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Document 62003CJ0433

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Vertragsverletzungsverfahren – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens – Spätere Beschränkung – Zulässigkeit

    (Artikel 226 EG)

    2. Vertragsverletzungsverfahren – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebliche Sachlage – Sachlage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

    (Artikel 226 EG)

    3. Völkerrechtliche Verträge – Zuständigkeit der Gemeinschaft – Schaffung einer ausschließlichen Außenkompetenz der Gemeinschaft durch Ausübung ihrer internen Zuständigkeit – Voraussetzungen – Binnenschiffsverkehr – Verordnung Nr. 3921/91 – Gemeinschaftsregelung nicht ausreichend für einen Übergang der ausschließlichen Außenkompetenz auf die Gemeinschaft

    (Artikel 71 Absatz 1 EG und 80 Absatz 1 EG; Verordnung Nr. 3921/91 des Rates)

    4. Verfahren – Klageschrift – Streitgegenstand – Bestimmung – Änderung im Laufe des Verfahrens – Verbot

    5. Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Verpflichtung zur Zusammenarbeit – Beschluss, mit dem die Kommission ermächtigt wird, im Namen der Gemeinschaft ein multilaterales Übereinkommen auszuhandeln – Handlungs- und Unterlassungspflichten der Mitgliedstaaten – Umfang

    (Artikel 10 EG)

    Leitsätze

    1. Zwar wird der Gegenstand der nach Artikel 226 EG erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen, aber dieses Erfordernis kann nicht so weit gehen, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert, sondern lediglich beschränkt worden ist.

    (vgl. Randnr. 28)

    2. Das Vorliegen einer Vertragsverletzung ist anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Änderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.

    (vgl. Randnr. 32)

    3. Die Gemeinschaft erwirbt aufgrund der Ausübung ihrer internen Zuständigkeit eine ausschließliche Außenkompetenz, wenn die völkerrechtlichen Verpflichtungen in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Rechtsnormen fallen oder jedenfalls ein Gebiet erfassen, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen abgedeckt ist, auch wenn kein Widerspruch zwischen diesen Verpflichtungen und den Gemeinschaftsvorschriften besteht.

    Hat die Gemeinschaft daher in ihre internen Rechtsetzungsakte Klauseln über die Behandlung der Angehörigen von Drittstaaten aufgenommen oder hat sie ihren Organen ausdrücklich eine Zuständigkeit für Verhandlungen mit Drittstaaten übertragen, so erwirbt sie somit eine ausschließliche Außenkompetenz nach Maßgabe des von diesen Rechtsakten erfassten Bereiches.

    Dies gilt – selbst in Ermangelung einer ausdrücklichen Klausel, mit der die Organe zu Verhandlungen mit Drittstaaten ermächtigt werden – auch dann, wenn die Gemeinschaft eine vollständige Harmonisierung auf einem bestimmten Gebiet verwirklicht hat, denn die insoweit erlassenen gemeinsamen Rechtsnormen könnten beeinträchtigt werden, wenn die Mitgliedstaaten die Freiheit zu Verhandlungen mit Drittstaaten behielten.

    Was die Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von nicht aus der Gemeinschaft stammenden Verkehrsunternehmern zum innerstaatlichen Binnenschiffsverkehr angeht, hat die Gemeinschaft keine ausschließliche Außenkompetenz erworben. Die Verordnung Nr. 3921/91 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter‑ und ‑personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, enthält nämlich keine Regelungen für diese Verkehrsunternehmer, da sie nur die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmer erfasst und da mit ihr deswegen keine umfassende Harmonisierung erfolgt ist.

    (vgl. Randnrn. 44-48, 50, 52-53)

    4. Eine Partei kann im Laufe des Verfahrens den Streitgegenstand nicht selbst abändern, so dass die Begründetheit der Klage allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen ist.

    (vgl. Randnr. 61)

    5. Die durch Artikel 10 EG aufgestellte Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit ist allgemein anwendbar und unabhängig davon, ob es sich bei der betreffenden Zuständigkeit der Gemeinschaft um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt und ob die Mitgliedstaaten möglicherweise berechtigt sind, gegenüber Drittländern vertragliche Verpflichtungen einzugehen.

    Insbesondere bestehen für die Mitgliedstaaten besondere Handlungs- und Unterlassungspflichten, wenn die Kommission dem Rat Vorschläge unterbreitet hat, die, obgleich sie vom Rat nicht angenommen worden sind, den Ausgangspunkt eines abgestimmten gemeinschaftlichen Vorgehens darstellen.

    Der Erlass eines Beschlusses durch den Rat, mit dem die Kommission ermächtigt wird, im Namen der Gemeinschaft ein Übereinkommen auszuhandeln, stellt den Beginn eines abgestimmten gemeinschaftlichen Vorgehens auf internationaler Ebene dar und begründet deshalb zumindest eine Verpflichtung zu enger Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen, wenn nicht gar eine Unterlassungspflicht der Mitgliedstaaten, damit der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtert wird und die Einheitlichkeit und Kohärenz des völkerrechtlichen Gemeinschaftshandelns und der völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft gewährleistet sind.

    (vgl. Randnrn. 64-66)

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