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Document 62000TJ0069
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll – Organ, das über keinen Entscheidungsspielraum verfügt – Bloßer Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausreichend
(Artikel 288 Absatz 2 EG)
2. Schadensersatzklage – Welthandelsorganisation – Keine Möglichkeit der Berufung auf die WTO-Übereinkünfte, um die Rechtswidrigkeit einer Gemeinschaftshandlung geltend zu machen – Ausnahmen – Gemeinschaftshandlung, die der Umsetzung der WTO-Übereinkünfte dient oder ausdrücklich und speziell auf sie Bezug nimmt – Einfuhrregelung der Gemeinschaft für Bananen – Vom Streitbeilegungsgremium der WTO festgestellte Unvereinbarkeit mit den WTO-Regeln – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Regelung anhand der WTO-Regeln – Ausschluss
(Artikel 288 Absatz 2 EG; Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnung Nr. 2362/98 der Kommission)
3. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Kein rechtswidriges Verhalten der Gemeinschaftsorgane – Tatsächliches Vorliegen des Schadens, Kausalzusammenhang sowie Außergewöhnlichkeit und Besonderheit des Schadens – Kumulativer Charakter
(Artikel 288 Absatz 2 EG)
4. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Beibehaltung einer mit den WTO-Übereinkünften unvereinbaren Einfuhrregelung der Gemeinschaft für Bananen – Aus einer Vergeltungsmaßnahme der amerikanischen Verwaltung resultierender Schaden – Kausalzusammenhang
(Artikel 288 Absatz 2 EG)
5. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Kein rechtswidriges Verhalten der Gemeinschaftsorgane – Aus der Unvereinbarkeit der Einfuhrregelung der Gemeinschaft für Bananen mit den WTO-Übereinkünften resultierender Schaden – Kein außergewöhnlicher Schaden – Haftung der Gemeinschaft – Ausschluss
(Artikel 288 Absatz 2 EG)
1. Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Sinne von Artikel 288 Absatz 2 EG tritt nur dann ein, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft werden müssen.
Was die erste dieser Voraussetzungen angeht, so muss das einem Gemeinschaftsorgan vorgeworfene rechtswidrige Verhalten einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm darstellen, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob diesem Erfordernis genügt wird, besteht darin, ob das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Verfügt das Organ nur über einen erheblich verringerten oder gar auf null reduzierten Ermessensspielraum, so kann die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts genügen, um das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes nachzuweisen.
(vgl. Randnrn. 85-89)
2. Die Übereinkünfte der Welthandelsorganisation (WTO) gehören wegen ihrer Natur und Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst.
Folglich kann die etwaige Verletzung der WTO-Regeln durch die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich nicht die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft auslösen.
Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung umsetzen wollte oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, wäre es Sache des Gemeinschaftsrichters, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gemeinschaftsorgane anhand der WTO-Regeln zu prüfen.
Auch wenn eine Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums der WTO vorliegt, mit der die Einfuhrregelung für Bananen in die Gemeinschaft, die durch die Verordnung Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen geschaffen und anschließend durch die Verordnungen Nrn. 1637/98 und 2362/98 geändert wurde, für unvereinbar mit den WTO-Regeln erklärt wird, findet keine dieser beiden Ausnahmen Anwendung, die dem Gemeinschaftsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftsregelung anhand der WTO-Regeln ermöglichen würden.
Unerheblich sind insoweit der Ablauf der der Gemeinschaft von der WTO gesetzten Frist für die Herbeiführung der Vereinbarkeit der für unvereinbar erklärten Maßnahme mit den WTO-Regeln und die dem betroffenen Mitglied von der WTO erteilte Genehmigung, gegenüber der Gemeinschaft Maßnahmen zur Entschädigung und zur Aussetzung von Handelszugeständnissen zu treffen.
(vgl. Randnrn. 110, 113-115, 125)
3. Ist ein Schaden durch ein Verhalten der Gemeinschaftsorgane entstanden, dessen Rechtswidrigkeit nicht dargetan ist, so kann die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft nur dann ausgelöst werden, wenn die Voraussetzungen des tatsächlichen Vorliegens des Schadens, des Kausalzusammenhangs zwischen ihm und dem Verhalten der Gemeinschaftsorgane sowie der Außergewöhnlichkeit und Besonderheit des fraglichen Schadens nebeneinander erfüllt sind.
(vgl. Randnr. 160)
4. Aus den gemeinsamen Rechtsgrundsätzen der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, auf die Artikel 288 Absatz 2 EG Bezug nimmt, kann keine Verpflichtung der Gemeinschaft abgeleitet werden, Schadensersatz für jede noch so entfernte nachteilige Folge des Verhaltens ihrer Organe zu leisten. Der nach dieser Bestimmung erforderliche Kausalzusammenhang setzt nämlich voraus, dass ein hinreichend unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Gemeinschaftsorgane und dem Schaden besteht.
Insoweit besteht ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Beibehaltung einer mit den Übereinkünften der Welthandelsorganisation (WTO) unvereinbaren Einfuhrregelung für Bananen durch den Rat und die Kommission und dem Schaden, der den Wirtschaftsteilnehmern durch die Einführung eines amerikanischen Strafzolls auf ihre Erzeugnisse entstanden ist. Die einseitige Entscheidung der Vereinigten Staaten, diesen Strafzoll zu erheben, ist nicht geeignet, den genannten Kausalzusammenhang zu unterbrechen. Das Verhalten der fraglichen Organe hat nämlich zwangsläufig dazu geführt, dass die amerikanische Verwaltung unter Beachtung des von der Gemeinschaft akzeptierten Streitbeilegungssystems der WTO die Vergeltungsmaßnahme erlassen hat, so dass dieses Verhalten als die entscheidende Ursache für den entstandenen Schaden anzusehen ist.
(vgl. Randnrn. 177-178, 183-185, 191)
5. Bei den Schäden, die die Wirtschaftsteilnehmer durch die Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane erleiden können, handelt es sich um außergewöhnliche Schäden, wenn sie die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die der Tätigkeit in dem betroffenen Sektor innewohnen, überschreiten, und um besondere Schäden, wenn sie eine besondere Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegenüber den anderen unverhältnismäßig belasten.
Es ist aber nicht erwiesen, dass Wirtschaftsteilnehmer, deren Tätigkeit in der Vermarktung von Akkumulatoren auf dem amerikanischen Markt besteht, aufgrund der Unvereinbarkeit der Einfuhrregelung der Gemeinschaft für Bananen mit den Übereinkünften der Welthandelsorganisation (WTO), die zur Rücknahme von Zollzugeständnissen gegenüber der Gemeinschaft durch die amerikanische Verwaltung geführt hat, einen Schaden erlitten haben, der die Grenzen der Risiken, die ihrer Exporttätigkeit innewohnen, überschreitet. Die Möglichkeit einer Aussetzung von Zollzugeständnissen, die in den WTO-Übereinkünften vorgesehen ist, gehört nämlich zu den dem gegenwärtigen System des internationalen Handels innewohnenden Unwägbarkeiten. Diese Unwägbarkeit trifft daher zwangsläufig jeden Wirtschaftsteilnehmer, der beschließt, seine Produkte auf dem Markt eines der WTO-Mitglieder zu vertreiben.
Da der von den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern erlittene Schaden folglich nicht als außergewöhnlich eingestuft werden kann, ist ihr auf die Regelung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft ohne rechtswidriges Verhalten ihrer Organe gestützte Schadensersatzantrag zurückzuweisen.
(vgl. Randnrn. 202-203, 205, 211, 213)