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Document 62002CJ0151
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Sozialpolitik - Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer - Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Begriffe Arbeitszeit" und Ruhezeit"
(Richtlinie 93/104 des Rates Artikel 2 Nummern 1 und 2)
2. Sozialpolitik - Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer - Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Arbeitszeit - Begriff - Ärzte - Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus - Einbeziehung
(Richtlinie 93/104 des Rates, Artikel 2 Nummer 1)
3. Sozialpolitik - Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer - Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Ärzte - Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus - Nationale Regelung, die einen Ausgleich nur der Bereitschaftsdienstzeiten zulässt, in denen tatsächlich eine Tätigkeit ausgeübt wurde - Unzulässigkeit
(Richtlinie 93/104 des Rates)
4. Sozialpolitik - Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer - Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Ausnahmen nach Artikel 17 - Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern und gleichartigen Einrichtungen - Kürzung der täglichen Ruhezeit - Voraussetzung - Gleichwertige Ausgleichsruhezeiten - Grenzen
(Richtlinie 93/104 des Rates, Artikel 17 Absatz 2)
1. Die Begriffe Arbeitszeit" und Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dürfen nicht nach Maßgabe der Vorschriften der Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten ausgelegt werden, sondern sie stellen gemeinschaftsrechtliche Begriffe dar, die anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zweckes dieser Richtlinie zu bestimmen sind. Nur eine solche autonome Auslegung kann die volle Wirksamkeit dieser Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der genannten Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherstellen. Der Umstand, dass die Definition des Begriffes Arbeitszeit auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten" verweist, bedeutet daher nicht, dass die Mitgliedstaaten den Inhalt dieses Begriffes einseitig festlegen können. Die Mitgliedstaaten dürfen den Anspruch des Arbeitnehmers auf ordnungsgemäße Berücksichtigung der Arbeitszeiten und dementsprechend der Ruhezeiten somit keinerlei Bedingungen unterwerfen, da dieser Anspruch sich unmittelbar aus den Vorschriften dieser Richtlinie ergibt.
( vgl. Randnrn. 58-59 )
2. Die Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass der Bereitschaftsdienst, den ein Arzt in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus leistet, in vollem Umfang Arbeitszeit im Sinne dieser Richtlinie darstellt, auch wenn es dem Betroffenen in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, sich an seiner Arbeitsstelle auszuruhen, so dass die Richtlinie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer während eines Bereitschaftsdienstes untätig ist, als Ruhezeit eingestuft werden.
Entscheidend für die Annahme, dass der von den Ärzten im Krankenhaus geleistete Bereitschaftsdienst die charakteristischen Merkmale des Begriffes Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 93/104 aufweist, ist nämlich, dass sie sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müssen, um gegebenenfalls sofort ihre Leistungen erbringen zu können. Diese Verpflichtungen, aufgrund deren die betroffenen Ärzte ihren Aufenthaltsort während der Wartezeiten nicht frei bestimmen können, sind als Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzusehen. Der bloße Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arzt einen Ruheraum zur Verfügung stellt, in dem er sich aufhalten kann, solange keine beruflichen Leistungen von ihm verlangt werden, ändert nichts an diesem Ergebnis. Wirtschaftliche und organisatorische Einwände können diese Auslegung nicht in Frage stellen.
( vgl. Randnrn. 63-64, 66, 71, Tenor 1 )
3. Die Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die bei einem in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus geleisteten Bereitschaftsdienst - gegebenenfalls über einen Tarifvertrag oder eine aufgrund eines Tarifvertrags getroffene Betriebsvereinbarung - einen Ausgleich nur der Bereitschaftsdienstzeiten zulässt, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat.
( vgl. Randnr. 103, Tenor 2 )
4. Eine Kürzung der täglichen Ruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden durch Ableistung eines Bereitschaftsdienstes, der zur regelmäßigen Arbeitszeit hinzukommt, fällt nur dann unter die Abweichungsbestimmungen in Artikel 17 Absatz 2 Nummer 2.1 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wenn den betroffenen Arbeitnehmern gleichwertige Ausgleichsruhezeiten im unmittelbaren Anschluss an die entsprechenden Arbeitsperioden gewährt werden. Darüber hinaus darf eine solche Kürzung der täglichen Ruhezeit in keinem Fall zu einer Überschreitung der in Artikel 6 der Richtlinie festgesetzten Hoechstdauer der wöchentlichen Arbeitszeit führen.
( vgl. Randnr. 103, Tenor 2 )