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Document 62001TJ0045

    Leitsätze des Urteils

    Rechtssache T-45/01

    Stephen Sanders u. a.

    gegen

    Kommission der Europäischen Gemeinschaften

    „Im gemeinsamen Unternehmen JET beschäftigtes Personal — Gleichbehandlung — Keine Zuerkennung des Status von Bediensteten auf Zeit — Artikel 152 E AG — Angemessene Verfahrensdauer — Materieller Schaden“

    Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 5. Oktober 2004   II-3320

    Leitsätze des Urteils

    1. Beamte – Klage – Klagerecht – Personen, die eine Entschädigung verlangen, weil sie von einem gemeinsamen EAG-Unternehmen nicht im Rahmen der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten beschäftigt worden sind

      (EAG-Vertrag, Artikel 152)

    2. Beamte – Klage – Fristen – Personen, die eine Entschädigung verlangen, weil sie von einem gemeinsamen EAG-Unternehmen nicht im Rahmen der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten beschäftigt worden sind – Einhaltung eines angemessenen Zeitraums – Dauer und Beginn des Zeitraums

      (Satzung des Gerichtshofes, Artikel 46; Beamtenstatut, Artikel 90)

    3. Beamte – Bedienstete auf Zeit – Einstellung – Personal des gemeinsamen EAG-Unternehmens Joint European Torus (JET) – Ermessen der Organe – Grenzen

      (Beschluss 78/471 des Rates)

    4. Beamte – Außervertragliche Haftung der Organe – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Begriff – Anwendung in dienstrechtlichen Streitsachen – Kriterien

    1.  Die Schadensersatzklage von Personen, die für das gemäß dem EAG-Vertrag gegründete gemeinsame Unternehmen Joint European Torus (JET) im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung durch vertraglich an das JET gebundene Drittunternehmen tätig gewesen sind und mit dieser Klage Schadensersatz verlangen, weil sie entgegen der Satzung des JET nicht als Bedienstete auf Zeit gemäß den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten eingestellt worden sind, ist den Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und deren Bediensteten zuzuordnen.

      Erstens betreffen nämlich die rechtlichen Probleme einer solchen Klage ebenso wie eine Klage, mit der jemand die Eigenschaft eines Beamten oder Bediensteten für sich in Anspruch nimmt, dienstrechtliche Ansprüche. Zweitens wird der Begriff der Streitsache zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten von der Rechtsprechung weit ausgelegt, so dass ein zu enges Verständnis des Begriffes Rechtsunsicherheit schaffen würde, da eventuelle Kläger im Ungewissen gelassen würden, welches streitige Verfahren in Betracht kommt, oder ihnen eine künstliche Wahlmöglichkeit geboten würde. Drittens ist die Entscheidung der Kläger für das Verfahren der Artikel 90 und 91 des Statuts von den am Rechtsstreit beteiligten Organen nicht beanstandet worden, die anerkennen, dass der Rechtsstreit und das ihnen vorgeworfene Fehlverhalten ihre Grundlage in dienstrechtlichen Ansprüchen finden.

      (vgl. Randnrn. 41, 43-45, 49)

    2.  Artikel 90 Absatz 1 des Beamtenstatuts sieht für die Einreichung eines Antrags keine Frist vor. Die Einhaltung einer angemessenen Frist ist jedoch notwendig, wenn in einem Fall, in dem eine entsprechende Regelung fehlt, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens es nicht zulassen, dass die Gemeinschaftsorgane und die natürlichen oder juristischen Personen ohne irgendeine zeitliche Begrenzung handeln und damit insbesondere die Beständigkeit erworbener Rechtspositionen gefährden. Bei Schadensersatzansprüchen, die zu einer finanziellen Verpflichtung der Gemeinschaft führen können, liegt der Einhaltung einer angemessenen Frist für die Einreichung eines Schadensersatzantrags auch die Sorge des Schutzes der öffentlichen Mittel zugrunde, die für Ansprüche aus außervertraglicher Haftung ihren besonderen Ausdruck in der in Artikel 46 der Satzung des Gerichtshofes festgelegten Ausschlussfrist von fünf Jahren gefunden hat.

      Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache, insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens der Parteien zu beurteilen.

      Wird von Personen, die für das gemeinsame Unternehmen (oint European Tonis (IET) im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung durch vertraglich an das JET gebundene Drittunternehmen tätig gewesen sind, ein Schadensersatzanspruch mit der Begründung erhoben, dass sie als Bedienstete auf Zeit gemäß den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten hätten eingestellt werden müssen, so ist, da sich insoweit ein Vergleich zur Regelung des genannten Artikels 46 ziehen lässt, zu verlangen, dass die Betroffenen, wenn sie sich für in rechtswidriger Weise diskriminiert halten, einen Antrag an das Gemeinschaftsorgan, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Zustand abzuhelfen und ihn zu beenden, innerhalb einer angemessenen Frist gerichtet haben, die fünf Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis der beanstandeten Situation nicht überschreiten darf.

