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Document 62007CJ0121
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsklage – Urteil des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird – Frist für die Durchführung
(Art. 228 EG)
2. Vertragsverletzungsklage – Urteil des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird – Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung des Urteils – Finanzielle Sanktionen – Zweck
(Art. 228 Abs. 2 EG)
3. Vertragsverletzungsklage – Urteil des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird – Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung des Urteils – Finanzielle Sanktionen – Verhängung eines Pauschalbetrags
(Art. 228 Abs. 2 EG)
1. Zwar gibt Art. 228 EG keine Frist an, innerhalb deren ein Urteil, mit dem die Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird, durchgeführt sein muss; jedoch verlangt das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird.
(vgl. Randnr. 21)
2. Das Verfahren nach Art. 228 Abs. 2 EG soll einen säumigen Mitgliedstaat veranlassen, ein Vertragsverletzungsurteil durchzuführen, und damit die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen – der Pauschalbetrag und das Zwangsgeld – dienen beide diesem Zweck.
Es ist insoweit Sache des Gerichtshofs, in jeder Rechtssache und anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um für eine möglichst schnelle Durchführung des Urteils, mit dem zuvor eine Vertragsverletzung festgestellt wurde, zu sorgen und die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu verhindern.
Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat zu veranlassen, eine Vertragsverletzung, die ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, sich fortzusetzen, so schnell wie möglich abzustellen, beruht die Verhängung eines Pauschalbetrags mehr auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung seit dem Erlass des Urteils, mit dem sie ursprünglich festgestellt wurde, lange Zeit fortbestanden hat.
Zwar ist die Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds, das sich im Hinblick auf die noch anhaltende Vertragsverletzung im Wesentlichen als Zwangsmittel darstellt, somit grundsätzlich nur insoweit geboten, als die Nichtdurchführung des Urteils, mit dem die Vertragsverletzung ursprünglich festgestellt wurde, fortdauert, doch gilt Gleiches nicht für die Verhängung eines Pauschalbetrags.
(vgl. Randnrn. 27, 56-59)
3. Die etwaige Verhängung eines Pauschalbetrags erfolgt nicht automatisch, sondern muss in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat, der von dem auf der Grundlage von Art. 228 EG eingeleiteten Verfahren betroffen ist.
Hierbei können Leitlinien, wie sie in der Mitteilung der Kommission über die Verhängung von Pauschalbeträgen enthalten sind, zwar tatsächlich dazu beitragen, die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit von deren Vorgehen zu gewährleisten, doch können solche Regeln den Gerichtshof bei der Ausübung der ihm durch Art. 228 Abs. 2 EG übertragenen Befugnis nicht binden.
Außerdem stellt der Umstand, dass bislang vom Gerichtshof ein Pauschalbetrag dann nicht verhängt worden ist, wenn eine vollständige Durchführung des ursprünglichen Urteils vor Abschluss des auf der Grundlage von Art. 228 EG eingeleiteten Verfahrens sichergestellt worden war, kein Hindernis dafür dar, einen solchen Beitrag im Rahmen einer anderen Rechtssache zu verhängen, wenn sich dies im Hinblick auf die Merkmale der Rechtssache und den erforderlichen Grad an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung als notwendig erweist.
Befindet der Gerichtshof über die Verhängung eines Pauschalbetrags, so hat er bei der Ausübung seiner Wertungsbefugnis dieses so festzusetzen, dass es den Umständen angemessen und sowohl angesichts des festgestellten Verstoßes als auch in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats verhältnismäßig ist.
Zu den für eine solche Entscheidung maßgebenden Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Dauer des Fortbestands der Vertragsverletzung seit dem Erlass des sie feststellenden Urteils sowie die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen.
Wenn die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs der Umwelt Schaden zufügen und die menschliche Gesundheit in Gefahr bringen kann, deren Bewahrung gerade, wie aus Art. 174 EG hervorgeht, zu den Zielen der Umweltpolitik der Gemeinschaft gehört, so wiegt eine derartige Vertragsverletzung besonders schwer. Gleiches gilt grundsätzlich dann, wenn der freie Warenverkehr unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht trotz eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem eine hierin liegende Vertragsverletzung festgestellt wird, weiterhin behindert wird.
Die Wiederholung von Verstößen eines Mitgliedstaats auf einem bestimmten Gebiet der Gemeinschaftstätigkeit kann darauf hindeuten, dass die wirksame Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung von entsprechenden Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht den Erlass einer abschreckenden Maßnahme, wie etwa die Verhängung eines Pauschalbetrags, erfordern kann.
(vgl. Randnrn. 60-64, 69, 77-78, 80)