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Document 62005CJ0389
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Beschränkungen
(Art. 43 EG)
2. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen
(Art. 49 EG)
3. Landwirtschaft – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Innergemeinschaftlicher Handel mit Samen reinrassiger Rinder
(Art. 43 EG und 49 EG; Richtlinien 77/504, 87/328 und 91/174 des Rates)
4. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen
(Art. 43 EG und 49 EG)
1. Die geografische Ausschließlichkeit, die den für die künstliche Besamung von Rindern in einem bestimmten Gebiet zugelassenen Stationen von einem Mitgliedstaat eingeräumt wurde und durch die Gesamtzahl der Wirtschaftsteilnehmer begrenzt wird, denen es gestattet ist, in diesem Mitgliedstaat solche Stationen zu eröffnen und zu betreiben, und die unbestimmte Dauer dieser Ausschließlichkeit stellen eine Zugangsbeschränkung für andere Wirtschaftsteilnehmer, einschließlich solcher aus anderen Mitgliedstaaten, zum Markt für künstliche Besamung dar. Der Umstand, dass die geografischen Gebiete, auf die sich diese Ausschließlichkeit bezieht, angepasst werden oder geteilt werden können, spielt für diese Beurteilung keine Rolle.
Da er keine Rechte für ein bestimmtes geografisches Gebiet erwerben kann, ist ein Wirtschaftsteilnehmer, der die Absicht hat, auf dem Sektor der künstlichen Besamung tätig zu werden, gezwungen, mit der örtlich zuständigen Besamungsstation einen Vertrag zu schließen, um eine Lizenz als Besamungstechniker zu erhalten. Da ein solcher Vertragsschluss vom Präsidenten der jeweiligen zugelassenen Besamungsstation abhängt, kann die Verwirklichung einer solchen Absicht an dieser Verpflichtung scheitern.
Durch derartige Maßnahmen wird die Ausübung der Niederlassungsfreiheit in dem betroffenen Mitgliedstaat hinsichtlich der Tätigkeit des Vertriebs von Rindersamen und der der Besamung von Rindern erschwert oder verhindert, auf jeden Fall aber weniger attraktiv gemacht. Die Tatsache, dass diese Maßnahmen unterschiedslos für nationale Wirtschaftsteilnehmer und solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten, steht dieser Feststellung nicht entgegen, denn derartige nationale Maßnahmen sind, auch wenn sie hinsichtlich der Staatsangehörigkeit unterschiedslos angewandt werden, geeignet, die Ausübung einer durch den EG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheit wie der Niederlassungsfreiheit durch die Gemeinschaftsangehörigen einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen hat, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.
(vgl. Randnrn. 50, 53-56)
2. Die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat von Dienstleistungserbringern anderer Mitgliedstaaten, die in seinem Gebiet Rinder künstlich besamen wollen, eine Lizenz als Besamungstechniker verlangt und vorschreibt, dass diese Wirtschaftsteilnehmer die Besamung von Rindern nach Erhalt der genannten Lizenz nur unter der Aufsicht einer örtlich zuständigen Besamungsstation durchführen, stellt unabhängig von den Voraussetzungen für die Erteilung der Lizenz eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, denn diese Erfordernisse sind geeignet, die Erbringung der Dienstleistung der Besamung durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene und dort bereits rechtmäßig tätige Wirtschaftsteilnehmer zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.
Das Gleiche gilt für die Verpflichtung zur Lagerung des Samens in einer Besamungsstation, die allein ihn an die Züchter aushändigt. Selbst wenn die Züchter nämlich die Möglichkeit haben, von der Station, von der sie abhängen, bei einem Züchter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat spezifische Samen bestellen zu lassen, kann die Verpflichtung, diesen Samen nach seiner Beförderung in der genannten Station zu lagern, die Erbringung der Dienstleistung des Vertriebs von Samen durch diesen Züchter behindern oder weniger attraktiv machen.
(vgl. Randnrn. 61, 64-65)
3. Die Richtlinie 77/504 über reinrassige Zuchtrinder, die Richtlinie 87/328 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder sowie die Richtlinie 91/174 über züchterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504 und 90/425 haben die genealogischen Bedingungen in Bezug auf den innergemeinschaftlichen Handel mit Samen von reinrassigen Zuchtrindern auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert.
Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses kann nicht geltend gemacht werden, wenn eine gemeinschaftliche Harmonisierung besteht, die die zur Gewährleistung des Schutzes dieses Interesses erforderlichen Maßnahmen vorsieht. Das Ziel, die genetischen Eigenschaften reinrassiger Rinder durch nationale genealogische Anforderungen zu schützen, kann daher Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels mit Samen derartiger Rinder, die in den für den betroffenen Sektor geltenden gemeinschaftlichen Harmonisierungsregeln nicht vorgesehen sind, nicht rechtfertigen.
(vgl. Randnrn. 73-75)
4. Ein Mitgliedstaat, der das Recht zur Erbringung der Dienstleistung der künstlichen Besamung von Rindern den mit geografischer Ausschließlichkeit ausgestatteten zugelassenen Besamungsstationen vorbehält und die Erteilung einer Lizenz als Besamungstechniker vom Abschluss eines Vertrags mit einer dieser Stationen abhängig macht, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG.
Gewiss ist es legitim, dass ein Mitgliedstaat die Ausübung der Tätigkeit der Besamung einem Lizenzerfordernis unterwirft, um die Eignung eines Bewerbers für die Tätigkeit eines Besamungstechnikers sicherzustellen. Da es sich um ein Verfahren zur Genehmigung der Ausübung einer Tätigkeit handelt, muss der betroffene Mitgliedstaat bei der Anwendung der nationalen Bestimmungen die Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigen, die der Betroffene bereits in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Außerdem muss ein System der vorherigen Genehmigung durch die Verwaltung insbesondere auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit dem Ermessen der Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.
Eine Regelung, die die Erteilung einer Lizenz als Besamungstechniker vom Abschluss eines Vertrags mit einer Besamungsstation abhängig macht, die auf dem Markt für Besamungen ein potenzieller Wettbewerber desselben Wirtschaftsteilnehmers ist, dessen Fähigkeiten als Besamungstechniker sie überprüfen soll, und die den Abschluss dieses Vertrags in das Ermessen des jeweiligen Präsidenten dieser Stationen stellt, der selbst dann nicht zum Vertragsschluss verpflichtet ist, wenn der Bewerber die objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien erfüllt, geht selbst dann, wenn sie geeignet wäre, die Gesundheit der Tiere und die der Besamungstechniker zu schützen, über das Maß dessen hinaus, was erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
(vgl. Randnrn. 91-95, 97, 108 und Tenor)