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Document 62007CJ0460

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Investitionsgut, das in vollem Umfang oder teilweise dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen zuordnet ist

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17)

2. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a)

3. Staatliche Beihilfen – Begriff

(Art. 87 Abs. 1 EG)

4. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug – Befugnis der Mitgliedstaaten, die bei Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestehenden Ausschlusstatbestände beizubehalten

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17 Abs. 6)

Leitsätze

1. Ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, ist zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet, Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen. Dagegen kann, wenn ein Steuerpflichtiger beim Erwerb eines Investitionsguts dieses in vollem Umfang seinem Privatvermögen oder nur teilweise seinen unternehmerischen Tätigkeiten zuordnet, hinsichtlich des dem Privatvermögen zugeordneten Teils kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen. In diesem Fall kann eine spätere Verwendung des dem Privatvermögen zugeordneten Teils des Gegenstands für unternehmerische Zwecke zu einem Abzugsrecht führen, da dieses nach Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Die derzeitige Gemeinschaftsregelung sieht hierfür keinen Berichtigungsmechanismus vor.

(vgl. Randnrn. 42-44)

2. Die Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern verstoßen nicht dadurch gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, dass sie mittels des Rechts auf vollen und sofortigen Abzug der Vorsteuer für die Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes und durch die gestaffelte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung dieses Gebäudes den Steuerpflichtigen gegenüber Nichtsteuerpflichtigen und gegenüber Steuerpflichtigen, die ihr Gebäude nur zu privaten Wohnzwecken verwenden, einen finanziellen Vorteil einräumen können.

Insoweit ist es hinsichtlich der privaten Verwendung eines gemischt genutzten Investitionsguts möglich, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie für sich allein nicht die Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen oder anderen Steuerpflichtigen, die solche Gegenstände für private Zwecke kaufen und daher sofort die volle Mehrwertsteuerlast tragen müssen, gewährleistet. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass das Ziel, die Steuerpflichtigen mittels Art. 17 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer, die im Rahmen ihrer gesamten besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldet oder entrichtet wird, einschließlich jeder finanziellen Belastung der Gegenstände im Zeitraum zwischen den Investitionsausgaben und der tatsächlichen unternehmerischen Nutzung vollständig zu entlasten, hinsichtlich der privaten Verwendung dieser Gegenstände durch die Steuerpflichtigen zu einem finanziellen Vorteil führen kann. Somit ergibt sich ein etwaiger Unterschied in der Behandlung der Steuerpflichtigen und der Nichtsteuerpflichtigen aus der Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, der in erster Linie die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gewährleistet. Dieser potenzielle Unterschied ergibt sich überdies daraus, dass die Steuerpflichtigen ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie nachgehen. Schließlich hängt er mit der besonderen Stellung der Steuerpflichtigen nach der Sechsten Richtlinie zusammen, die u. a. darin zum Ausdruck kommt, dass sie nach Art. 21 der Richtlinie die Schuldner der Mehrwertsteuer sind und diese zu vereinnahmen haben. Da sich die Situation der Steuerpflichtigen von der der Nichtsteuerpflichtigen, die keine solchen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben, in diesen Merkmalen unterscheidet, beruht ein etwaiger Unterschied in der Behandlung auf der Anwendung unterschiedlicher Regeln auf unterschiedliche Sachverhalte und führt somit nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Gleiches gilt für einen Steuerpflichtigen, der den Investitionsgegenstand zur Gänze seinem Privatvermögen zuordnet, da er mit diesem Gegenstand nicht seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen, sondern ihn zu privaten Zwecken verwenden will. Die Beurteilung kann auch bei einem Steuerpflichtigen, der nur steuerbefreite Umsätze tätigt, nicht anders ausfallen, da ein solcher Steuerpflichtiger die gleiche Mehrwertsteuerlast zu tragen hat wie ein Nichtsteuerpflichtiger und er somit im Wesentlichen die gleiche Stellung wie dieser hat.

(vgl. Randnrn. 55-59, 62, Tenor 1)

3. Art. 87 Abs. 1 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, nach der das Vorsteuerabzugsrecht nur den Steuerpflichtigen zusteht, die besteuerte Umsätze tätigen, nicht aber jenen, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen, nicht insofern entgegensteht, als diese nationale Maßnahme nur den erstgenannten Steuerpflichtigen einen finanziellen Vorteil verschaffen kann.

Die Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auf besteuerte Umsätze ist nämlich wesentlicher Bestandteil des Mehrwertsteuersystems, das durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften eingerichtet wurde, die von allen Mitgliedstaaten einheitlich umzusetzen sind. Folglich fehlt es an einer staatlichen Maßnahme, so dass Art. 87 Abs. 1 EG nicht anwendbar ist.

(vgl. Randnrn. 70-71, Tenor 2)

4. Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Ausnahme nicht für eine nationale Bestimmung gilt, die eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehende Rechtsvorschrift ändert, auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht beruht und neue Verfahren schafft. Insoweit ist es unerheblich, ob der nationale Gesetzgeber die Änderung des früheren nationalen Rechts aufgrund einer zutreffenden oder unzutreffenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts vornahm. Die Beantwortung der Frage, ob sich eine solche Änderung einer nationalen Bestimmung auch auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 auf eine andere nationale Bestimmung auswirkt, hängt davon ab, ob diese nationalen Bestimmungen in einer Wechselbeziehung stehen oder autonom sind; dies zu ermitteln ist Sache des nationalen Gerichts.

(vgl. Randnr. 98, Tenor 3)

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