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Документ 62007TJ0019

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Schadensersatzklage – Gegenstand – Klage auf Schadensersatz gemäß Art. 288 Abs. 2 EG gegen die Union – Ausschließliche Zuständigkeit des Unionsrichters – Beurteilung des vertraglichen oder außervertraglichen Charakters der ausgelösten Haftung – Kriterien

(Art. 235 EG, 238 EG, 240 EG und 288 Abs. 2 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 113)

2. Schadensersatzklage – Gegenstand – Ersatz der Schäden, die aufgrund eines Verstoßes der Kommission gegen ihre Pflicht zum Schutz der Vertraulichkeit von Know-how entstanden sein sollen – Außervertragliche Grundlage – Zuständigkeit des Unionsrichters

(Art. 235 EG, 287 EG und 288 Abs. 2 EG; Charta der Grundrechte, Art. 41)

3. Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1 und 53 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44, § 1 Buchst. c)

4. Schadensersatzklage – Zuständigkeit des Unionsrichters – Zuständigkeit, sich zum Vorwurf einer Verletzung des Urheberrechts durch die Kommission zu äußern – Voraussetzungen

(Art. 235 EG und 288 Abs. 2 EG)

5. Schadensersatzklage – Zuständigkeit des Unionsrichters – Verurteilung der Union zum Ersatz eines Schadens nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Bereich der außervertraglichen Haftung gemeinsam sind

(Art. 235 EG und 288 Abs. 2 EG)

6. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Tatsächlicher und sicherer Schaden – Kausalzusammenhang

(Art. 288 Abs. 2 EG)

7. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 91/250 – Rechtsschutz von Computerprogrammen – Zustimmungsbedürftige Handlungen – Ausnahmen – Umfang

(Richtlinie 91/250 des Rates, Art. 4 und 5)

8. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht

(Art. 288 Abs. 2 EG)

Leitsätze

1. Im Bereich der vertraglichen Haftung ist der Unionsrichter nur bei Vorliegen einer Schiedsklausel im Sinne von Art. 238 EG zuständig. Fehlt eine solche Klausel, kann das Gericht aufgrund von Art. 235 EG nicht über eine Klage entscheiden, die in Wirklichkeit auf Schadensersatz aus Vertrag gerichtet ist. Andernfalls würde es seine Zuständigkeit über die Rechtsstreitigkeiten hinaus ausdehnen, deren Entscheidung ihm durch Art. 240 EG abschließend vorbehalten ist, da diese Bestimmung gerade den einzelstaatlichen Gerichten die allgemeine Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitsachen überträgt, in denen die Union Partei ist. Die Zuständigkeit des Unionsrichters für vertragliche Rechtsstreitigkeiten stellt eine Abweichung vom allgemeinen Recht dar und ist daher eng auszulegen, so dass das Gericht nur über Forderungen entscheiden kann, die auf den Vertrag gestützt werden oder die in unmittelbarem Zusammenhang mit den sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen stehen.

Im Bereich der außervertraglichen Haftung ist dagegen der Unionsrichter zuständig, ohne dass es einer vorherigen Zustimmung der Parteien des Rechtsstreits bedarf. Um seine Zuständigkeit nach Art. 235 EG festzustellen, hat das Gericht anhand des relevanten Akteninhalts zu prüfen, ob dem vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch objektiv und umfassend vertragliche oder außervertragliche Pflichten zugrunde liegen, die für die vertragliche oder die außervertragliche Grundlage des Rechtsstreits kennzeichnend sind. Die relevanten Gesichtspunkte können sich insbesondere aus der Prüfung des Parteivorbringens, aus der Ursache des geltend gemachten Schadens und aus dem Inhalt der vertraglichen oder der außervertraglichen Bestimmungen ergeben, die zur Beurteilung der streitigen Frage angeführt werden. Wird das Gericht im Bereich der außervertraglichen Haftung tätig, kann es daher sehr wohl den Inhalt eines Vertrags prüfen – wie bei jedem Dokument, auf das sich eine Partei zur Stützung ihres Vorbringens beruft –, um festzustellen, ob dieser Vertrag geeignet ist, die ihm durch Art. 235 EG ausdrücklich zugewiesene sachliche Zuständigkeit in Frage zu stellen. Diese Prüfung gehört zur Würdigung der Tatsachen, die vorgebracht werden, um die Zuständigkeit des Gerichts darzutun, die eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung im Sinne von Art. 113 der Verfahrensordnung ist.

(vgl. Randnrn. 58-62)

2. Der Grundsatz, nach dem die Unternehmen Anspruch auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse haben und der in Art. 287 EG seinen Ausdruck findet, ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. Auch Art. 41 der Charta der Grundrechte spricht von der Verpflichtung der Verwaltung zur Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses.

Die Geschäftsgeheimnisse schließen die technischen Informationen bezüglich des Know-how ein, durch deren Preisgabe die Interessen des Auskunftgebers nicht nur dann, wenn sie an die Öffentlichkeit erfolgt, sondern auch bei bloßer Weitergabe an einen Dritten schwer beeinträchtigt werden können. Informationen fallen ihrem Wesen nach zunächst nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 287 EG, wenn sie nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind. Ferner muss es sich um Informationen handeln, durch deren Offenlegung dem Auskunftgeber oder Dritten ein ernsthafter Nachteil entstehen kann. Schließlich ist erforderlich, dass die Interessen, die durch die Offenlegung der Information verletzt werden können, objektiv schützenswert sind.

