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Document 62000TJ0067

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Nichtigkeitsklage – Befugnisse des Gemeinschaftsrichters – Austausch des Adressaten der Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans gegen einen neuen Adressaten – Kein Austausch bei Untergang des bezeichneten Adressaten

    (Artikel 229 EG und 230 Absatz 4 EG)

    2. Nichtigkeitsklage – Klage der natürlichen oder juristischen Person, die Adressat des angefochtenen Rechtsakts ist – Übertragung der Klage auf eine dritte Person – Unzulässigkeit

    (Artikel 229 EG und 230 Absatz 4 EG)

    3. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Natürliche oder juristische Person, die das Unternehmen zur Zeit der Zuwiderhandlung leitete – Haftung einer anderen Person, die die Leitung übernommen hat – Zulässigkeit – Umfang

    4. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit

    5. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Anforderungen an die Beweiskraft der einzelnen Indizien

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

    6. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung durch den Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung festgestellt wird – Entscheidung, die auf Urkundenbeweise gestützt ist – Beweisrechtliche Obliegenheiten von Unternehmen, die die Zuwiderhandlung bestreiten

    (Artikel 85 Absatz 1 EG)

    7. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Feststellung ausreichend

    (Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG)

    8. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beweislast der Kommission für das Vorliegen der Zuwiderhandlung – Grenzen

    (Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG)

    9. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beweis – Antwort eines Unternehmens auf ein Auskunftsersuchen der Kommission – Erklärung eines Unternehmens, der andere Unternehmen widersprechen – Aussage vor einem Staatsanwalt – Beweiswert – Würdigung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 11)

    10. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Vorlage eines Schriftstücks durch die Kommission ohne Offenbarung seiner Quelle – Zulässigkeit

    11. Wettbewerb – Kartelle – Teilnahme an Unternehmenszusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der bei fehlender Distanzierung von den getroffenen Beschlüssen auf die Beteiligung an der daraus resultierenden Absprache schließen lässt

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

    12. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beizubringende Beweismittel – Erforderliche Genauigkeit, was die von der Zuwiderhandlung betroffenen Produktarten angeht

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

    13. Verfahren – Beweis – Beweislast – Übergang vom Kläger auf den Beklagten unter besonderen Umständen – Unvermögen der Kommission, das Außerkrafttreten eines von ihr selbst geschlossenen Abkommens mit einem Drittstaat zu datieren

    14. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Unternehmen, denen eine Zuwiderhandlung in Form der Teilnahme an einem Gesamtkartell zur Last gelegt werden kann – Kriterien

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

    15. Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Kriterien

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

    16. Handlungen der Organe – Begründungspflicht – Umfang

    (Artikel 253 EG)

    17. Nichtigkeitsklage – Gründe – Verletzung der Verteidigungsrechte – Verletzung von subjektiven Rechten, die das Gericht nicht von Amts wegen zu prüfen hat

    (Artikel 230 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 48 § 2)

    18. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Abweichung der Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte – Verletzung der Verteidigungsrechte – Voraussetzung – Fehlende Möglichkeit des Unternehmens, sich gegen eine letztlich erhobene Beanstandung zu verteidigen

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 19 Absatz 1)

    19. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 19 Absatz 1)

    20. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Jeweilige Zuständigkeiten der Kommission und der Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelszone – Grundsatz einer einzigen Anlaufstelle – Eröffnung eines Verfahrens sowohl auf der Grundlage des EG-Vertrags als auch des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum – Zulässigkeit – Voraussetzung – Fehlende Möglichkeit, bereits in diesem Stadium die zuständige Behörde für die Feststellung und Ahndung der mutmaßlichen Zuwiderhandlung zu ermitteln

    (Artikel 81 EG; EWR-Abkommen, Artikel 56 und 109; Verordnung Nr. 17 des Rates)

    21. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße wegen der Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

    22. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Zusammenarbeit des Unternehmens im Verwaltungsverfahren – Begriff – Bloße Lieferung von Informationen ohne Anerkennung der Zuwiderhandlung – Ausschluss

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

    23. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

    24. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessensspielraum der Kommission – Grenzen – Einhaltung der Leitlinien der Kommission – Einhaltung der Regeln und allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

    25. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Überprüfung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Voraussetzungen für die Ausübung – Umfang

    (Artikel 229 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 17)

    Leitsätze

    1. Der alleinige Rechtsnachfolger einer verstorbenen natürlichen Person oder untergegangenen juristischen Person tritt von Rechts wegen und zwangsläufig uneingeschränkt in die Rechtsstellung seines Vorgängers als Adressat des Rechtsakts eines Gemeinschaftsorgans ein und kann daher eine von dem Vorgänger gegen den Rechtsakt erhobene Nichtigkeitsklage fortführen.

