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Document 62006TJ0410

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Rückgriff auf den rechnerisch ermittelten Wert – Ermessen der Organe hinsichtlich der Berechnungsmethode

(Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 2 Abs. 6 Buchst. c)

2. Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Festsetzung der Antidumpingzölle – Berechnungsmethode

(Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 9 Abs. 4)

3. Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Verteidigungsrechte – Endgültige Unterrichtung der Unternehmen durch die Kommission

(Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 20 Abs. 2 und 4)

4. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Wahrung im Rahmen von Verwaltungsverfahren – Antidumping – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Ergänzendes Dokument zur endgültigen Unterrichtung

(Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 20 Abs. 5)

5. Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Zu berücksichtigender Zeitraum

(Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 3 Abs. 2)

Leitsätze

1. Art. 2 Abs. 6 Buchst. c der Antidumping-Grundverordnung Nr. 384/96 räumt den Gemeinschaftsorganen hinsichtlich der Auswahl der Methode, nach der sie die Vertriebs‑, Verwaltungs‑ und Gemeinkosten sowie die Gewinnspanne im Rahmen der rechnerischen Ermittlung des Normalwerts bestimmen, ein weites Ermessen ein.

Unter diesen Umständen erstreckt sich die Prüfung durch den Gemeinschaftsrichter darauf, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.

Des Weiteren bestimmt Art. 2 Abs. 6 Buchst. c, dass diese Methode vertretbar sein muss. Der Gemeinschaftsrichter kann also nur dann einen offensichtlichen Beurteilungsfehler im Hinblick auf die gewählte Methode feststellen, wenn sie unvertretbar ist. Gibt es andere vertretbare Methoden, die zu diesem Zweck hätten gewählt werden können, so berührt dies daher nicht die Rechtmäßigkeit der tatsächlich gewählten Methode, denn der Gemeinschaftsrichter kann die entsprechende Beurteilung durch die Gemeinschaftsorgane nicht durch seine eigene ersetzen.

Die Gemeinschaftsorgane können also in diesem Rahmen die Auffassung vertreten, dass es vernünftiger ist, anstelle von Informationen über die mit dem Verkauf der betroffenen Waren auf völlig anderen Märkten erzielten Gewinne Informationen über die Gewinne zu verwenden, die auf dem Inlandsmarkt von Unternehmen einer Größe erzielt wurden, die mit der des dem Antidumpingverfahren unterzogen Herstellers vergleichbar ist, und die keine besonders hohen Vertriebs‑ und Gemeinkosten haben, denen bei jüngeren Untersuchungen in Bezug auf andere Produkte als die betroffenen Waren ebenfalls der Status eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Unternehmens zuerkannt wurde und für die die Gemeinschaftsorgane über zuverlässige Daten verfügen.

Aus Art. 2 Abs. 6 Buchst. c der Antidumping-Grundverordnung folgt nämlich, dass die Gemeinschaftsorgane, wenn sie diese Vorschrift anwenden, um eine angemessene Gewinnspanne zu ermitteln, nicht verpflichtet sind, sich auf Daten über Waren derselben allgemeinen Warengruppe zu stützen. Sie müssen allerdings darauf achten, dass die nach einer vertretbaren Methode ermittelte Gewinnspanne nicht höher ist als die Gewinnspanne, die beim Verkauf von Waren derselben allgemeinen Warengruppe erzielt wurde. Außerdem ist diese Vorschrift nicht dahin auszulegen, dass es den Gemeinschaftsorganen verwehrt wäre, eine Gewinnspanne festzulegen, wenn sie hinsichtlich der bei Verkäufen von Waren der gleichen allgemeinen Warengruppe erzielten Gewinnspanne nicht über eine zuverlässige Berechnungsgrundlage verfügen.

(vgl. Randnrn. 64-67, 71, 74)

2. Gemäß dem letzten Satz von Art. 9 Abs. 4 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 384/96 „[darf d]er Betrag des Antidumpingzolls … die festgestellte Dumpingspanne nicht übersteigen, sollte aber niedriger sein als die Dumpingspanne, wenn ein niedrigerer Zoll ausreicht, um die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft zu beseitigen“. Diese Vorschrift hat zur Folge, dass sich ein Hersteller, dem Antidumpingzölle auferlegt wurden, gegen diese nicht mit der Begründung wehren kann, dass die Untersuchung eine zu hoch bemessene Schädigungsspanne ergeben habe, wenn der Zoll in Höhe der Dumpingspanne festgesetzt wurde und sowohl unter der fälschlich zugrunde gelegten als auch unter der tatsächlichen Schädigungsspanne liegt.

