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Document 62009CJ0052
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Rechtssache C-52/09
Konkurrensverket
gegen
TeliaSonera Sverige AB
(Vorabentscheidungsersuchen des Stockholms tingsrätt)
„Vorabentscheidungsersuchen — Art. 102 AEUV — Missbrauch einer beherrschenden Stellung — Preise eines Telekommunikationsunternehmens — ADSL-Vorleistungsprodukte — Breitbandanschlüsse für Endkunden — Beschneidung der Margen der Wettbewerber oder ‚Kosten-Preis-Schere‘“
Schlussanträge des Generalanwalts J. Mazák vom 2. September 2010 I - 538
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 17. Februar 2011 I - 564
Leitsätze des Urteils
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Begriff
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Begriff – Beurteilungskriterien
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Missbräuchliches Preisgebaren
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Verhaltensweisen mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Zugangsdienste zum Telefon-Festnetz im Wege eines asymmetrischen digitalen Teilnehmeranschlusses – Verhaltensweise mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Wirtschaftlich gerechtfertigte Preisgestaltung – Voraussetzungen
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Grad der Beherrschung des betreffenden Marktes – Keine Auswirkung
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Verhalten auf einem dem beherrschten Markt benachbarten Markt
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Beurteilung im Hinblick auf alte Kunden und potenzielle Kunden
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Anwendung von Preisen unter einem bestimmten Kostenniveau
(Art. 102 AEUV)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kosten-Preis-Schere – Märkte, die stark wachsen und auf denen eine neue Technologie zur Anwendung gelangt, die hohe Investitionen erfordert
(Art. 102 AEUV)
Die Preispolitik eines vertikal integrierten Unternehmens in beherrschender Stellung auf dem Markt für Vorleistungen für den asymmetrischen digitalen Teilnehmeranschluss, bei der die Differenz zwischen den auf diesem Markt praktizierten Preisen und den auf dem Endkundenmarkt für Breitbanddienste verlangten Preisen nicht ausreicht, um die spezifischen Kosten zu decken, die das Unternehmen für den Zugang zum letztgenannten Markt aufwenden muss, kann ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV sein, sofern es keine objektive Rechtfertigung dafür gibt. Im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer derartigen Politik sind jeweils sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
(vgl. Randnrn. 112, 113 und Tenor)
Ein Unternehmen missbraucht seine beherrschende Stellung auch dann, wenn es eine Preispolitik verfolgt, durch die Unternehmen vom Markt verdrängt werden sollen, die vielleicht ebenso leistungsfähig sind wie dieses Unternehmen, wegen ihrer geringeren Finanzkraft jedoch nicht dem auf sie ausgeübten Konkurrenzdruck standhalten können. Zur Beurteilung der Zulässigkeit der von einem beherrschenden Unternehmen angewandten Preispolitik ist grundsätzlich auf Preiskriterien abzustellen, die sich auf die dem beherrschenden Unternehmen entstandenen Kosten und seine Strategie stützen.
Im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, sind grundsätzlich in erster Linie die Preise und Kosten des betreffenden Unternehmens auf dem Endkundenmarkt zu berücksichtigen.
Anhand dieser Prüfungskriterien kann festgestellt werden, ob das Unternehmen effizient genug gewesen wäre, um seine Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn es vorher seine eigenen Vorleistungspreise für die Vorleistungen hätte zahlen müssen. Falls es dem beherrschenden Unternehmen nicht möglich gewesen wäre, seine Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, würde dies bedeuten, dass Wettbewerber, die durch seine Preispolitik vom Markt hätten verdrängt werden können, nicht weniger effizient waren als das beherrschende Unternehmen und damit die Gefahr ihrer Verdrängung auf eine Wettbewerbsverzerrung zurückzuführen war. Ein derartiger Wettbewerb würde nämlich nicht allein auf den jeweiligen Leistungen der betreffenden Unternehmen beruhen. Ein solcher Ansatz ist umso mehr gerechtfertigt, als er mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang steht, da die Berücksichtigung der Kosten und Preise des beherrschenden Unternehmens es diesem erlaubt, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens im Hinblick auf die besondere Verantwortung zu beurteilen, die ihm nach Art. 102 AEUV obliegt. Denn ein marktbeherrschendes Unternehmen kennt zwar seine eigenen Kosten und Entgelte, aber grundsätzlich nicht die seiner Wettbewerber.
