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Document 62008TJ0140

Leitsätze des Urteils

Rechtssache T-140/08

Ferrero SpA

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke — Nichtigkeitsverfahren — Gemeinschaftsbildmarke TiMi KiNDERJOGHURT — Ältere Wortmarke KINDER — Relatives Eintragungshindernis — Keine Ähnlichkeit der Zeichen — Vorheriges Widerspruchsverfahren — Keine Rechtskraft — Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 sowie Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 sowie Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 14. Oktober 2009   II ‐ 3945

Leitsätze des Urteils

  1. Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Antrag auf Nichtigerklärung – Verhältnis zwischen einer Endentscheidung über einen Widerspruch und einem Antrag auf Nichtigerklärung – Rechtskraft – Umfang

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 52 Abs. 4 und 96 Abs. 2)

  2. Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nichtähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 5)

  3. Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 5 und 52 Abs. 1 Buchst. a)

  1.  Der Grundsatz der Rechtskraft, nach dem der endgültige Charakter einer gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage gestellt werden darf, findet auf das Verhältnis zwischen einer Endentscheidung über einen Widerspruch und einem Antrag auf Nichtigerklärung insbesondere deshalb keine Anwendung, weil die Verfahren vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) Verwaltungsverfahren und keine gerichtlichen Verfahren sind und weil die einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, nämlich Art. 52 Abs. 4 und Art. 96 Abs. 2, nichts in diesem Sinne vorsehen.

    Zwar dürfen die in der Endentscheidung über einen Widerspruch getroffenen Feststellungen bei der Entscheidung über einen Antrag auf Nichtigerklärung im Verhältnis zwischen denselben Beteiligten, mit gleichem Gegenstand und mit gleicher Begründung nicht völlig unbeachtet bleiben, sofern diese Feststellungen oder entschiedenen Punkte nicht durch neue Tatsachen, Beweismittel oder Gründe berührt werden. Diese Erwägung ist nämlich nur ein spezieller Ausdruck der Rechtsprechung, nach der die frühere Entscheidungspraxis des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) einen Umstand darstellt, der bei der Beurteilung, ob ein Zeichen eingetragen werden kann, berücksichtigt werden kann.

    Hingegen sind die Stellen des Amtes in einem Nichtigkeitsverfahren nicht aufgrund der Regel nemo potest venire contra factum proprium, des Schutzes erworbener Rechte oder der Grundsätze der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes an die Feststellungen gebunden, die in der das Widerspruchsverfahren abschließenden Entscheidung getroffen wurden. Zum einen nämlich kann die im Widerspruchsverfahren ergangene, selbst die dieses Verfahren abschließende Entscheidung, da sie keine Rechtskraft besitzt, weder erworbene Rechte noch Vertrauensschutz hinsichtlich des Ausgangs eines späteren Nichtigkeitsverfahrens begründen. Zum anderen würde andernfalls dem Vorgehen gegen eine eingetragene Gemeinschaftsmarke, die Gegenstand einer Entscheidung über einen Widerspruch war, mittels eines Antrags auf Nichtigerklärung im Verhältnis zwischen denselben Beteiligten, mit gleichem Gegenstand und mit gleicher Begründung jede praktische Wirksamkeit genommen, obgleich dieses Vorgehen nach der Verordnung Nr. 40/94 möglich ist.

    (vgl. Randnrn. 34-36)

  2.  Für die Erfüllung der die Ähnlichkeit der Marken betreffenden Voraussetzung gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, der einen auf nichtähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterten Schutz der bekannten eingetragenen älteren Marke vorsieht, ist nicht der Nachweis erforderlich, dass für die betroffenen Verkehrskreise zwischen der bekannten älteren Marke und der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr besteht. Es genügt, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise die Marken gedanklich miteinander verknüpfen. Ob eine solche gedankliche Verknüpfung besteht, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen. Beim Vergleich der Zeichen ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken nach Bild, Klang oder Bedeutung auf den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente der Marken zu berücksichtigen sind.

    (vgl. Randnr. 54)

  3.  Die für „Joghurt, Fruchtjoghurt, Joghurtgetränke, Früchte enthaltende Joghurtgetränke; vorwiegend auf Joghurt bzw. auf Joghurtprodukten basierende halbfertige und fertige Speisen; Joghurt-Cremen“ in Klasse 29 des Nizzaer Abkommens eingetragene Gemeinschaftsbildmarke TiMi KiNDERJOGHURT kann nicht mit der Begründung, es liege im Verhältnis zu der in Italien eingetragenen älteren Wortmarke KINDER für Waren der Klasse 30 des Nizzaer Abkommens ein relatives Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke vor, gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung für nichtig erklärt werden. Diese beiden Marken sind nämlich einander nicht ähnlich.

    So bildet erstens das Element „kinder“ eine Einheit mit dem Element „Joghurt“, was diesen Elementen eine eigenständige, spezifische Existenz nimmt. Die Elemente „kinder“ und „Joghurt“ haben nämlich nicht nur den gleichen visuellen Stellenwert, sondern die stilisierten Unregelmäßigkeiten der tanzenden und gewellten Schriftart des Elements „Kinderjoghurt“ machen dieses zu einer harmonischen Einheit, in der die beiden dieses Element bildenden Teile kaum noch wahrnehmbar sind. Diese Besonderheiten zeigen, dass das Element „kinder“ nicht einfach nur mit dem Element „Joghurt“ verbunden ist. Zudem ähnelt die angegriffene Marke wegen des in ihr verwendeten stilisierten Schriftbilds visuell nicht der älteren Wortmarke, die dem Antrag auf Nichtigerklärung zugrunde liegt und die in klassischem Schriftbild gehalten ist.

    Zweitens ist festzustellen, dass das Element „kinder“ in der angegriffenen Marke lediglich Teil des Elements „Kinderjoghurt“ ist, das im Verhältnis zu dem Bestandteil „Timi“ nur eine sekundäre Bedeutung hat.

    Drittens ist das Element „kinder“ im Gegensatz zu seiner Position in der älteren Wortmarke, auf die der Antrag auf Nichtigerklärung gestützt wird, in der angegriffenen Marke zwischen zwei anderen Elementen platziert, nämlich zum einem dem Element „Timi“ und zum anderen dem Element „Joghurt“. Dieser Unterschied mindert nicht nur beträchtlich die klangliche Ähnlichkeit, die zwischen den beiden Zeichen wegen des ihnen gemeinsamen Elements bestehen könnte, sondern auch eine etwaige visuelle Ähnlichkeit, die sich aus diesem gemeinsamen Element ergeben könnte. Daher ist das Element „kinder“ im von der fraglichen Marke hervorgerufenen Gesamteindruck ein zu vernachlässigender Bestandteil.

    (vgl. Randnrn. 56-58)

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