Geht es in einem gegebenen Fall um die Beurteilung des angeblich pflichtwidrigen und schädigenden Charakters der Weitergabe von Informationen, die aufgrund eines Eigentumsrechts oder als Know-how geschützt sind, durch die Kommission an Dritte ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Inhabers des Eigentumsrechts oder des Know-how anhand der insoweit geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, nicht aber anhand von Vertragsbestimmungen in Verträgen, die in der Vergangenheit in Bezug auf Fragen geschlossen wurden, die nicht das Urheberrecht und das Know-how des Klägers betreffen, ist der Rechtsstreit außervertraglicher Natur.

(vgl. Randnrn. 79-80, 103)

3. Die Klageschrift muss den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Unionsrichter die Ausübung der richterlichen Kontrolle zu ermöglichen. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Um diesen Anforderungen zu genügen, muss eine Klageschrift, die auf Ersatz von durch ein Organ verursachten Schäden gerichtet ist, die Angaben enthalten, anhand deren sich das dem Organ von der Klägerin vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt.

(vgl. Randnrn. 107-108)

4. Wenn im Rahmen einer Klage aus außervertraglicher Haftung der Begriff der Urheberrechtsverletzung in Verbindung mit dem des Schutzes der Vertraulichkeit des Know-how nur herangezogen wird, um das Verhalten der Kommission als rechtswidrig zu qualifizieren, erfolgt die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des in Rede stehenden Verhaltens unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, und erfordert keine vorherige Entscheidung einer zuständigen nationalen Stelle.

Da somit der Unionsrichter nach Art. 235 EG und Art. 288 Abs. 2 EG im Bereich der außervertraglichen Haftung zuständig ist und ein nationaler Rechtsweg, der die Möglichkeit böte, von der Kommission Ersatz des einem Kläger nach seinem Vortrag aufgrund der Verletzung des Urheberrechts an einer Software entstandenen Schadens zu erlangen, nicht besteht, hindert nichts daran, den von dem Kläger verwendeten Begriff der Rechtsverletzung heranzuziehen, um das Verhalten der Kommission als rechtswidrig im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zu qualifizieren.

Der Begriff der Rechtsverletzung, den der Kläger im Rahmen einer solchen Klage verwendet, bestimmt sich allein anhand der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind und die bezüglich der Computerprogramme in mehreren Harmonisierungsrichtlinien wiedergegeben sind oder aufgestellt werden. Das Gericht ist somit im Rahmen einer solchen Schadensersatzklage zuständig, eine Rechtsverletzung in dem Sinne festzustellen, der diesem Begriff von einer zuständigen nationalen Stelle eines Mitgliedstaats nach Maßgabe des Rechts dieses Mitgliedstaats beigelegt werden könnte.

(vgl. Randnrn. 115-117)

5. Den Art. 288 Abs. 2 EG und 235 EG ist zu entnehmen, dass der Unionsrichter die Befugnis besitzt, der Union jede Form des Schadensausgleichs aufzuerlegen, die mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der außervertraglichen Haftung gemeinsam sind, in Einklang steht, und zwar, soweit sie diesen Grundsätzen entspricht, auch eine Naturalrestitution, die gegebenenfalls die Form einer Anordnung eines bestimmten Handelns oder Unterlassens annehmen kann. Die Union kann daher einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Maßnahme des Unionsrichters nicht grundsätzlich entzogen bleiben, da ausschließlich dieser dafür zuständig ist, über Klagen auf Ersatz eines Schadens zu entscheiden, für den die Union haftet.

Ein vollständiger Ausgleich des geltend gemachten Schadens in einem Fall, in dem der Kommission eine Verletzung eines Urheberrechts vorgeworfen wird, setzt voraus, dass der unbeeinträchtigte Zustand des Rechts des Inhabers wiederhergestellt wird, was unabhängig von etwaigen bezifferten Schadensersatzbeträgen zumindest die sofortige Einstellung der Rechtsverletzung umfasst. Der vollständige Ausgleich des Schadens kann in einem solchen Fall auch die Form der Beschlagnahme oder Zerstörung des Produkts der Rechtsverletzung oder der Veröffentlichung der Entscheidung des Gerichts auf Kosten der Kommission annehmen.

(vgl. Randnrn. 120-123)

6. Die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 288 Abs. 2 EG hängt vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und der Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden.

Das einem Organ vorgeworfene rechtswidrige Verhalten muss einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm darstellen, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll. Wenn das betreffende Organ nur über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügt, kann die bloße Verletzung des Unionsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen.

Der Schaden, für den Ersatz begehrt wird, muss tatsächlich und sicher sein, und es muss ein hinreichend unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Organs und dem Schaden bestehen.

(vgl. Randnrn. 126-127, 268)

7. Die in Art. 5 der Richtlinie 91/250 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vorgesehene gesetzliche Ausnahme von den in Art. 4 der Richtlinie umschriebenen Handlungen, die dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers des Programms unterliegen, kann nur auf die Arbeiten angewandt werden, die vom rechtmäßigen Erwerber des Computerprogramms ausgeführt werden, nicht aber auf die Arbeiten, die von diesem Erwerber an einen Dritten vergeben werden. Die Ausnahme ist auch auf die Handlungen beschränkt, die für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig sind.

(vgl. Randnr. 225)

8. Es stellt eine hinreichend schwerwiegende Verletzung der Urheberrechte und des Know-how eines Unternehmens an einer Software dar, durch die die außervertragliche Haftung der Union ausgelöst wird, wenn sich die Kommission ohne vorherige Zustimmung dieses Unternehmens das Recht nimmt, Arbeiten durchzuführen, die zu einer Änderung von in der Software enthaltenen Elementen, wie z. B. der Quellcodes, führen müssen.

(vgl. Randnrn. 250, 261)

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