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Document 62006CJ0420

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes

    (Verordnung Nr. 2988/95 des Rates, Art. 2 Abs. 1 und 2)

    2. Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte Beihilferegelungen

    (Verordnungen des Rates Nr. 2988/95, Art. 2 Abs. 2, und Nr. 1782/2003; Verordnungen der Kommission Nr. 3887/92, Art. 10c, Nr. 2419/2001, Art. 39 Abs. 1, und Nr. 796/2004, Art. 66 und 67)

    Leitsätze

    1. Der Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes gehört zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, so dass er als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist, dessen Wahrung der Gerichtshof sichert und den der nationale Richter zu beachten hat.

    Dieser Grundsatz findet seinen Ausdruck insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, wonach die zuständigen Behörden auf ein Verhalten, das den Tatbestand einer Unregelmäßigkeit im Sinne des Abs. 1 dieser Vorschrift erfülllt, rückwirkend spätere Änderungen der Bestimmungen anwenden müssen, die in einer sektorbezogenen Gemeinschaftsregelung enthalten sind, mit der weniger strenge verwaltungsrechtliche Sanktionen eingeführt werden.

    (vgl. Randnrn. 59-60)

    2. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die mit den Art. 66 und 67 der Verordnung Nr. 796/2004 zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs‑ und Kontrollsystem nach der Verordnung Nr. 1782/2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in der durch die Verordnung Nr. 239/2005 geänderten und berichtigten Fassung nicht rückwirkend auf einen Beihilfeantrag „Tiere“ anwendbar sind, der in zeitlicher Hinsicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 3887/92 zum integrierten Verwaltungs‑ und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in der durch die Verordnung Nr. 2801/1999 geänderten Fassung fällt, deren Art. 10c zum Ausschluss der Beihilfe geführt hat.

    Die Sanktionsregelung in den Art. 66 und 67 der Verordnung Nr. 796/2004 hat nämlich nicht zum Ziel, Art oder Schwere der Sanktionen zu ändern, die im Rahmen der mit der Verordnung Nr. 1254/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch eingeführten Beihilferegelung für Rinder verhängt werden, sondern soll die Sanktionen ab Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1782/2003 dem neuen Regelungszusammenhang anpassen, der sich aus der mit ihr durchgeführten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ergibt, damit die Kohärenz der für die betreffenden Beihilferegelungen geltenden Sanktionsregelung im Hinblick auf die Prinzipien, die dieser Reform zugrunde liegen, gewahrt bleibt. Die mit den Art. 66 und 67 der Verordnung Nr. 796/2004 geschaffene Regelung bringt daher keinen Wertungswandel des Gemeinschaftsgesetzgebers hinsichtlich der Angemessenheit der Sanktionen im Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Unregelmäßigkeit zum Ausdruck.

    Da die betreffende Sanktionsregelung unmittelbar und eng mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik durch die Verordnung Nr. 1782/2003 zusammenhängt, würde ihre Anwendung auf einen Verstoß gegen die angeführten, in zeitlicher Hinsicht unter die Verordnung Nr. 3887/92 fallenden Bestimmungen über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern folglich zu einer Verfälschung des Systems der anderweitigen Verpflichtungen führen, wie es vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der genannten Reform konzipiert wurde. Deshalb kommt eine Berufung auf diese Regelung, da sie keine „spätere Änderung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 der Regelung darstellt, die in der Verordnung Nr. 2419/2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung Nr. 3508/92 eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in der durch die Verordnung Nr. 118/2004 geänderten Fassung vorgesehen ist, unter diesen Umständen nicht in Betracht. Dagegen kann Art. 39 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2419/2001 in seiner Fassung aufgrund der Verordnung Nr. 118/2004 unter solchen Umständen geltend gemacht werden. Denn diese Bestimmung, die eine „spätere Änderung“ von Art. 10c der Verordnung Nr. 3887/92 darstellt, enthält, indem sie u. a. eine Obergrenze für die anwendbare Kürzung eingeführt hat, eine Regelung, die mildere Sanktionen vorsieht, als sie in Art. 10c der Verordnung Nr. 3887/92 aufgeführt sind. Das vorlegende Gericht wird daher auf den betroffenen Landwirt rückwirkend die Bestimmungen des Art. 39 Abs. 1 anwenden müssen.

    (vgl. Randnrn. 70, 82-85)

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