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Document 62001TJ0203
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Rechtssache T-203/01
Manufacture française des pneumatiques Michelin
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„Artikel 82 EG — Rabattsysteme — Missbrauch“
Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 30. September 2003 II-4082
Leitsätze des Urteils
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Objektiver Begriff, der die Verhaltensweisen erfasst, die die Marktstruktur beeinflussen können und die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs behindern – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Rein leistungsbezogener Wettbewerb
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Rabatt, der die Abschottung des Marktes bewirkt – Treuerabatt – Qualifizierung als missbräuchliche Praxis
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Mengenrabatt – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Missbrauchscharakter des Rabattsystems – Beurteilungskriterien
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Mengenrabatt mit Treuerabattwirkung – Jahresrabatt in Höhe eines Prozentsatzes des mit dem Kunden im abgelaufenen Jahr getätigten Gesamtumsatzes, der mit diesem Umsatz progressiv und erheblich steigt
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Grenzen – Keine Verpflichtung, dem marktbeherrschenden Unternehmen die Identität seiner Kunden mitzuteilen, die an den Ermittlungen mitgewirkt haben
Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Ausschluss von Beweismitteln, die den Beteiligten nicht zur Kenntnis gebracht wurden – Auswirkungen – Keine Möglichkeit, den entsprechenden Vorwurf anhand dieser Schriftstücke zu beweisen
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Rabattsystem, das viel Raum für eine subjektive Beurteilung durch das marktbeherrschende Unternehmen lässt – Rabatt ohne objektive wirtschaftliche Rechtfertigung
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Reifen herstellendes Unternehmen – Verträge, mit denen den Händlern, die sich verpflichten, die Karkassen durchgehend bei diesem Unternehmen runderneuern zu lassen, ein Rabatt gewährt wird – Bedingung mit der Wirkung eines Koppelungsgeschäfts – Zulässigkeit nach dem nationalen Recht – Unerheblich – Vorrang des Gemeinschaftsrechts
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Pflichten, die den Händlern von Erzeugnissen des marktbeherrschenden Unternehmens im Gegenzug für finanzielle Vorteile auferlegt werden – Verpflichtungen mit dem Ziel, den Wettbewerb von Seiten anderer Hersteller zu beseitigen
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Objektiv nicht gerechtfertigte Pflichten im Zusammenhang mit Auskünften und Kontrollen, die den Händlern von Erzeugnissen des marktbeherrschenden Unternehmens im Gegenzug für finanzielle Vorteile auferlegt werden – Keine Anwendung der Verordnung Nr. 4087/88, nach der im Rahmen von Franchiseverträgen Auskunftspflichten vorgesehen werden können
(Artikel 82 EG; Verordnung Nr. 4087/88 der Kommission, Artikel 3 Absatz 2)
Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Verhaltensweisen, durch die die Aufrechterhaltung oder die Entwicklung des Wettbewerbs behindert wird oder werden soll
(Artikel 82 EG)
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen – Zulässigkeit – Voraussetzung – Keine Begründungspflicht
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Geldbuße zur Ahndung der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung – Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung – Berücksichtigung der Art und des Zwecks und nicht der konkreten Wirkungen der missbräuchlichen Praktiken
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
Wettbewerb – Geldbußen – Mehrere Zuwiderhandlungen – Verhängung einer einzigen Geldbuße – Zulässigkeit – Keine Verpflichtung der Kommission, die einzelnen missbräuchlichen Elemente im Einzelnen darzulegen
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Dauer der Zuwiderhandlung – Berücksichtigung der Dauer als solcher, unabhängig von ihren Auswirkungen auf den verursachten Schaden – Zulässigkeit
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Erschwerende Umstände – Wiederholungsfall – Begriff
(Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Erschwerende Umstände – Wiederholungsfall – Gleichartige Zuwiderhandlungen, die nacheinander von zwei Tochtergesellschaften derselben Muttergesellschaft begangen werden
Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Erschwerende Umstände – Anhebung der früher bei Wiederholungsfällen angewandten Erhöhungssätze – Herabsetzung der früher bei bestimmten mildernden Umständen angewandten Minderungssätze – Zulässigkeit
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
Der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ist ein objektiver Begriff, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfasst, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Präsenz des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die zur Folge haben, dass die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistung der Wirtschaftsbeteiligten unterscheiden. Folglich ist nicht jeder Preiswettbewerb ohne weiteres rechtmäßig, und ein Unternehmen in beherrschender Stellung darf mithin nicht auf andere als die einen leistungsbezogenen Wettbewerb kennzeichnenden Mittel zurückgreifen.
Deshalb trägt, auch wenn die Feststellung einer beherrschenden Stellung für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen enthält, dieses Unternehmen unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt. Zwar nimmt der Umstand, dass ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, und es darf auch in angemessenem Umfang so vorgehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält, doch ist ein solches Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Missbrauch abzielt.
