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Document 62008CJ0303

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Völkerrechtliche Verträge – Assoziierungsabkommen EWG–Türkei – Durch das Assoziierungsabkommen EWG–Türkei geschaffener Assoziationsrat – Beschluss Nr. 1/80 – Familienzusammenführung

    (Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen EWG–Türkei, Art. 59; Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG–Türkei, Art. 7 Abs. 1)

    2. Völkerrechtliche Verträge – Assoziierungsabkommen EWG–Türkei – Durch das Assoziierungsabkommen EWG–Türkei geschaffener Assoziationsrat – Beschluss Nr. 1/80 – Familienzusammenführung

    (Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG–Türkei, Art. 7 Abs. 1 und 14 Abs. 1)

    Leitsätze

    1. Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG–Türkei ist dahin auszulegen, dass ein türkischer Staatsangehöriger, der als Familienangehöriger einer dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmerin und aufgrund dessen, dass er fünf Jahre lang ununterbrochen bei ihr seinen Wohnsitz hatte, die mit der Rechtsstellung des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 verbundenen Rechte hat, diese nicht aufgrund der nach ihrem Erwerb ausgesprochenen Scheidung verliert.

    Rechte, die ein türkischer Staatsangehöriger nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 rechtmäßig erworben hat, sind nämlich vom Fortbestehen der Voraussetzungen für ihre Entstehung unabhängig, so dass der Familienangehörige, der bereits Rechte nach diesem Beschluss innehat, seine Stellung im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise festigen und sich dort dauerhaft integrieren kann, indem er ein von der Person, von der er diese Rechte ableitete, unabhängiges Leben führt.

    Diese Auslegung von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist nicht mit den Anforderungen des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG–Türkei unvereinbar, da angesichts der erheblichen Unterschiede in der jeweiligen Rechtsstellung die Situation eines Familienangehörigen eines türkischen Wanderarbeitnehmers nicht mit der eines Familienangehörigen eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu vergleichen ist.

    (vgl. Randnrn. 40, 45-46, Tenor 1)

    2. Die Berufung eines türkischen Staatsangehörigen auf ein nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG–Türkei rechtmäßig erworbenes Recht ist nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn der Betroffene, nachdem er dieses Recht von seiner früheren Ehefrau abgeleitet hat, gegen diese eine schwere Straftat begangen hat, für die er strafrechtlich verurteilt wurde.

    Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 steht jedoch der Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen, der strafrechtlich verurteilt wurde, nicht entgegen, sofern dessen persönliches Verhalten eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es ist Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob das der Fall ist. Dieses hat außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Grundrechte des Betroffenen zu wahren. Insbesondere kann eine auf Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 gestützte Ausweisung nur dann beschlossen werden, wenn das individuelle Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet.

    (vgl. Randnrn. 60-61, Tenor 2)

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