Nur wenn in Anbetracht der Umstände eine Bezugnahme auf die genannten Preise und Kosten nicht möglich ist, ist nicht auszuschließen, dass die Preise und Kosten der Wettbewerber auf dem Endkundenmarkt für die Prüfung der Preispolitik des beherrschenden Unternehmens relevant sind.
Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Kostenstruktur des beherrschenden Unternehmens aus objektiven Gründen nicht klar erkennbar ist oder wenn die den Wettbewerbern erbrachte Leistung lediglich darin besteht, eine Infrastruktur zu nutzen, deren Herstellungskosten sich bereits amortisiert haben, so dass der Zugang zu dieser Infrastruktur für das beherrschende Unternehmen nicht mehr mit Kosten verbunden ist, die mit den Kosten ihrer Wettbewerber für diesen Zugang wirtschaftlich vergleichbar sind, oder wenn die besonderen Wettbewerbsbedingungen des Marktes es erfordern, weil z. B. die Höhe der Kosten des beherrschenden Unternehmens speziell auf den Wettbewerbsvorteil zurückzuführen ist, den die beherrschende Stellung diesem Unternehmen beschert.
(vgl. Randnrn. 40-46 und Tenor)
Art. 102 AEUV gilt nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die die Unternehmen von sich aus an den Tag legen. Wird den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bilden diese einen rechtlichen Rahmen, der jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten der Unternehmen ausschließt, so ist Art. 102 AEUV nicht anwendbar. In einem solchen Fall findet die Wettbewerbsbeschränkung nicht, wie diese Vorschrift voraussetzt, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache. Dagegen ist Art. 102 AEUV anwendbar, wenn sich herausstellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann.
Da es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen in beherrschender Stellung auf dem Markt für Vorleistungen für den asymmetrischen digitalen Teilnehmeranschluss handelt, spielt die Tatsache, dass es für dieses Unternehmen keine aus einer Regulierungsvorschrift resultierende Verpflichtung gibt, derartige Leistungen konkurrierenden Betreibern zu erbringen, für die Frage der Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die zur Beschneidung der Margen seiner zumindest ebenso effizienten Wettbewerber führt, keine Rolle.
Verfügt nämlich ein vertikal integriertes beherrschendes Unternehmen über einen Handlungsspielraum – und sei es nur zur Änderung seiner Endkundenentgelte –, so kann ihm die Beschneidung der Margen allein aus diesem Grund zugerechnet werden. Wenn es sein Marktverhalten völlig eigenständig bestimmen kann, gilt Art. 102 AEUV für es umso mehr. Die einem beherrschenden Unternehmen obliegende besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt, bezieht sich gerade auf Verhaltensweisen in Form eines Handelns oder Unterlassens, zu dem sich das Unternehmen von sich aus entschlossen hat.
(vgl. Randnrn. 49-53, 59 und Tenor)
Die Preisgestaltung eines beherrschenden Unternehmens stellt einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV dar, wenn sie für zumindest ebenso effiziente Wettbewerber wie das Unternehmen aufgrund der durch die Beschneidung ihrer Margen entfalteten Verdrängungswirkung geeignet ist, diesen Wettbewerbern den Zugang zum Markt zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Demzufolge setzt die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer derartigen Praxis den Nachweis voraus, dass sie eine wettbewerbswidrige Wirkung auf dem Markt hat, wenn auch nicht unbedingt im konkreten Fall, denn es genügt der Nachweis einer potenziellen wettbewerbswidrigen Wirkung, durch die zumindest ebenso effiziente Wettbewerber wie das beherrschende Unternehmen verdrängt werden könnten.