    Dagegen besitzt der Gemeinschaftsrichter weder im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG noch selbst bei der Ausübung seiner unbeschränkten Ermessensnachprüfung von Zwangsmaßnahmen gemäß Artikel 229 EG eine Zuständigkeit dafür, die Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans durch den Austausch ihres Adressaten gegen eine andere natürliche oder juristische Person zu ändern, solange der Adressat noch existiert. Diese Zuständigkeit besitzt von vornherein allein das Organ, das die fragliche Entscheidung erlassen hat. Hat also das zuständige Organ eine Entscheidung bereits erlassen und damit die Person identifiziert, an die die Entscheidung zu richten war, so ist es nicht Sache des Gerichts, diese Person durch eine andere zu ersetzen.

    (vgl. Randnrn. 46-47)

    2. Eine Klage, die eine Person als Adressat eines Rechtsakts zur Geltendmachung ihrer Rechte durch einen Nichtigkeitsantrag nach Artikel 230 EG und/oder einen Änderungsantrag nach Artikel 229 EG erhebt, kann nicht auf einen Dritten übertragen werden, der nicht Adressat des Rechtsakts ist. Würde eine solche Übertragung zugelassen, so entstünde nämlich eine Abweichung zwischen der Eigenschaft, in der die Klage erhoben wurde, und der Eigenschaft, in der sie vorgeblich weiterverfolgt wird. Damit entstünde überdies eine Disparität zwischen der Identität des Adressaten des Rechtsakts und der Person, die im gerichtlichen Verfahren als Adressat auftritt.

    (vgl. Randnr. 48)

    3. Die Person, die die Verantwortung für die Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens übernommen hat, kann im Verwaltungsverfahren vor der Kommission durch eine entsprechende Erklärung die Verantwortung für Handlungen übernehmen, die dem wirklichen Verantwortlichen zur Last gelegt werden, obwohl grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung leitete, für diese einzustehen hat. Eine solche Erklärung kann jedoch, wenn eine Entscheidung der Kommission bereits ergangen ist, weder die Identität ihres Adressaten noch, wenn gegen die Entscheidung bereits eine Nichtigkeitsklage erhoben wurde, die Identität des Klägers ändern.

    (vgl. Randnr. 50)

    4. Der insbesondere in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union und durch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können.

    Verbleiben dem Richter Zweifel, so müssen sie folglich dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugute kommen. Der Richter kann also nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission pflichtgemäß die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt.

    (vgl. Randnrn. 173, 177-178)

    5. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die von ihr festgestellte Zuwiderhandlung begangen wurde.

    Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt. Dass sich ein Dokument nur auf manche der in anderen Beweismitteln erwähnten Tatsachen bezieht, kann daher keine Verpflichtung der Kommission begründen, dieses Dokument aus dem belastenden Beweisbündel herauszunehmen.

    (vgl. Randnrn. 179-180, 238, 263)

    6. Stützt sich die Kommission für den Nachweis der von ihr geahndeten Zuwiderhandlung, die im Abschluss einer durch Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG verbotenen Vereinbarung mit wettbewerbswidrigem Zweck bestand, auf Urkundenbeweise, so können die betroffenen Unternehmen den Vorwurf, dass eine solche Zuwiderhandlung vorlag, nur dadurch entkräften, dass sie aufzeigen, dass die angeführten Beweise für den Nachweis des Vorliegens einer rechtswidrigen Vereinbarung nicht genügen. Hingegen können sie sich nicht wirksam durch den Nachweis verteidigen, dass der Abschluss der Vereinbarung nicht in ihrem wirtschaftlichen Interesse lag oder dass es für ihr tatsächliches Verhalten auf dem Markt auch eine andere plausible Erklärung gebe als den Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung.

    (vgl. Randnrn. 181-187)

    7. Da es die Aufgabe der Kommission ist, Zuwiderhandlungen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG zu ahnden, und da Buchstabe c dieser Bestimmung Vereinbarungen zur Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen ausdrücklich verbietet, braucht die Kommission nur nachzuweisen, dass es sich um eine Vereinbarung zwischen Unternehmen handelte, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Aufteilung der Gemeinschaftsmärkte für ein Produkt oder mehrere Produkte unter diesen Unternehmen bezweckte oder bewirkte.

    (vgl. Randnr. 202)

    8. Wenn die Kommission für die Ahndung einer Zuwiderhandlung gemäß Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG auch notwendig nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Vereinbarung über die Aufteilung von Märkten geschlossen wurde, wäre es überzogen, außerdem noch zu verlangen, dass sie den speziellen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das einer Zuwiderhandlung schuldig ist, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, könnte es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen, dass die über die Funktionsweise der Vereinbarung vorgelegten Informationen zu unbestimmt sind. Die Unternehmen können sich in einer solchen Situation sachgerecht dadurch verteidigen, dass sie zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können.

