ0367
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Eigenmittel der Europäischen Union – Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Union – Verwaltungsrechtliche Sanktionen – Anwendungsvoraussetzungen – Unmöglichkeit, diese Sanktionen allein auf der Grundlage der Art. 5 und 7 dieser Verordnung zu verhängen
(Verordnung Nr. 2988/95 des Rates, Art. 5 und 7)
2. Eigenmittel der Europäischen Union – Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Union – Verwaltungsrechtliche Sanktionen – Anwendungsvoraussetzungen – Internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, die falsche Bescheinigungen ausgestellt hat
(Verordnung Nr. 2988/95 des Rates, Art. 7)
3. Eigenmittel der Europäischen Union – Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Union – Verfolgung von Unregelmäßigkeiten – Verjährungsfrist
(Verordnung Nr. 2988/95 des Rates, Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3)
1. Die Art. 5 und 7 der Verordnung 2988/95 des Rates über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften finden nicht in der Weise Anwendung, dass eine verwaltungsrechtliche Sanktion bereits allein auf der Grundlage dieser Bestimmungen verhängt werden kann, da die Anwendung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion gegenüber einer Kategorie von Personen im Rahmen des Schutzes der finanziellen Interessen der Union voraussetzt, dass vor der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit entweder der Unionsgesetzgeber eine sektorbezogene Regelung erlassen hat, die eine solche Sanktion und die Bedingungen für ihre Anwendung gegenüber dieser Kategorie von Personen festlegt, oder, wenn eine solche Regelung der Union noch nicht besteht, im Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Unregelmäßigkeit begangen wurde, die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion gegen die betreffende Kategorie von Personen vorgesehen ist.
Zwar haben Verordnungen aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären oder der Unionsgesetzgeber ergänzende Regelungen erlassen müsste, jedoch kann es vorkommen, dass manche Bestimmungen einer Verordnung zu ihrer Durchführung des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen bedürfen, entweder durch die Mitgliedstaaten oder durch den Unionsgesetzgeber selbst.
Dies gilt im Zusammenhang mit dem Schutz der finanziellen Interessen der Union hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Sanktionen, die gegen die verschiedenen Kategorien von Handelnden verhängt werden, die in der Verordnung Nr. 2988/95 bezeichnet sind. Dies ist u. a. hinsichtlich der in den Art. 5 und 7 dieser Verordnung genannten Sanktionen der Fall, da diese Bestimmungen lediglich allgemeine Regeln für Kontrollen und Sanktionen zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft aufstellen und insbesondere weder genau festlegen, welche der in Art. 5 der Verordnung Nr. 2988/95 aufgeführten Sanktionen im Fall einer Unregelmäßigkeit, die die finanziellen Interessen der Union beeinträchtigt, anzuwenden ist, noch, gegen welche Kategorie von Handelnden sie zu verhängen ist.
(vgl. Randnrn. 32-34, 36, 43, Tenor 1)
2. Unter Umständen, unter denen die sektorbezogene Regelung der Union noch keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthielt, wirksame Sanktionen für die Fälle vorzusehen, in denen eine von einem Mitgliedstaat zugelassene internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft falsche Bescheinigungen ausgestellt hat, verbietet Art. 7 der Verordnung Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften den Mitgliedstaaten nicht, gegen diese Gesellschaft als Person, die im Sinne dieser Bestimmung „an der Begehung einer Unregelmäßigkeit mitgewirkt hat“ oder für diese „zu haften hat“ oder aber „dafür zu sorgen hat, dass sie nicht begangen wird“, eine Sanktion zu verhängen, sofern die Anwendung dieser Sanktion auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruht, was das nationale Gericht zu prüfen haben wird.
(vgl. Randnr. 62, Tenor 2)
3. Die Übermittlung eines Untersuchungsberichts, aus dem eine Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit einem bestimmten Ausfuhrgeschäft hervorgeht, an eine internationale Kontroll- und Überwachungsgesellschaft, die eine Bescheinigung über die Überführung in den freien Verkehr für dieses Ausfuhrgeschäft ausgestellt hat, die an diese Gesellschaft gerichtete Aufforderung, ergänzende Unterlagen zum Nachweis der tatsächlichen Abfertigung zum freien Verkehr vorzulegen, und die Übersendung eines Einschreibens, mit dem gegen die Gesellschaft eine Sanktion wegen der Mitwirkung an einer Unregelmäßigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften verhängt wird, stellen hinreichend bestimmte, der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen dar, die die Verfolgungsverjährung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Verordnung unterbrechen.
(vgl. Randnr. 70, Tenor 3)