Wenn nämlich ein beherrschendes Unternehmen tatsächlich eine Preispolitik verfolgt, die zu einer Beschneidung der Margen seiner zumindest ebenso effizienten Wettbewerber führt und deren Verdrängung vom betroffenen Markt bezweckt, kann der Umstand, dass das angestrebte Ziel, d. h. die Verdrängung dieser Wettbewerber, letztlich nicht erreicht wird, einer Einstufung als Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV nicht entgegenstehen. Jedoch kann eine Preispolitik, die sich nicht auf die Wettbewerbssituation der Wettbewerber auswirkt, nicht als Verdrängungspraxis eingestuft werden, wenn deren Eindringen in den betroffenen Markt durch sie nicht erschwert wird.
(vgl. Randnrn. 63-66)
Um zu prüfen, ob die Preispolitik eines marktbeherrschenden Unternehmens, die zu einer Beschneidung der Margen seiner zumindest ebenso effizienten Wettbewerber führt, diese Wettbewerber an der Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem Endkundenmarkt für Breitbanddienste behindern konnte, ist allen besonderen Umständen des Falles Rechnung zu tragen.
Insbesondere ist erstens der funktionelle Zusammenhang zwischen Vorleistungs- und Endkundenprodukten zu prüfen. Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Margenbeschneidung könnte sich sodann die Frage nach der Unentbehrlichkeit des Vorleistungsprodukts stellen. Ist nämlich der Zugang zum Vorleistungsprodukt für den Verkauf des Endkundenprodukts unentbehrlich, sind Wettbewerber, die zumindest ebenso effizient wie das den vorgelagerten Markt beherrschende Unternehmen sind und auf dem Endkundenmarkt nur mit Verlust oder jedenfalls nur mit eingeschränkter Rentabilität operieren können, auf diesem Markt benachteiligt, was ihren Zugang zu diesem Markt oder die Entwicklung ihrer Tätigkeiten auf diesem Markt verhindern oder beschränken könnte. In einem solchen Fall hat wahrscheinlich eine Margenbeschneidung – zumindest potenziell – eine wettbewerbswidrige Wirkung. Angesichts der beherrschenden Stellung des betroffenen Unternehmens auf dem Markt kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass allein aufgrund der Tatsache, dass das Vorleistungsprodukt für die Lieferung des Endkundenprodukts nicht unentbehrlich ist, eine auf eine Margenbeschneidung hinauslaufende Preispolitik keine wettbewerbswidrige Wirkung – auch nicht potenziell – hat. Es ist daher zu prüfen, ob die Preispolitik auf den betroffenen Märkten selbst dann wettbewerbswidrige Wirkungen entfalten kann, wenn das Vorleistungsprodukt nicht unentbehrlich ist.
Zweitens ist zu prüfen, in welchem Umfang die Margen der Wettbewerber, die zumindest ebenso effizient wie das beherrschende Unternehmen sind, beschnitten werden. Bei einer negativen Differenz, d. h., wenn die Vorleistungen für den asymmetrischen digitalen Teilnehmeranschluss höher als die Endkundenpreise sind, ist nämlich eine etwaige Verdrängungswirkung wahrscheinlich, weil die Wettbewerber des beherrschenden Unternehmens dann – selbst wenn sie genauso effizient oder gar noch effizienter als dieses sind – gezwungen wären, mit Verlust zu verkaufen. Bei einer positiven Differenz wäre dagegen nachzuweisen, dass diese Preispolitik den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern die Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem betreffenden Markt, z. B. aufgrund einer geringeren Rentabilität, zumindest erschweren konnte.
(vgl. Randnrn. 67-74 und Tenor)
Die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, setzt den Nachweis voraus, dass diese Politik insbesondere in Anbetracht der Unentbehrlichkeit des Vorleistungsprodukts – zumindest potenziell – eine wettbewerbswidrige Wirkung auf den Endkundenmarkt hat, ohne dass es eine wirtschaftliche Rechtfertigung hierfür gibt.
