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Document 62005CJ0232
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsverfahren – Nichtbefolgung einer Entscheidung der Kommission über eine staatliche Beihilfe
(Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG)
2. Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe
(Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, 13. Begründungserwägung und Artikel 14 Absatz 3)
3. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
(Artikel 230 EG)
4. Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Rückerstattung angeordnet wird
(Artikel 88 Absatz 2 EG, Artikel 230 Absätze 2 und 5 EG und Artikel 242 EG)
1. Im Rahmen einer Klage wegen Vertragsverletzung, die auf die Feststellung abzielt, dass ein Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, dass er nicht die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um einer Entscheidung der Kommission über eine staatliche Beihilfe nachzukommen, ist für die Anwendung von Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG auf jenen Zeitpunkt abzustellen, der in der Entscheidung genannt ist, deren Nichtdurchführung beanstandet wird, oder gegebenenfalls auf jenen Zeitpunkt, der von der Kommission später festgesetzt wurde.
(vgl. Randnr. 32)
2. Nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] hängt die Anwendung nationaler Verfahren zur Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe von der Bedingung ab, dass diese die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglichen; diese Bedingung spiegelt die Erfordernisse des Effektivitätsgrundsatzes wider. Nach der 13. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 659/1999 muss im Fall von rechtswidrigen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen ein wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt werden und dazu die betreffende Beihilfe unverzüglich zurückgefordert werden.
Die Anwendung der nationalen Verfahren darf somit die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs nicht erschweren, indem sie die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung verhindert. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, müssen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit dieser Entscheidung treffen.
Insoweit kann ein nationales Verfahren, das Rechtsbehelfen gegen zur Rückforderung einer gewährten Beihilfe erlassene Zahlungsbescheide eine aufschiebende Wirkung zuerkennt, nicht als ein Verfahren angesehen werden, das die „sofortige und tatsächliche“ Vollstreckung einer Entscheidung ermöglicht, die die Rückforderung einer Beihilfe anordnet. Vielmehr kann es die Rückforderung der Beihilfen durch die Zuerkennung einer derartigen aufschiebenden Wirkung beträchtlich verzögern.
(vgl. Randnrn. 49-51)
3. Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen, die bei nationalen Gerichten gegen Zahlungsbescheide eingelegt werden, die sich gegen die Empfänger solcher staatlicher Beihilfen richten, deren Rückforderung durch eine Entscheidung der Kommission angeordnet worden ist, kann nicht als unabdingbar angesehen werden, um in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht einen effektiven gerichtlichen Schutz zu garantieren.
Ein solcher Schutz wird nämlich schon vollumfänglich durch die vom EG‑Vertrag eröffneten Möglichkeiten gewährleistet, im vorliegenden Fall insbesondere durch die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, die den genannten Empfängern gegen die Entscheidung der Kommission offensteht.
Da die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft ist, in der die Handlungen ihrer Organe daraufhin kontrolliert werden, ob sie mit dem Vertrag und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen vereinbar sind, hat der Vertrag ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorgesehen, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe gewährleisten soll und dazu den Gemeinschaftsrichter mit dieser Aufgabe betraut hat.
(vgl. Randnrn. 55-58)
4. Der Empfänger einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe, der die Entscheidung der Kommission vor dem Gemeinschaftsrichter hätte anfechten können, kann diese nicht vor den nationalen Gerichten mit einem Rechtsbehelf gegen die von den nationalen Behörden getroffenen Durchführungsmaßnahmen erneut in Frage stellen. Ließe man in derartigen Fällen zu, dass sich der Betroffene vor dem nationalen Gericht unter Berufung auf die Rechtswidrigkeit der Gemeinschaftsentscheidung ihrer Durchführung widersetzen kann, würde ihm damit die Möglichkeit eingeräumt, die Bestandskraft zu umgehen, die die Entscheidung ihm gegenüber nach Ablauf der in Artikel 230 Absatz 5 EG vorgesehenen Klagefrist besitzt.
(vgl. Randnrn. 59-60)