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Document 62004CJ0519

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Gemeinschaftsrecht – Geltungsbereich – Sport – Beschränkung auf Betätigungen im Rahmen des Wirtschaftslebens

(Artikel 2 EG)

2. Freizügigkeit und freier Dienstleistungsverkehr – Arbeitnehmer – Wettbewerb – Bestimmungen des Vertrages – Geltungsbereich

(Artikel 39 EG, 49 EG, 81 EG und 82 EG)

3. Wettbewerb – Kartelle – Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen – Begriff

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

Leitsätze

1. Nach den Zielen der Gemeinschaft fällt die Ausübung des Sports insoweit unter das Gemeinschaftsrecht, als sie zum Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 EG gehört.

(vgl. Randnr. 22)

2. Hat eine sportliche Betätigung den Charakter einer entgeltlichen Arbeits- oder Dienstleistung wie bei professionellen oder semiprofessionellen Sportlern, so gelten für sie die Artikel 39 ff. EG oder die Artikel 49 ff. EG.

Diese Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr gelten nicht nur für behördliche Maßnahmen, sondern erstrecken sich auch auf Vorschriften anderer Art, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienen. Die in diesen Bestimmungen des EG-Vertrags enthaltenen Verbote gelten jedoch nicht für Fragen, die ausschließlich von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben.

Was die Trennung der wirtschaftlichen Aspekte einer sportlichen Tätigkeit von ihren sportlichen Aspekten betrifft, so stehen die Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr Regelungen oder Praktiken nicht entgegen, die aus nichtwirtschaftlichen Gründen, die mit dem spezifischen Charakter und Rahmen bestimmter Begegnungen zusammenhängen, gerechtfertigt sind. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs der fraglichen Bestimmungen darf jedoch nicht weiter gehen, als ihr Zweck es erfordert. Sie kann daher nicht herangezogen werden, um eine sportliche Tätigkeit im Ganzen vom Geltungsbereich des Vertrages auszuschließen.

Nach alledem führt der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters ist, nicht dazu, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit ausübt, oder die Institution, die diese Regelung erlassen hat, nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags fällt. Fällt die fragliche sportliche Tätigkeit also in den Geltungsbereich des EG-Vertrags, so unterliegen die Bedingungen ihrer Ausübung sämtlichen sich aus den einzelnen Vorschriften des EG-Vertrags ergebenden Verpflichtungen. Daraus folgt, dass die für diese Tätigkeit geltenden Regeln die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschriften erfüllen müssen, die insbesondere die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und den Wettbewerb gewährleisten sollen.

Wenn also die Ausübung dieser sportlichen Tätigkeit nach den Vorschriften des EG-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder die Dienstleistungsfreiheit zu prüfen ist, so ist zu untersuchen, ob die für diese Tätigkeit geltenden Regeln den Tatbestand der Artikel 39 EG und 49 EG erfüllen, d. h., ob sie eine nach diesen Artikeln verbotene Beschränkung darstellen. Bei der Beurteilung der Ausübung der genannten Tätigkeit im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags ist außerdem zu prüfen, ob die Regeln für diese Tätigkeit unter Berücksichtigung des Tatbestands der Artikel 81 EG und 82 EG von einem Unternehmen aufgestellt wurden, ob dieses den Wettbewerb beschränkt oder seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und ob diese Beschränkung oder dieser Missbrauch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

Selbst unterstellt, dass diese Regeln den freien Verkehr nicht beschränken, weil sie Fragen betreffen, die allein von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben, würde dies weder bedeuten, dass die entsprechende sportliche Tätigkeit zwangsläufig nicht in den Geltungsbereich der Artikel 81 EG und 82 EG fällt, noch, dass die genannten Regeln den Tatbestand dieser Artikel nicht erfüllen.

(vgl. Randnrn. 23-31)

3. Die Vereinbarkeit eines Regelwerks mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln kann nicht abstrakt beurteilt werden. Nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen oder jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch die die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt wird, fällt zwangsläufig unter das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Weiter ist dann zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.

Der allgemeine Zweck einer Anti-Doping-Regelung im Sport ist die Dopingbekämpfung mit dem Ziel eines fairen Ablaufs der Sportwettkämpfe; dieser Zweck soll zugleich die Chancengleichheit der Sportler, ihre Gesundheit, die Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfs sowie die ethischen Werte des Sports gewährleisten. Da außerdem Sanktionen erforderlich sind, um die Einhaltung des Dopingverbots sicherzustellen, hängt die Auswirkung der Sanktionen auf die Handlungsfreiheit der Sportler im Prinzip notwendig mit der Anti-Doping-Regelung zusammen.

Selbst unterstellt, dass die streitige Anti-Doping-Regelung eine Entscheidung von Unternehmensverbänden wäre, die die Handlungsfreiheit der von ihr betroffenen Personen einschränkt, wäre sie deshalb nicht unbedingt eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 81 EG, da sie durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt ist. Eine solche Beschränkung ist nämlich mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs untrennbar verbunden und dient gerade dazu, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten.

Der Strafcharakter einer solchen Anti-Doping-Regelung und das Ausmaß der im Fall eines Verstoßes gegen die Regelung anwendbaren Sanktionen können jedoch negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, denn sollten sich diese Sanktionen letztlich als unbegründet erweisen, könnten sie zum ungerechtfertigten Ausschluss eines Sportlers von Wettkämpfen führen und somit die Bedingungen für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit verfälschen. Daraus folgt, dass die mit diesem Regelwerk auferlegten Beschränkungen nur dann nicht unter das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG fallen, wenn sie auf das zum ordnungsgemäßen Funktionieren des sportlichen Wettkampfs Notwendige begrenzt sind. Ein solches Regelwerk könnte nämlich überzogen sein, zum einen hinsichtlich der Grenze zwischen Fällen von unter Sanktionsandrohung stehendem Doping und zum anderen hinsichtlich der Schärfe dieser Sanktionen.

(vgl. Randnrn. 42-45, 47-48)

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