Es steht nämlich einem Unternehmen der Nachweis frei, dass seine Preispolitik trotz Verdrängungswirkung wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Ob die Preispolitik eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die eine Verdrängung bewirken kann, wirtschaftlich gerechtfertigt ist, ist anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist zu ermitteln, ob die Nachteile der Verdrängungswirkung einer solchen Preispolitik für den Wettbewerb durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden können, die auch dem Verbraucher zugutekommen. Steht die Verdrängungswirkung dieser Politik in keinem Zusammenhang mit Vorteilen für den Markt und die Verbraucher oder geht sie über dasjenige hinaus, was zur Erreichung solcher Vorteile erforderlich ist, so ist diese Politik als missbräuchlich anzusehen.
(vgl. Randnrn. 75-77 und Tenor)
Eine Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung eines Unternehmens hinausläuft, kann ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sein, wenn dieses Unternehmen eine solche Stellung innehat, wobei der Grad der Beherrschung des betreffenden Marktes insoweit grundsätzlich nicht von Bedeutung ist. Art. 102 AEUV sieht nämlich für den Begriff der beherrschenden Stellung weder eine Unterscheidung noch irgendeinen Grad vor. Besitzt daher ein Unternehmen eine wirtschaftliche Machtstellung, wie sie nach Art. 102 AEUV für die Feststellung erforderlich ist, dass es auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, so ist sein Verhalten nach dieser Vorschrift zu beurteilen. Der Grad der Marktmacht wirkt sich jedoch grundsätzlich eher auf die Tragweite der Auswirkungen des Verhaltens des fraglichen Unternehmens als auf das Vorliegen eines Missbrauchs als solchem aus.
(vgl. Randnrn. 80-82 und Tenor)
Die Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die von einem vertikal integrierten Unternehmen in beherrschender Stellung auf dem Markt für Vorleistungen für den asymmetrischen digitalen Teilnehmeranschluss eingeführt worden ist und auf eine Beschneidung der Margen seiner Wettbewerber auf dem Endkundenmarkt für Breitbanddienste hinausläuft, hängt nicht davon ab, dass dieses Unternehmen auf dem letztgenannten Markt eine beherrschende Stellung besitzt.
Art. 102 AEUV enthält keinen ausdrücklichen Hinweis hinsichtlich der Erfordernisse im Zusammenhang mit der Lokalisierung des Missbrauchs auf den Produktmärkten. Der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Verantwortung, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt, ist daher anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln, die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen lassen.
Daraus folgt, dass bestimmte Verhaltensweisen auf anderen als den beherrschten Märkten, die sich entweder auf letztere oder auf Märkte auswirken, die ihrerseits nicht beherrscht werden, missbräuchlich sein können. Zwar setzt die Anwendung von Art. 102 AEUV einen Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und dem angeblich missbräuchlichen Verhalten voraus, der in der Regel nicht gegeben ist, wenn sich ein Verhalten auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt dort auswirkt. Handelt es sich jedoch um verschiedene, aber verbundene Märkte, so können besondere Umstände eine Anwendung von Art. 102 AEUV auf ein Verhalten rechtfertigen, das auf dem verbundenen, nicht beherrschten Markt festgestellt wurde und sich dort auswirkt.
Derartige Umstände können gegeben sein, wenn das Verhalten eines vertikal integrierten beherrschenden Unternehmens auf einem vorgelagerten Markt in dem Versuch besteht, die zumindest ebenso effizienten Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt zu verdrängen, insbesondere durch eine Beschneidung ihrer Margen. Ein derartiges Verhalten ist nämlich u. a. aufgrund der engen Verbindungen zwischen den betroffenen Märkten geeignet, den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt zu schwächen. Im Übrigen können derartige Verhaltensweisen in einer solchen Situation, wenn es keine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung für sie gibt, nur auf der Absicht des beherrschenden Unternehmens beruhen, die Entwicklung des Wettbewerbs auf dem nachgelagerten Markt zu behindern und seine eigene Stellung zu stärken oder gar auf ihm durch Einsatz anderer Mittel als der eigenen Leistungen eine beherrschende Stellung einzunehmen.