(vgl. Randnrn. 54-55, 97)
In einem Rabattsystem, das die Abschottung des Marktes bewirkt, wird ein Verstoß gegen Artikel 82 EG gesehen, wenn es von einem Unternehmen in beherrschender Stellung angewandt wird.
So verhält es sich bei einem Treuerabatt, den ein Unternehmen in beherrschender Stellung seinen Kunden als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie sich verpflichten, ausschließlich oder fast ausschließlich bei ihm einzukaufen. Dieser Rabatt dient nämlich, selbst wenn er unterschiedslos gewährt wird, dazu, diese Kunden durch die Gewährung finanzieller Vorteile vom Bezug bei mit dem Unternehmen in beherrschender Stellung konkurrierenden Herstellern abzuhalten.
(vgl. Randnrn. 56-57, 65)
Von einem Unternehmen in beherrschender Stellung durchgeführte Mengenrabattsysteme, die ausschließlich an den Umfang der bei ihm getätigten Käufe anknüpfen, haben im Allgemeinen keine nach Artikel 82 EG verbotene Abschottungswirkung auf den Markt. Wenn die Erhöhung der Liefermenge dieses Unternehmens zu einer Kostensenkung für es führt, darf es die Senkung nämlich durch einen günstigeren Preis an seine Kunden weitergeben.
Folglich verstößt ein Mengenrabattsystem, bei dem sich die Höhe des Nachlasses nach Maßgabe der Abnahmemenge beim Unternehmen in beherrschender Stellung erhöht, nicht gegen Artikel 82 EG, es sei denn, die Kriterien und Modalitäten, nach denen der Rabatt gewährt wird, lassen erkennen, dass das System nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruht, sondern wie ein Treueund Zielrabatt die Kunden vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten soll.
Um zu bestimmen, ob ein Mengenrabattsystem missbräuchlich ist, müssen mithin sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, berücksichtigt werden, und es ist zu prüfen, ob die Rabatte darauf abzielen, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahlmöglichkeit hinsichtlich seiner Bezugsquellen zu nehmen oder einzuschränken, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, gegenüber Handelspartnern bei gleichwertigen Leistungen unterschiedliche Bedingungen anzuwenden oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken.
(vgl. Randnrn. 58-60, 62)
Die Beschwerdepunkte müssen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Mitteilung der Beschwerdepunkte nämlich den ihr durch die Gemeinschaftsverordnungen zugewiesenen Zweck erfüllen, den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen, damit sie sich sachgerecht verteidigen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt.
(vgl. Randnr. 77)
Ein von einem Lieferanten gegenüber seinen Kunden angewandtes Jahresmengenrabattsystem, bei dem sich der Nachlasssatz von den niedrigeren hin zu den höheren Stufen erheblich verändert und das durch einen Bezugszeitraum von einem Jahr und eine Ermittlung des Rabatts auf der Grundlage des im Bezugszeitraum erzielten Gesamtumsatzes gekennzeichnet ist, hat die Wesensmerkmale eines Treuerabattsystems, da es einen starken Anreiz enthält, sich dieses Lieferanten als Bezugsquelle zu bedienen.
(vgl. Randnr. 95)
Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung muss die Kommission berücksichtigen, dass das betroffene Unternehmen Vergeltungsmaßnahmen gegen seine Kunden ergreifen könnte, die an den Ermittlungen mitgewirkt haben. Angesichts dieser Gefahr darf die Kommission davon absehen, ihm die Identität dieser Unternehmen mitzuteilen, und sich darauf beschränken, ihm eine Tabelle zu übermitteln, in der die Antworten auf die den Unternehmen zugesandten Auskunftsverlangen anonymisiert wiedergegeben werden. Deshalb beachtet die Kommission, wenn sie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eine nicht vertrauliche Fassung dieser Antworten erstellt, zum einen das Erfordernis, die vertraulichen Informationen zu schützen, und zum anderen das Recht des Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf umfassende Akteneinsicht.
(vgl. Randnrn. 124-125)
Unterlagen, die von der Kommission gegen das betroffene Unternehmen verwendet wurden, ohne dass dieses im Verwaltungsverfahren über sie verfügt hätte, sind als Beweismittel für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln ausgeschlossen. Dieser Ausschluss führt zur Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, wenn er einen Vorwurf betrifft, der nur anhand dieser Unterlagen bewiesen werden kann.
