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Document 62006CJ0238

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Völkerrechtliche Verträge – Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums – Unmittelbare Wirkung

    2. Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Prüfung des Sachverhalts von Amts wegen

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 und 74 Abs. 1)

    3. Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Vorherige Eintragung der Marke in bestimmten Mitgliedstaaten

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates)

    4. Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b)

    5. Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b)

    Leitsätze

    1. Die Vorschriften der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums können in einem Rechtsstreit, der einen Antrag auf Aufhebung einer Entscheidung der Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) über die Zurückweisung der Anmeldung einer dreidimensionalen Marke zum Gegenstand hat, nicht unmittelbar geltend gemacht werden.

    Erstens nämlich gehört die Gemeinschaft der Pariser Verbandsübereinkunft nicht an.

    Zweitens hat der Gemeinschaftsgesetzgeber, soweit er es als erforderlich ansah, bestimmten Vorschriften der Pariser Verbandsübereinkunft unmittelbare Wirkung zu verleihen, auf diese in der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ausdrücklich Bezug genommen, so insbesondere hinsichtlich der absoluten Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. h und i der Verordnung. Hingegen enthält Art. 7 Abs. 1 der Verordnung hinsichtlich der Unterscheidungskraft von Marken keine Bezugnahme dieser Art. Hierfür hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b eine autonome Bestimmung geschaffen.

    Drittens könnte sich eine unmittelbare Wirkung der Pariser Verbandsübereinkunft zwar daraus ergeben, dass Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums auf sie verweist. Da dieses Übereinkommen aber selbst nicht unmittelbar anwendbar ist, kann auch dieser Verweis keine unmittelbare Anwendbarkeit der Pariser Verbandsübereinkunft bewirken.

    (vgl. Randnrn. 40-43)

    2. Bei der Prüfung des Vorliegens absoluter Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke besteht die Rolle des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) darin, zu entscheiden, ob der Markenanmeldung solche Hindernisse entgegenstehen.

    Insoweit hat das Amt nach Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 von Amts wegen den relevanten Sachverhalt zu ermitteln, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt.

    Macht ein Kläger jedoch geltend, dass eine Anmeldemarke entgegen der vom Amt vorgenommenen Beurteilung Unterscheidungskraft habe, so ist es Sache des Klägers, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft entweder von Haus aus besitzt oder durch Benutzung erworben hat.

    (vgl. Randnrn. 48-50)

    3. Eine Entscheidung, mit der das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) eine angemeldete Marke von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausschließt, berührt weder die Gültigkeit noch den Schutz einer älteren nationalen Eintragung dieser Marke im Gebiet eines Mitgliedstaats.

    Laut dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke tritt das gemeinschaftliche Markenrecht nämlich nicht an die Stelle der Markenrechte der Mitgliedstaaten.

    Es ist daher nicht nur möglich, dass einer Marke wegen sprachlicher, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Unterschiede in einem Mitgliedstaat die Unterscheidungskraft fehlt, in einem anderen aber nicht, sondern ebenso, dass eine Marke auf der Ebene der Gemeinschaft keine Unterscheidungskraft besitzt, wohl aber in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft.

    (vgl. Randnrn. 56-58)

    4. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sind im Fall von dreidimensionalen Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien.

    Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke.

    Unter diesen Umständen besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Bestimmung.

    (vgl. Randnrn. 80-81)

    5. Um zu beurteilen, ob eine Gemeinschaftsmarke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke hat, ist auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden könnten. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, im Zuge der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen.

    (vgl. Randnr. 82)

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