(vgl. Randnrn. 84-89 und Tenor)
Die Missbräuchlichkeit der Preispolitik eines beherrschenden Unternehmens, die auf eine Beschneidung der Margen der Wettbewerber, die zumindest ebenso effizient sind wie dieses, hinausläuft, ist darin zu sehen, dass eine solche Politik das normale Spiel der Wettbewerbskräfte auf einem Markt, der dem von dem Unternehmen beherrschten Markt benachbart ist, beeinträchtigen kann, da sie zu einer Verdrängung der Wettbewerber dieses Unternehmens auf dem letztgenannten Markt führen kann.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die betroffenen Betreiber alte oder neue Kunden des beherrschenden Unternehmens sind. Auch der Umstand, dass es sich um Neukunden handelt, die auf dem in Rede stehenden Markt noch nicht tätig sind, ist unerheblich. Die Missbräuchlichkeit einer Preispolitik ist nämlich nicht nur im Hinblick auf die Möglichkeit zu beurteilen, dass ebenso effiziente Betreiber, die auf dem betreffenden Markt bereits tätig sind, von diesem Markt durch diese Politik letztlich verdrängt werden, sondern auch im Hinblick auf die möglichen Hindernisse, die diese Preispolitik ebenso effizienten potenziellen Betreibern bereiten könnte, die auf dem Markt noch nicht vertreten sind.
(vgl. Randnrn. 91-94 und Tenor)
Für die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Preispolitik eines beherrschenden Unternehmens, die auf eine Beschneidung der Margen der Wettbewerber, die zumindest ebenso effizient sind wie dieses, hinausläuft, spielt es keine Rolle, ob das beherrschende Unternehmen etwaige, durch die fragliche Preispolitik entstandene Verluste ausgleichen kann.
Die Margenbeschneidung kann nämlich bereits für sich allein, wenn es keine objektive Rechtfertigung für sie gibt, einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen. Diese Margenbeschneidung resultiert aus der Differenz zwischen den Vorleistungs- und den Endkundenpreisen und nicht aus der Höhe dieser Preise als solchen. Vor allem kann diese Beschneidung nicht nur aus einem ungewöhnlich niedrigen Preis auf dem Endkundenmarkt, sondern auch aus einem ungewöhnlich hohen Preis auf der Vorleistungsebene resultieren. Ein Unternehmen, das eine Preispolitik betreibt, die auf eine Beschneidung der Margen seiner Wettbewerber hinausläuft, macht demzufolge nicht zwangsläufig Verluste.
Selbst wenn ein beherrschendes Unternehmen, um die Margen seiner Wettbewerber zu beschneiden, Verluste hinnähme, bedarf es jedenfalls für die Feststellung eines Missbrauchs nicht des Nachweises, dass diese etwaigen Verluste ausgeglichen werden können. Die Möglichkeit einer Verdrängung der Wettbewerber vom Markt hängt nämlich weder davon ab, ob das beherrschende Unternehmen Verluste macht, noch davon, ob es seine Verluste ausgleichen kann, sondern allein von der Differenz der vom beherrschenden Unternehmen auf den betreffenden Märkten verlangten Preise, die unter Umständen zu Verlusten nicht beim beherrschenden Unternehmen selbst, sondern bei seinen Wettbewerbern führen kann.