      Dieser Zeitpunkt bestimmt sich angesichts der Unsicherheit, die für das Beschäftigungsverhältnis der Betroffenen kennzeichnend war, nach dem erstmaligen Abschluss oder der Verlängerung jedes einzelnen Jahresvertrags.

      (vgl. Randnrn. 58-59, 67, 69, 72, 81, 83)

    3.  Die Gemeinschaftsorgane verfügen bei der Wahl der Mittel, die zur Deckung ihres Personalbedarfs am besten geeignet sind, über ein weites Ermessen, insbesondere wenn es um die Einstellung von Bediensteten auf Zeit geht. Dies gilt gleichermaßen u. a. bei der Organisation und für den Betrieb der gemeinsamen Unternehmen, Auch wenn die Satzung des gemeinsamen Unternehmens Joint European Torus (JET) vorsah, dass „anderes Personal“ des Projektteams im Rahmen von Verträgen für Bedienstete auf Zeit einzustellen war, war die Kommission deswegen nicht zu solchen Einstellungen verpflichtet, wenn dies für das Projektteam nicht erforderlich war. Die Leitung des gemeinsamen Unternehmens hatte daher freie Hand, um bei der Zusammensetzung des Projektteams den Anteil festzulegen, der auf jede der beiden in Punkt 8.1 der Satzung genannten Personalgruppen (Personal, das dem gemeinsamen Unternehmen von den Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurde, und anderes Personal) entfallen sollte, wobei ihre Entscheidung durch die Eintragung im Stellenplan im Jahreshaushalt zum Ausdruck kam. Die Leitung durfte ebenso auf Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen oder Dienstleistungsunternehmen zurückgreifen, um verschiedene Aufgaben zu erledigen, die für den Betrieb des gemeinsamen Unternehmens notwendig waren, aber nicht zu den durch die Verträge zugewiesenen Aufgaben gehörten, d. h. Aufgaben, mit denen das Projektteam betraut war, das dabei dem Projektleiter unterstand Dagegen durfte die Leitung des JET solche Verträge nicht mit Arbeitnehmerüberlassungsfirmen oder Dienstleistungsunternehmen schließen, um die Anwendung der Satzung zu umgehen. Die den Gemeinschaftsorganen durch die Verträge zugewiesenen Aufgaben können nämlich nicht außenstehenden Unternehmen übertragen werden, sondern müssen von Personal ausgeführt werden, das einer dienstrechtlichen Regelung unterliegt.

      (vgl. Randnrn. 113-115)

    4.  Im Bereich der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft und insbesondere in Streitsachen, die die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten betreffen, ist ein Schadensersatzanspruch nach dem Gemeinschaftsrecht an drei Voraussetzungen geknüpft: Die den Organen der Gemeinschaft vorgeworfene Handlung muss rechtswidrig sein, es muss ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen.

      Damit ein Kausalzusammenhang bejaht werden kann, muss grundsätzlich der Beweis für einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Fehler des Gemeinschaftsorgans und dem geltend gemachten Schaden erbracht werden.

      In dienstrechtlichen Streitsachen ist jedoch der für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs erforderliche Grad an Sicherheit erreicht, wenn das rechtswidrige Verhalten eines Gemeinschaftsorgans den Betroffenen zwar nicht unbedingt um die Einstellung, auf die einen Anspruch gehabt zu haben er kaum je wird nachweisen können, aber mit Sicherheit um eine ernsthafte Chance auf Einstellung als Beamter oder Bediensteter gebracht hat, so dass der Betroffene als Folge hiervon einen materiellen Schaden in Form eines Einkommensverlustes erlitten hat. Erscheint es im konkreten Fall außerordentlich wahrscheinlich, dass das betreffende Gemeinschaftsorgan bei Einhaltung der Vorschriften den Betroffenen eingestellt hätte, steht die theoretische Ungewissheit, die hinsichtlich des Ausgangs eines ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens immer bleibt, dem Ersatz des tatsächlichen materiellen Schadens nicht entgegen, den der Betroffene dadurch erlitten hat, dass ihm das Recht genommen worden ist, sich auf eine unter das Statut fallende Stelle zu bewerben, die zu erhalten er gute Chancen hatte.

      (vgl. Randnrn. 99, 149-150)

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