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Document 62009CJ0253
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Beschränkungen – Steuerrecht – Grunderwerbsteuer
(Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG; EWR-Abkommen, Art. 28 und 31)
Ein Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften für die Bemessung der Steuer, die beim Erwerb einer zum Hauptwohnsitz bestimmten Immobilie fällig wird, vorsehen, dass, wenn eine Privatperson, die Wohneigentum erwirbt, ihr anderes Wohneigentum innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Erwerb verkauft, Steuerbemessungsgrundlage der Brutto‑Differenzbetrag zwischen dem Verkehrswert des erworbenen Eigentums und dem Verkehrswert des verkauften Eigentums ist, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Diese Regelungen stellen zwar dadurch, dass sie Personen, die sich in diesem Mitgliedstaat niederlassen wollen und deshalb eine Immobilie kaufen, hinsichtlich der Grundverkehrssteuer gegenüber Personen, die innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats umziehen, benachteiligen, indem sie Ersteren die in Rede stehende Steuervergünstigung beim Kauf einer Immobilie verwehren, eine Beschränkung der in den Art. 39 EG und 43 EG verankerten Verkehrsfreiheiten der Personen dar. In Bezug auf Art. 18 EG kann der Umstand, dass Personen, die aus Gründen, die nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, innerhalb der Union umziehen, von der Minderung der Bemessungsgrundlage ausgeschlossen sind, in bestimmten Fällen geeignet sein, diese Personen von der Ausübung der durch diesen Artikel garantierten Grundfreiheiten abzuhalten.
Diese Ungleichbehandlung betrifft außerdem objektiv vergleichbare Situationen, da hinsichtlich der streitigen Steuer der einzige Unterschied zwischen der Situation nicht in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässiger Personen, einschließlich der Inländer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit in der Union Gebrauch gemacht haben, und der Situation in diesem ersten Mitgliedstaat ansässiger Personen, gleichgültig, ob sie Inländer oder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, die im ersten Mitgliedstaat einen neuen Hauptwohnsitz erwerben, im Ort ihres früheren Hauptwohnsitzes besteht. Denn in beiden Situationen haben diese Personen eine Immobilie im ersten Mitgliedstaat erworben, um sich dort niederzulassen, und beim Erwerb ihres früheren Hauptwohnsitzes haben die einen in dem Staat, in dem sich diese Wohnung befand, eine Steuer gleicher Art gezahlt wie die streitige Steuer, während die anderen die betreffende Steuer im ersten Mitgliedstaat entrichtet haben.
Diese Beschränkung kann aber mit der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt werden. Liegt die verkaufte Immobilie nämlich in einem anderen Mitgliedstaat, steht dem ersten Mitgliedstaat kein Recht zur Besteuerung der Transaktion zu, die die Person, die beschlossen hat, in dem ersten Mitgliedstaat eine zu ihrem Hauptwohnsitz bestimmte Immobilie zu erwerben, in dem anderen Mitgliedstaat durchgeführt hatte. Unter diesen Umständen folgt die Ausgestaltung des fraglichen Steuervorteils dahin, dass beim Erwerb einer solchen Immobilie diesen Steuervorteil nur Personen erhalten können, die die streitige Steuer anlässlich des Kaufs einer ähnlichen Immobilie bereits gezahlt haben, einer spiegelbildlichen Logik. Wenn nämlich Steuerpflichtige, die nicht zuvor aufgrund der streitigen Steuerregelung diese Steuer entrichtet haben, den betreffenden Steuervorteil erhielten, zögen sie einen ungerechtfertigten Vorteil aus einer Besteuerung, der ihr früherer Erwerb außerhalb des ersten Mitgliedstaats nicht unterworfen war. Folglich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem gewährten Steuervorteil und der anfänglichen Belastung. Denn zum einen beziehen sich der genannte Vorteil und die steuerliche Belastung auf dieselbe Person, und zum anderen fügen sie sich in den Rahmen derselben Besteuerung ein.
Diese Beschränkung ist ferner für die Erreichung des verfolgten Ziels geeignet, da sie symmetrisch vorgeht, indem nur der Unterschied zwischen dem Wert der im betreffenden Mitgliedstaat belegenen verkauften Immobilie und dem Wert der erworbenen Immobilie im Rahmen der fraglichen Steuerregelung berücksichtigt werden darf. Die genannte Beschränkung ist in Bezug auf das angestrebte Ziel auch verhältnismäßig. Denn zum einen besteht das Ziel der fraglichen Regelung insbesondere darin, beim Kauf einer zweiten, als Hauptwohnsitz vorgesehenen Immobilie in dem betreffenden Mitgliedstaat die doppelte Besteuerung des Kapitals zu vermeiden, das in den Kauf der früheren, inzwischen weiterverkauften Wohnung investiert wurde. Zum anderen steht dem betreffenden Mitgliedstaat kein Recht zur Besteuerung von in anderen Mitgliedstaaten abgewickelten Immobiliengeschäften zu. Unter diesen Umständen liefe die Berücksichtigung solcher Geschäfte zum Zweck der Minderung der Bemessungsgrundlage für die fragliche Steuer darauf hinaus, diese Geschäfte so zu behandeln, als wären sie bereits der streitigen Steuer unterworfen worden, obwohl dies nicht der Fall ist. Diese Situation widerspräche offensichtlich dem erwähnten Ziel, eine doppelte Besteuerung im nationalen Steuersystem zu vermeiden.
Da die Bestimmungen der Art. 28 und 31 des EWR‑Abkommens, die Beschränkungen der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit untersagen, dieselbe rechtliche Tragweite haben wie die im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 39 EG und 43 EG, stehen sie der fraglichen Regelung ebenfalls nicht entgegen.
(vgl. Randnrn. 58, 64, 68, 74-76, 80-82, 85, 87, 91)