EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62003CJ0221

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Vertragsverletzungsverfahren – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens – Rein formale Anpassung der Rügen nach Erlass der mit Gründen versehenen Stellungnahme wegen Änderung der nationalen Rechtsvorschriften – Regelung, die den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhobenen Rügen teilweise abhilft – Zulässigkeit – Neue Rügen gegen diese geänderte nationale Regelung – Unzulässigkeit

(Artikel 226 EG)

2. Vertragsverletzungsverfahren – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebliche Sachlage – Sachlage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist – Später erlassene Umsetzungsmaßnahmen – Rückwirkung – Kein Einfluss auf die Feststellung des Vorliegens einer Vertragsverletzung

(Artikel 226 EG)

3. Umwelt – Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen – Richtlinie 91/676 – Bestimmung der von Verunreinigung betroffenen Gewässer – Ausweisung der gefährdeten Gebiete – Verpflichtungen der Mitgliedstaaten – Umfang

(Richtlinie 91/676 des Rates, Artikel 3 Absätze 1 und 2 und Anhang I)

4. Umwelt – Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen – Richtlinie 91/676 – Prüfung des Verzeichnisses der ausgewiesenen gefährdeten Gebiete – Umfang

(Richtlinie 91/676 des Rates, Artikel 3 Absatz 4)

Leitsätze

1. Der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG wird durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt, so dass die Klage nicht auf andere als die im Vorverfahren erhobenen Rügen gestützt werden kann. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen den nationalen Vorschriften, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführt werden, und den Vorschriften zu verlangen ist, die in der Klageschrift genannt werden. Ist zwischen diesen beiden Phasen dieses Verfahrens eine Gesetzesänderung erfolgt, so genügt es, dass die Regelung, die mit den im vorprozessualen Verfahren beanstandeten Rechtsvorschriften eingeführt wurde, durch die neuen Maßnahmen, die der Mitgliedstaat nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme erlassen hat und die mit der Klage angegriffen werden, insgesamt aufrechterhalten worden ist.

Eine Klage ist zulässig, wenn sie neue nationale Maßnahmen betrifft, mit der in die Regelung, die Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme ist, Ausnahmen eingeführt werden, die den Vorwurf teilweise entkräften. Würde nämlich die Zulässigkeit der Klage in einem solchen Fall verneint, könnte man es damit einem Mitgliedstaat ermöglichen, ein Vertragsverletzungsverfahren dadurch zu behindern, dass er bei jeder Bekanntgabe einer mit Gründen versehenen Stellungnahme seine Rechtsvorschriften geringfügig ändert, die beanstandete Regelung im Übrigen aber aufrechterhält. Dies würde jedoch nicht bei Vorwürfen gelten, die gegenüber den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhobenen neu sind und gegenüber nationalen Maßnahmen ausgesprochen werden, die nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme zu dem Zweck erlassen worden sind, den in dieser erhobenen Vorwürfen abzuhelfen.

(vgl. Randnrn. 38-41)

2. Da es den Mitgliedstaaten sonst ermöglicht würde, das durch Artikel 226 EG eingeführte Vertragsverletzungsverfahren zu umgehen, kann in diesem Verfahren nicht angenommen werden, dass der Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Ablauf der von der Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist bloß deshalb eine Umsetzungsmaßnahme darstellen kann, die der Gerichtshof bei der Entscheidung über das Vorliegen einer Vertragsverletzung zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen hätte, weil ein rückwirkendes Inkrafttreten dieser Maßnahmen festgelegt worden ist.

(vgl. Randnr. 60)

3. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 91/676 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen in Verbindung mit deren Anhang I sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, als Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, sämtliche Binnengewässer und das Grundwasser zu bestimmen, wenn sie mehr als 50 mg/l Nitrat enthalten. Sie sind ferner nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie verpflichtet, anhand der gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestimmten Gewässer gefährdete Gebiete auszuweisen, sofern sie sich nicht dafür entscheiden, die Aktionsprogramme nach Artikel 5 der Richtlinie in ihrem gesamten Gebiet aufzustellen und durchzuführen.

Daher genügt eine bloße Ermächtigung, die Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind oder werden könnten, zu bestimmen und gefährdete Gebiete auszuweisen, nicht zur Umsetzung und Durchführung der Richtlinie. Denn wie sich aus dem Wortlaut von Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie ergibt, stellen die Bestimmung aller Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 der Richtlinie ergriffen werden, zum einen und dann die Ausweisung der gefährdeten Gebiete auf der Grundlage der auf diese Weise bestimmten Gewässer zum anderen jeweils unterschiedliche Verpflichtungen dar, die konkret und getrennt zu erfüllen sind.

(vgl. Randnrn. 64-65, 73)

4. Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 91/676 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen stellt nur auf den Fall ab, dass ein Mitgliedstaat das bestehende Verzeichnis der ausgewiesenen gefährdeten Gebiete prüft oder ergänzt, um zum Zeitpunkt der vorherigen Einstufung unvorhergesehene Faktoren zu berücksichtigen. Er regelt dagegen nicht das ursprüngliche, in Artikel 3 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie vorgesehene Verfahren, das darin besteht, die Gewässer zu bestimmen, die von Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden könnten, und dann anhand der auf diese Weise bestimmten Gewässer gefährdete Gebiete auszuweisen.

(vgl. Randnr. 80)

Top