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Document 62008CJ0384

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Frage bezüglich eines Rechtsstreits, der nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist

    (Art. 267 AEUV)

    2. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Bestimmungen des Vertrags – Geltungsbereich

    (Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG)

    3. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Beschränkungen

    (Art. 43 EG und 48 EG)

    Leitsätze

    1. Weist im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens der Rechtsstreit, der beim nationalen Gericht anhängig ist, unter keinem Gesichtspunkt über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinaus, kann der Gerichtshof dafür zuständig sein, dem nationalen Gericht eine Antwort zu geben, wenn sich in Bezug auf eine Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, nicht ausschließen lässt, dass Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, Interesse daran hatten oder hätten, in diesem letzteren Mitgliedstaat Kraftstoffe zu vertreiben.

    (vgl. Randnrn. 22-24)

    2. Eine nationale Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, ist allein im Licht der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit zu prüfen. Da nämlich die Errichtung von Straßentankstellenanlagen durch juristische Personen im Sinne des Art. 48 EG zwangsläufig deren Zugang zum Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zum Zweck einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben dieses Mitgliedstaats insbesondere durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften voraussetzt, sind die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr, die nur Anwendung finden können, wenn diejenigen über die Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar sind, nicht einschlägig. Falls diese Regelung ferner Auswirkungen auf den freien Kapitalverkehr haben sollte, wären solche Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten daher keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 56 EG.

    (vgl. Randnrn. 39-41)

    3. Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG ist dahin auszulegen, dass eine innerstaatliche Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt und nur für die Errichtung neuer Anlagen gilt, eine Beschränkung der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellt. Diese Beschränkung erscheint nicht als durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes gerechtfertigt, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

    Eine solche Regelung, die nur auf neue Anlagen anwendbar ist und nicht auf bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestehende Anlagen, macht nämlich den Zugang zur Tätigkeit des Kraftstoffvertriebs von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Da sie die Marktteilnehmer begünstigt, die bereits im Inland ansässig sind, ist sie geeignet, Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten vom Zugang zum nationalen Markt abzuschrecken oder ihren Marktzugang sogar zu verhindern, und stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 43 EG dar.

    Diese Beschränkung scheint – vorbehaltlich der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Prüfung – nicht durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- oder Umweltschutzes gerechtfertigt werden zu können, weil sie dem Anliegen, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, wohl tatsächlich nicht gerecht wird und daher nicht als geeignet erscheint, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist.

    Was die Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes anbelangt, können rein wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten. Zudem ist, selbst wenn man annähme, dass dieses Ziel als eines des Verbraucherschutzes einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und kein rein wirtschaftliches Motiv darstellte, schwerlich ersichtlich, inwiefern diese Regelung geeignet sein kann, die Verbraucher zu schützen oder ihnen Vorteile zu verschaffen. Eine solche Regelung scheint vielmehr, indem sie den Marktzugang neuer Wirtschaftsteilnehmer behindert, eher die Position der bereits im Inland ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zu stärken, ohne dass die Verbraucher echte Vorteile davon hätten. Jedenfalls scheint diese Regelung über das hinauszugehen, was zur Erreichung eines etwaigen Ziels des Verbraucherschutzes erforderlich ist, worüber das nationale Gericht zu befinden hat.

    (vgl. Randnrn. 45, 51-52, 55-57 und Tenor)

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