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Document 62007CO0439

    Leitsätze des Beschlusses

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Rechtsangleichung – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Richtlinie 90/435 – Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung

    (Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich)

    2. Rechtsangleichung – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Richtlinie 90/435 – Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung

    (Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Abs. 2)

    3. Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Auslegungsersuchen aufgrund der Anwendbarkeit der in nationales Recht umgesetzten Bestimmungen einer Richtlinie auf rein innerstaatliche Sachverhalte

    (Art. 234 EG)

    4. Freier Kapitalverkehr – Bestimmungen des Vertrags

    (Art. 56 Abs. 1 EG, 57 EG, 58 EG)

    5. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Körperschaftsteuer

    (Art. 43 EG)

    Leitsätze

    1. Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der für die Freistellung der Dividenden, die eine Muttergesellschaft mit Sitz in diesem Staat von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft bezieht, diese Dividenden zunächst vollständig in die Bemessungsgrundlage der Muttergesellschaft einbezogen werden, um sie dann in Höhe von 95 % von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen, soweit für den betreffenden Besteuerungszeitraum nach Abzug der sonstigen steuerfreien Einkünfte ein positiver Gewinnsaldo verbleibt, und die zur Folge hat, dass

    – die Muttergesellschaft für diese Gewinnausschüttung in einem späteren Besteuerungszeitraum besteuert wird, wenn sie während des Besteuerungszeitraums, in dem diese Ausschüttungen erfolgten, keinen oder keinen ausreichenden zu besteuernden Gewinn erzielt hat,

    oder

    – die Verluste in diesem Besteuerungszeitraum durch die Gewinnausschüttungen ausgeglichen werden und in Höhe dieser Dividenden nicht mehr auf einen späteren Besteuerungszeitraum vorgetragen werden können.

    (vgl. Randnr. 44, Tenor 1)

    2. Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in Verbindung mit Abs. 2 dieser Vorschrift ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die volle Abzugsfähigkeit der Gewinne, die an die Muttergesellschaft mit Sitz in diesem Staat von ihrer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft ausgeschüttet wurden, von dem von der Muttergesellschaft im Besteuerungszeitraum erwirtschafteten Gewinn und den Vortrag des sich daraus ergebenden Verlusts auf einen späteren Besteuerungszeitraum zuzulassen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung sowie der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit zu bestimmen, wie das in Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Bestimmung vorgeschriebene Ergebnis erreicht werden soll.

    Hat ein Mitgliedstaat jedoch das in Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 90/435 vorgesehene Befreiungssystem gewählt und ist nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats der Verlustvortrag auf spätere Steuerjahre grundsätzlich zulässig, steht diese Vorschrift einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die zu einer Verminderung der gegebenenfalls vortragbaren Verluste der Muttergesellschaft in Höhe der bezogenen Dividenden führt.

    (vgl. Randnrn. 53-54, Tenor 2)

    3. Richten sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Gemeinschaftsrecht getroffenen Regelungen, so ist es allein Sache des nationalen Gerichts, im Rahmen der in Art. 234 EG vorgesehenen Verteilung der richterlichen Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof die genaue Tragweite dieser Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht zu beurteilen, wobei für die Berücksichtigung der Grenzen, die der nationale Gesetzgeber der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf rein innerstaatliche Sachverhalte setzen wollte, das Recht des betreffenden Mitgliedstaats gilt, so dass dafür ausschließlich dessen Gerichte zuständig sind.

    (vgl. Randnr. 60, Tenor 3)

    4. Werden gemäß der nationalen Regelung eines Mitgliedstaats die von einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden weniger günstig behandelt als die von einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden, so ist es Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf den Gegenstand der nationalen Regelung sowie den Sachverhalt der ihm vorliegenden Rechtssache zu prüfen, ob Art. 56 EG anwendbar ist und, gegebenenfalls, ob er dieser unterschiedlichen Behandlung entgegensteht.

    Insoweit kann das Ausmaß, in dem die Mitgliedstaaten befugt sind, auf Kapitalbewegungen bestimmte beschränkende Maßnahmen anzuwenden, nicht bestimmt werden, ohne den Umstand zu berücksichtigen, dass Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern in einem anderen rechtlichen Rahmen ablaufen als solche, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft stattfinden. Aufgrund des Grades der unter den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestehenden rechtlichen Integration, insbesondere angesichts der gesetzgeberischen Maßnahmen der Gemeinschaft in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehörden wie der Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, ist die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten mit innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitenden Bezügen somit nicht immer mit der Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten vergleichbar, die die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten berühren. Auch lässt sich nicht ausschließen, dass ein Mitgliedstaat beweisen kann, dass eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern aus einem bestimmten Grund gerechtfertigt ist, auch wenn dieser Grund keine überzeugende Rechtfertigung für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellen würde.

    (vgl. Randnrn. 72-74 und Tenor 4)

    5. Art. 43 EG steht einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats, wonach eine in einem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft, die Gewinnausschüttungen von ihrer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft bezieht, diese von ihren steuerpflichtigen Einkünften nur in Höhe der Gewinne abziehen kann, die sie in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Gewinne ausgeschüttet wurden, erzielt hat, während eine vollständige Befreiung dieser Gewinne möglich wäre, wenn die Muttergesellschaft in diesem anderen Mitgliedstaat eine feste Betriebsstätte errichtet hätte, dann nicht entgegen, wenn die Behandlung der Gewinne, die sie von in einem anderen Mitgliedstaat errichteten Einheiten erhält, im Vergleich zur Behandlung der von vergleichbaren inländischen Einheiten bezogenen Gewinne nicht diskriminierend ist.

    In Bezug auf die Verpflichtungen des Ursprungsmitgliedstaats bedeutet die Steuerautonomie, über die die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des gemeinschaftlichen Steuerrechts verfügen, dass die Mitgliedstaaten Bedingungen und Höhe der Besteuerung der verschiedenen Niederlassungsformen von im Ausland tätigen inländischen Gesellschaften festlegen können, soweit sie ihnen eine Behandlung gewähren, die gegenüber vergleichbaren inländischen Niederlassungen nicht diskriminierend ist.

    (vgl. Randnrn. 80, 82, Tenor 5)

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