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Document 62003CJ0377
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsverfahren – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens
(Artikel 226 EG)
2. Freier Warenverkehr – Gemeinschaftliches Versandverfahren – Warenverkehr mit Carnet TIR
(Verordnung Nr. 2454/93 der Kommission, Artikel 454 Absatz 2 und 455 Absatz 2)
3. Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften – Feststellung und Bereitstellung durch die Mitgliedstaaten
(Verordnung Nr. 1150/2000 des Rates, Artikel 6)
4. Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften – Feststellung und Bereitstellung durch die Mitgliedstaaten
(Verordnung Nr. 1150/2000 des Rates, Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b und 17)
1. Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens dürfen zwar die in der Klageschrift gestellten Anträge grundsätzlich nicht über die im verfügenden Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme und im Mahnschreiben gerügten Verstöße hinausgehen, doch kann die Kommission die Feststellung eines Verstoßes gegen diejenigen Verpflichtungen beantragen, die sich aus der ursprünglichen Fassung eines später geänderten oder aufgehobenen Gemeinschaftsrechtsakts ergeben und durch neue Bestimmungen aufrechterhalten wurden. Dagegen kann der Streitgegenstand nicht auf Verpflichtungen erstreckt werden, die sich aus neuen Bestimmungen ergeben und keine Entsprechung in der ursprünglichen Fassung des betreffenden Rechtsakts haben, da dies einen Verstoß gegen Formvorschriften darstellen würde, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung wesentlich sind.
(vgl. Randnr. 34)
2. Aus den Artikeln 454 Absatz 2 und 455 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex sowie aus Artikel 11 des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR folgt, dass die Aufforderung zur Zahlung der Zollschuld im Fall der Nichterledigung grundsätzlich spätestens drei Jahre nach der Annahme des Carnet TIR erfolgen muss; ist die Erledigung betrügerisch erwirkt worden, so beträgt die Frist vier Jahre. Da jedoch Artikel 455 Absatz 1 der Durchführungsverordnung gewährleisten soll, dass die Bestimmungen über die Erhebung der Zollschuld im Interesse einer schnellen und wirkungsvollen Bereitstellung der Eigenmittel der Gemeinschaften einheitlich und sorgfältig angewandt werden, muss die Mitteilung der Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit auf jeden Fall so rasch wie möglich erfolgen, d. h., sobald die Zollbehörden Kenntnis von dieser Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit erlangt haben, und damit gegebenenfalls deutlich vor Ablauf der in Artikel 11 Absatz 1 des TIR-Übereinkommens genannten Höchstfristen von einem Jahr oder, im Betrugsfall, von zwei Jahren. Aus den gleichen Gründen muss die Zahlungsaufforderung im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 des TIR-Übereinkommens versandt werden, sobald die Zollbehörden dazu in der Lage sind, und damit gegebenenfalls vor Ablauf der Frist von zwei Jahren ab Mitteilung der Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit an die Betroffenen.
(vgl. Randnrn. 68-70)
3. Die Mitgliedstaaten sind zur Feststellung eines Anspruchs der Gemeinschaften auf die Eigenmittel verpflichtet, sobald ihre Zollbehörden in der Lage sind, den sich aus einer Zollschuld ergebenden Abgabenbetrag zu berechnen und den Abgabenpflichtigen zu bestimmen und damit die betreffenden Ansprüche gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 1150/2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften in die Buchführung aufzunehmen.
Die Mitgliedstaaten dürfen die Feststellung der Forderungen, selbst wenn sie diese bestreiten, nicht unterlassen, da andernfalls das finanzielle Gleichgewicht der Gemeinschaften durch das Verhalten eines Mitgliedstaats gestört würde.
Unter diesen Umständen verstößt ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 6 der Verordnung Nr. 1150/2000, wenn er die Zollschuld nicht innerhalb der Frist des Artikels 6 Absatz 3 verbucht, deren Lauf mit der Versendung der Zahlungsaufforderungen gemäß Artikel 11 Absatz 2 des TIR-Übereinkommens beginnt, die voraussetzt, dass die Zollbehörden in der Lage sind, den sich aus der Zollschuld ergebenden Abgabenbetrag zu berechnen und den Abgabenschuldner zu bestimmen.
(vgl. Randnrn. 75-77)
4. Ein Mitgliedstaat verstößt gegen die nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften bestehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Eigenmittel der Kommission nach Maßgabe dieser Verordnung zur Verfügung gestellt werden, wenn er einseitig beschließt, die im Zusammenhang mit TIR-Transporten festgestellten Ansprüche in der B-Buchführung auszuweisen, anstatt sie bis zur Höhe der im Rahmen des TIR-Systems vereinbarten Deckungsobergrenze in die A-Buchführung aufzunehmen, ohne dass die fraglichen Ansprüche vom bürgenden Verband fristgemäß angefochten wurden und durch Regelung des betreffenden Streitfalls Veränderungen unterworfen sein können und ohne dass der Mitgliedstaat die Probleme, auf die er bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts gestoßen ist, der Kommission vorgelegt und ihre Einwände beachtet hat.
(vgl. Randnrn. 82, 89, 92-93, 95, 105 und Tenor)