(vgl. Randnr. 94)

3. Die Unternehmen, die von einem dem Erlass einer Antidumpingverordnung vorausgehenden Untersuchungsverfahren betroffen sind, müssen im Lauf des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt worden sein, ihren Standpunkt zur Richtigkeit und Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den Beweisen, auf die die Kommission ihre Beurteilung des Vorliegens einer Dumpingpraktik und der daraus resultierenden Schädigung stützt, sachgerecht zu vertreten.

In diesem Zusammenhang führt die Unvollständigkeit der von den Parteien gemäß Art. 20 Abs. 2 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 384/96 begehrten endgültigen Unterrichtung nur dann zur Rechtswidrigkeit einer Verordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle, wenn die betroffenen Parteien aufgrund dieses Versäumnisses nicht in der Lage gewesen sind, ihre Interessen sachgerecht zu verteidigen. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn sich das Versäumnis auf andere als die für die vorläufigen Maßnahmen herangezogenen Tatsachen und Erwägungen bezöge, denen gemäß der genannten Vorschrift bei der endgültigen Unterrichtung besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Das ist, wie sich aus Art. 20 Abs. 4 Satz 4 der genannten Grundverordnung ergibt, auch dann der Fall, wenn sich das Versäumnis auf andere Tatsachen oder Erwägungen stützt als die, auf denen ein nach Übermittlung des Dokuments zur endgültigen Unterrichtung ergangener Beschluss der Kommission oder des Rates beruht.

Die Tatsache, dass die Kommission ihre Analyse aufgrund der Bemerkungen geändert hat, die ihr von den betroffenen Parteien zum Dokument zur endgültigen Unterrichtung übermittelt worden waren, stellt als solche jedoch keine Verletzung der Verteidigungsrechte dar. Aus Art. 20 Abs. 4 Satz 4 der Grundverordnung ergibt sich nämlich, dass das Dokument zur endgültigen Unterrichtung einem etwaigen späteren Beschluss der Kommission oder des Rates nicht vorgreift. Diese Vorschrift gebietet der Kommission lediglich, sobald wie möglich die Tatsachen und Erwägungen mitzuteilen, die von denen abweichen, auf die sie ihren im Dokument zur endgültigen Unterrichtung enthaltenen ursprünglichen Vorschlag gestützt hat. Um festzustellen, ob die Kommission die in Art. 20 Abs. 4 Satz 4 der Grundverordnung festgelegten Rechte der betroffenen Parteien berücksichtigt hat, ist folglich des Weiteren zu prüfen, ob die Kommission ihnen die Tatsachen und Erwägungen, die der neuen Analyse der Schädigung und der Form der zu ihrer Beseitigung erforderlichen Maßnahmen zugrunde gelegt wurden, mitgeteilt hat, soweit diese Tatsachen und Erwägungen von denen abweichen, die im Dokument zur endgültigen Unterrichtung zugrunde gelegt worden waren.

(vgl. Randnrn. 111-112, 117-118)

4. Die Kommission hat dadurch, dass sie einem Hersteller, der einem Antidumpingverfahren unterzogen wurde, eine Frist von weniger als zehn Tagen eingeräumt hat, um sich zu dem ergänzenden Dokument zur endgültigen Unterrichtung zu äußern, gegen Art. 20 Abs. 5 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 384/96 verstoßen. Dieser Umstand allein kann jedoch nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung führen. Es ist nämlich noch zu prüfen, ob der Umstand, dass die ihm zur Verfügung stehende Frist kürzer war als die gesetzliche Frist, geeignet war, seine Verteidigungsrechte im Rahmen des betreffenden Verfahrens konkret zu beeinträchtigen.

(vgl. Randnr. 124)

5. Die Einführung von Antidumpingzöllen stellt keine Sanktion für ein früheres Verhalten dar, sondern eine Verteidigungs- und Schutzmaßnahme gegen den unlauteren Wettbewerb, der sich aus Dumpingpraktiken ergibt. Die Untersuchung ist daher auf der Grundlage möglichst aktueller Daten durchzuführen, damit die Antidumpingzölle festgesetzt werden können, die der Schutz des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft gegen Dumpingpraktiken erfordert.

Wenn die Gemeinschaftsorgane feststellen, dass die Einfuhren eines Produkts, das bislang mengenmäßigen Beschränkungen unterlag, nach Auslaufen dieser Beschränkungen zunehmen, können sie diese Zunahme bei ihrer Beurteilung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft berücksichtigen.

(vgl. Randnrn. 133-134)

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