Was schließlich den Fall betrifft, dass das beherrschende Unternehmen auf dem Endkundenmarkt trotzdem so niedrige Preise verlangt, dass es beim Verkauf Verluste macht – abgesehen davon, dass ein derartiges Verhalten einen eigenen Missbrauchstatbestand erfüllen kann, der in der Anwendung von Preisen mit Verdrängungswirkung besteht –, so hat der Gerichtshof jedenfalls bereits ausgeschlossen, dass der Nachweis eines möglichen Ausgleichs der Verluste, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung durch die Anwendung von Preisen unter einem bestimmten Kostenniveau erleidet, eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Preispolitik ist.
(vgl. Randnrn. 97-103 und Tenor)
Für die Beurteilung, ob die Preispolitik eines beherrschenden Unternehmens, die auf eine Beschneidung der Margen der Wettbewerber hinausläuft, die zumindest ebenso effizient sind wie dieses, einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt, spielt die Tatsache, dass die betroffenen Märkte, auf denen das genannte Unternehmen seine beherrschende Stellung ausnutzt, stark wachsen und auf ihnen eine neue Technologie zur Anwendung gelangt, die sehr hohe Investitionen erfordert, grundsätzlich keine Rolle.
Erstens unterscheidet Art. 102 AEUV nicht nach dem Grad der Entwicklung der Märkte, auf denen ein Unternehmen seine beherrschende Stellung ausnutzt.
Zweitens kann der Wettbewerbsvorteil, der sich auf einem in starkem Wachstum begriffenen Markt aus einer beherrschenden Stellung auf einem zweiten, benachbarten Markt ergibt, den Wettbewerb auf dem ersten Markt verfälschen, weil die Betreiber auf dem ersten Markt zeitweise gezwungen sein können, unter Verlust oder mit eingeschränkter Rentabilität zu operieren. Gerade unter solchen Umständen kann die weitere Einschränkung der Rentabilität der Tätigkeit eines Betreibers durch die mit der fraglichen Preispolitik bewirkte Beschneidung seiner Margen verhindern, dass sich auf dem betroffenen Markt normale Wettbewerbsbedingungen bilden oder entwickeln.
Drittens kann die Anwendung der Wettbewerbsregeln angesichts ihres Zwecks nicht davon abhängen, ob der in Rede stehende Markt bereits eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht hat. Ganz besonders bei einem in starkem Wachstum begriffenen Markt gebietet Art. 102 AEUV nämlich, so früh wie möglich einzugreifen, um zu verhindern, dass sich auf diesem Markt oder auf einem mit diesem eng verbundenen, benachbarten Markt durch die missbräuchliche Strategie eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf diesem Markt eine verzerrte Struktur bildet und verfestigt, d. h. also einzugreifen, bevor sich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Strategie entfalten.
Das gilt erst recht im Rahmen eines Marktes wie dem für Leistungen für den Breitband-Internetzugang, der mit einem anderen Markt wie dem des Zugangs zum Teilnehmeranschluss im Telekommunikationssektor eng zusammenhängt. Der Letztgenannte ist nämlich nicht nur kein neu entstandener Markt, sondern seine Wettbewerbsstruktur wird auch noch immer stark von der ehemaligen Monopolstruktur bestimmt. Angesichts der Möglichkeit der Unternehmen, durch die Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf dem letztgenannten Markt die Entwicklung des Wettbewerbs auf einem stark im Wachstum begriffenen benachbarten Markt zu behindern, ist es daher notwendig, keine Ausnahmen von der Anwendung des Art. 102 AEUV zuzulassen.
Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann sich zwar nicht auf die Investitionen berufen, die es zur Durchdringung eines benachbarten Marktes bei dem Versuch, seine ebenso effizienten, gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerber dort zu verdrängen, getätigt hat, doch sind gleichwohl bei der Prüfung der Kosten dieses Unternehmens, die vorgenommen werden muss, um festzustellen, ob eine Beschneidung der Margen vorliegt, die Wettbewerbsbedingungen des beherrschten Marktes und insbesondere die Gründungs- und Investitionskosten des diesen Markt beherrschenden Unternehmens zu berücksichtigen.
(vgl. Randnrn. 105-111 und Tenor)