(vgl. Randnr. 129)
Ein Nachlass, der von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt wird, ist nicht als missbräuchlich im Sinne des Artikels 82 EG anzusehen, wenn er wirtschaftlich objektiv gerechtfertigt ist. Daraus folgt, dass ein Rabattsystem, das von einem Unternehmen in beherrschender Stellung angewandt wird und diesem einen nicht zu vernachlässigenden Ermessensspielraum hinsichtlich der Gewährung des Nachlasses an seine Kunden lässt, als unbillig zu betrachten ist und eine missbräuchliche Ausnutzung im Sinne des Artikels 82 EG darstellt. Die Kunden befinden sich nämlich aufgrund der subjektiven Beurteilung der Kriterien, die Anspruch auf den Nachlass geben, in einer unsicheren Lage, da sie die Höhe des Nachlasses, der ihnen zugute kommen kann, nicht mit Sicherheit vorhersehen können.
(vgl. Randnrn. 140-141)
Gewährt ein Reifen herstellendes Unternehmen in marktbeherrschender Stellung den Händlern seiner Erzeugnisse eine Vergütung, wenn sie sich dazu verpflichten, die Karkassen ihrer Reifen durchgehend bei ihm runderneuern zu lassen, so liegt darin eine missbräuchliche Ausnutzung im Sinne des Artikels 82 EG. Denn mit dieser Vergütung setzt das Unternehmen in beherrschender Stellung den Hebel bei seinem wirtschaftlichen Gewicht auf dem Reifenmarkt im Allgemeinen und auf dem Markt für Neureifen im Besonderen an, um sicherzustellen, dass die Händler es als Runderneuerer wählen. Es stellt somit eine Bedingung auf, die die nach Artikel 82 EG verbotene Wirkung eines Koppelungsgeschäfts hat.
Insoweit kommt es in Anbetracht des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich und unter Berücksichtigung der Artikel 82 EG zuerkannten unmittelbaren Wirkung nicht darauf an, ob eine solche Bedingung etwa mit dem anwendbaren nationalen Recht vereinbar ist.
(vgl. Randnrn. 163, 166)
Eine missbräuchliche Ausnutzung im Sinne des Artikels 82 EG liegt vor, wenn sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung verpflichtet, sich an dem finanziellen Aufwand der Händler seiner Erzeugnisse zu beteiligen, wenn diese als Gegenleistung dafür Erzeugnisse herausstellen, die seine Marke tragen, die spontane Nachfrage nach seinen Erzeugnissen nicht umleiten und ausreichende Lagerbestände haben, um diese Nachfrage umgehend befriedigen zu können. Denn all diese Bedingungen zusammen zielen darauf ab, den Wettbewerb anderer Hersteller auszuschalten, indem die beherrschende Marktstellung des Unternehmens gefestigt wird.
(vgl. Randnrn. 208, 210)
Verpflichtet ein Unternehmen in beherrschender Stellung die Händler seiner Erzeugnisse als Gegenleistung für die Beteiligung an ihrem finanziellen Aufwand dazu, ihm verschiedene Auskünfte wie Bilanzen, Umsatz- und Dienstleistungsstatistiken und Angaben über die Anteilsverhältnisse zu übermitteln und ihm Betriebsprüfungen der Verkaufsstellen zu gestatten, um die Einhaltung der mit diesen Händlern vereinbarten Steigerungsachsen sicherzustellen, so liegt darin eine missbräuchliche Ausnutzung, wenn diese Pflichten nicht objektiv gerechtfertigt sind.
In diesen Pflichten ist insbesondere dann ein Missbrauch zu sehen, wenn darin der Wunsch des Unternehmens in beherrschender Stellung zum Ausdruck kommt, den Handel mit seinen Erzeugnissen genauer zu kontrollieren, nichtöffentliche Marktinformationen zu erhalten, die für seine eigene Geschäftsstrategie wertvoll sind, und die Abhängigkeit der Händler von ihm zu steigern.
Außerdem übersteigen solche Auskunftspflichten bei weitem die Auskunftspflichten, die im Rahmen einer Franchisevereinbarung nach der Verordnung Nr. 4087/88 aufgestellt werden dürfen, und zwar insbesondere nach deren Artikel 3 Absatz 2, der jedenfalls in den Anwendungsbereich des Artikels 81 Absatz 1 EG fällt und deshalb für die Beurteilung der Pflichten, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung seinen eigenen Kunden auferlegt, aus dem Blickwinkel des Artikels 82 EG ohne Belang ist.
(vgl. Randnrn. 21, 215-217, 219)
Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 82 EG genügt der Nachweis, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken, anders ausgedrückt, dass das Verhalten eine solche Wirkung haben kann. Folglich gehen für die Zwecke der Anwendung dieses Artikels der Nachweis des Zwecks und der Nachweis der wettbewerbswidrigen Wirkung eines missbräuchlichen Verhaltens ineinander über. Ist nämlich erwiesen, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung mit einem Verhalten bezweckt, den Wettbewerb zu beschränken, so wird dieses Verhalten auch geeignet sein, eine solche Wirkung zu entfalten. Folglich ist, wenn ein Unternehmen tatsächlich Praktiken anwendet, deren Ziel die Beschränkung des Wettbewerbs ist, die Anwendung von Artikel 82 EG nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das erwartete Ergebnis nicht erreicht worden ist.
