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Document 62007CJ0519
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung der Kommission, mit der eine sektorielle Beihilferegelung verboten wird
(Art. 230 Abs. 4 EG)
2. Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, mit der eine Beihilferegelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und eine Übergangsregelung vorgesehen wird – Übergangsmaßnahmen zu Gunsten von Unternehmen, die von der Finanzierungsregelung Gebrauch machen – Keine Übergangsregelung zu Gunsten von Unternehmen, die nur einen Antrag auf erstmalige Bewilligung gestellt haben – Kein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung
(Art. 88 § 2 Satz 1 EG)
1. Nach Art. 230 Abs. 4 EG kann eine natürliche oder juristische Person nur dann gegen eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung Klage erheben, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft.
Was das zweite Tatbestandsmerkmal des Art. 230 EG anbelangt, schließt es der Umstand, dass eine streitige Vorschrift ihrer Natur und ihrer Tragweite nach eine generelle Norm ist, weil sie für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, nicht aus, dass sie einige von ihnen individuell betreffen kann.
Eine natürliche oder juristische Person kann gleichwohl nur dann behaupten, individuell betroffen zu sein, wenn die streitige Bestimmung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt. Ein Unternehmen kann eine Entscheidung der Kommission, mit der eine sektorielle Beihilferegelung verboten wird, grundsätzlich nicht anfechten, wenn es von ihr nur wegen seiner Zugehörigkeit zu dem fraglichen Sektor und seiner Eigenschaft als durch diese Regelung potenziell Begünstigter betroffen ist. Eine solche Entscheidung ist für das klagende Unternehmen eine generelle Rechtsnorm, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugt.
Wenn die angefochtene Maßnahme jedoch eine Gruppe von Personen berührt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme anhand von den Mitgliedern der Gruppe eigenen Merkmalen feststanden oder feststellbar waren, können diese Personen von der Maßnahme insoweit individuell betroffen sein, als sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören.
(vgl. Randnrn. 47, 51-54)
2. Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder berufen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan aufgrund bestimmter Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Gemeinschaftsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen.
Selbst wenn man im Übrigen annimmt, dass die Europäische Gemeinschaft zuvor eine Lage geschaffen hat, die geeignet war, ein berechtigtes Vertrauen zu begründen, kann ein unbestreitbares öffentliches Interesse dem Erlass von Übergangsmaßnahmen für Sachlagen entgegenstehen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung entstanden, in ihrer Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen sind. Die Kommission verstößt gegen eine höherrangige Rechtsnorm, wenn sie ohne zwingendes öffentliches Interesse mit der Aufhebung einer Regelung nicht gleichzeitig Übergangsmaßnahmen zum Schutz des berechtigten Vertrauens der Wirtschaftsteilnehmer in die Gemeinschaftsregelung vorsieht.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts besteht in der Anwendung unterschiedlicher Vorschriften auf vergleichbare Sachverhalte oder in der Anwendung derselben Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte.
Was eine Entscheidung der Kommission anbelangt, mit der eine bestimmte Steuerregelung für die Besteuerung internationaler Finanzierungstätigkeiten von Unternehmensgruppen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird und die eine Übergangsregelung nur für die Unternehmen vorsieht, die von der Finanzierungsregelung Gebrauch machten, nicht aber für die Unternehmen, deren Antrag auf erstmalige Finanzierungsbewilligung zum Zeitpunkt dieser Entscheidung anhängig war, unterscheidet sich die Situation eines Unternehmens, das einen Antrag auf erstmalige Finanzierungsbewilligung gestellt hat und keine bereits getätigten Investitionen oder eingegangenen Verpflichtungen geltend macht, von derjenigen der Unternehmen, die in der Vergangenheit zu einem Zeitpunkt Investitionen getätigt und Verpflichtungen eingegangen sind, als die Rechtmäßigkeit der Steuerregelung nicht in Frage stand, und die daher Schaden erlitten hätten, wenn keine Übergangsmaßnahmen zu ihren Gunsten getroffen worden wären.
In einer solchen Situation hat die Kommission nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie eine Übergangsregelung nur für die Unternehmen vorgesehen hat, die von der Finanzierungsregelung Gebrauch machten.
(vgl. Randnrn. 84-86, 88, 91, 94, 100-102)