(vgl. Randnrn. 239, 241, 245)
Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt und sie nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung um einen bestimmten Satz erhöht hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau sowie den Erhöhungssatz innerhalb der Grenzen anzuheben, die in der Verordnung Nr. 17 und in den von ihr erlassenen Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, gezogen werden, wenn sich dies als erforderlich erweist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Insbesondere darf sie das Niveau der Geldbußen anheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken.
Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet also nicht selbst den rechtlichen Rahmen für die Festsetzung der Höhe von Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17 und in den genannten Leitlinien geregelt ist.
Daher muss die Kommission in einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängt wird, auch nicht begründen, warum der für die Berechnung der Geldbuße gewählte Ausgangsbetrag nicht mit dem übereinstimmt, der in einer früheren Entscheidung angesetzt worden ist, mit der die gleiche Zuwiderhandlung durch ein anderes Unternehmen festgestellt wurde.
(vgl. Randnrn. 254-255, 277)
Bei der Festsetzung der Höhe der wegen missbräuchlicher Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verhängten Geldbuße darf die Kommission die Schwere dieser Zuwiderhandlung anhand allein ihrer Art und ihres Zwecks feststellen, ohne die konkreten Wirkungen der missbräuchlichen Praktiken zu berücksichtigen, da die erstgenannten Gesichtspunkte größere Bedeutung haben können als die zweitgenannten. Insbesondere muss die Kommission nicht die Entwicklung der Marktanteile und der Verkaufspreise des betroffenen Unternehmens untersuchen.
(vgl. Randnrn. 258-259)
In einer Entscheidung, mit der mehrere Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln durch ein und dasselbe Unternehmen festgestellt werden, darf die Kommission eine einheitliche Geldbuße für die Vielzahl der Zuwiderhandlungen verhängen, so dass die einheitliche Geldbuße pauschal alle Zuwiderhandlungen erfassen kann, die zusammen einen bestimmten Zeitraum abdecken. Insoweit muss die Kommission in den Gründen der Entscheidung nicht im Einzelnen darlegen, wie sie jedes einzelne der beanstandeten missbräuchlichen Elemente bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt hat.
(vgl. Randnrn. 265, 267)
Die Erhöhung der von der Kommission zur Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung ist nicht auf den Fall beschränkt, dass zwischen der Dauer und einer erhöhten Schädigung der mit den Wettbewerbsregeln verfolgten Ziele der Gemeinschaft ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
(vgl. Randnr. 278)
Der Begriff des Rückfalls, der in den Leitlinien der Kommission für die Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, als erschwerender Umstand genannt wird, zielt auf die Fälle ab, in denen ein und dasselbe Unternehmen, nachdem es für eine Zuwiderhandlung bestraft worden ist, eine neue, ähnliche Zuwiderhandlung begeht.
(vgl. Randnr. 284)
Da nach dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Artikel 81 EG und 82 EG darstellen, wenn sie ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmen, und dies zur Folge hat, dass die Kommission wegen der Praktiken der konzernzugehörigen Gesellschaften eine Geldbuße gegen die Muttergesellschaft verhängen kann, darf die Kommission von einem Rückfall ausgehen, wenn eine der Tochtergesellschaften eine Zuwiderhandlung begeht, die der gleichen Art ist wie eine Zuwiderhandlung, für die bereits eine andere Tochtergesellschaft bestraft worden ist.
(vgl. Randnr. 290)
Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit Geldbußen beim Vorliegen erschwerender Umstände wie einem Rückfall um einen bestimmten Satz erhöht hat, nicht daran gehindert, diese Sätze innerhalb der Grenzen anzuheben, die in der Verordnung Nr. 17 und in den von ihr erlassenen Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, gezogen werden, wenn sich dies als erforderlich erweist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Denn zum einen bildet die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für die Festsetzung der Höhe von Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17 und in den genannten Leitlinien geregelt ist, und zum anderen muss die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße sicherstellen, dass ihr Vorgehen eine abschreckende Wirkung hat. Insbesondere bei einem Rückfall ist eine erhebliche Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße gerechtfertigt, da der Rückfall beweist, dass die zuvor verhängte Sanktion nicht abschreckend genug war.
Auch bedeutet der Umstand, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Verhaltensweisen als mildernde Umstände angesehen hat, die Anlass zu einer deutlichen Herabsetzung der Geldbuße oder zur Einstellung eines Verfahrens geben, nicht, dass sie diese Verhaltensweisen stets gleich bewerten muss.
(vgl. Randnrn. 292-293, 298)