    (vgl. Randnrn. 203, 317)

    9. Im Namen eines Unternehmens abgegebene Antworten auf ein Auskunftsverlangen der Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 haben eine höhere Glaubhaftigkeit als, unabhängig von dessen persönlicher Erfahrung oder Meinung, die Antwort eines Mitarbeiters des Unternehmens.

    Allerdings kann eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird.

    Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen. Insbesondere kann daraus, dass eine Person, die zur Stellungnahme zu bestimmten Unterlagen aufgefordert wird, zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und die damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen.

    Wenn eine Aussage vor einem Staatsanwalt auch nicht den gleichen Wert wie eine eidliche Zeugenaussage vor Gericht hat, ist doch eine solche Aussage angesichts der Ermittlungsbefugnisse des Staatsanwalts und der möglichen strafrechtlichen Folgen für einen Beteiligten, der im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gelogen hat, verlässlicher als eine einfache Erklärung.

    (vgl. Randnrn. 205, 211-212, 219, 296, 312)

    10. Im Gemeinschaftsrecht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ist ihre Glaubhaftigkeit. Die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks kann nicht mit der Begründung in Abrede gestellt werden, dass die Kommission seine Quelle nicht offenbart hat, weil es für die Kommission erforderlich sein kann, die Anonymität ihrer Informanten zu schützen.

    (vgl. Randnr. 273)

    11. Nimmt ein Unternehmen an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, so kann der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat.

    (vgl. Randnr. 327)

    12. Geht aus der Entscheidung, mit der eine Absprache geahndet wird, insgesamt hervor, dass die festgestellte Zuwiderhandlung eine bestimmte Produktart betraf, und gibt die Entscheidung die dieses Ergebnis stützenden Nachweise an, so kann der Umstand, dass die Entscheidung keine genaue und abschließende Aufzählung aller von der Zuwiderhandlung betroffenen Produktarten enthält, allein nicht genügen, um ihre Nichtigerklärung zu rechtfertigen. Andernfalls könnte sich ein Unternehmen jeder Sanktion entziehen, obgleich die Kommission mit Gewissheit festgestellt hat, dass es eine Zuwiderhandlung unter Umständen verwirklichte, unter denen die Identität der einzelnen Produkte innerhalb einer Palette von gleichartigen Produkten, die das Unternehmen vermarktet, nicht feststellbar ist.

    (vgl. Randnr. 336)

    13. Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich auf Umstände beruft, die er nicht beweisen kann, lässt sich dieses Prinzip der Beweislast in einem Fall, in dem die Kommission das Vorliegen einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung für die Zeit der Geltung von Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, und einem Drittland verneint hat, nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung dieser Abkommen geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission zur Vorlage von Beweismitteln für einen Umstand, der sie unmittelbar betrifft, nimmt dem Gericht nämlich die Möglichkeit, seine Entscheidung in Kenntnis dieses Zeitpunkts zu erlassen; es widerspräche dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens den Unternehmen aufzubürden, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet war und die im Gegensatz zu dem beklagten Organ nicht in der Lage sind, den fehlenden Nachweis zu führen.

    (vgl. Randnrn. 342-344)

    14. Ein Unternehmen kann für ein Gesamtkartell zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn es nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen dieses Kartells unmittelbar mitgewirkt hat, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass die Absprache, an der es insbesondere durch die Teilnahme an regelmäßig über mehrere Jahre stattfindenden Sitzungen beteiligt war, Teil eines Gesamtsystems war, das auf die Verfälschung des normalen Wettbewerbs gerichtet war, und dass sich dieses System auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte.

    Dass einzelne Unternehmen bei der Verfolgung eines gemeinsamen Zieles unterschiedliche Rollen spielten, ändert nichts an dem wettbewerbswidrigen Zweck und damit an der Zuwiderhandlung, sofern jedes Unternehmen auf seiner Ebene zur Verfolgung des gemeinsamen Zieles beitrug.

    (vgl. Randnr. 370)

    15. Ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise können den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher und tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen können. Folglich braucht die Kommission, da eine potenzielle Beeinflussung genügt, nicht nachzuweisen, dass der Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Jedoch darf diese tatsächliche oder potenzielle Beeinflussung nicht nur geringfügig sein.

    (vgl. Randnr. 392)

    16. Die Pflicht zur Begründung eines Rechtsakts kann das Gemeinschaftsorgan, das ihn erlässt, nicht zur Angabe der Gründe verpflichten, aus denen es nicht gleichartige Rechtsakte gegenüber Dritten erließ.

    (vgl. Randnr. 414)

    17. Eine Verletzung der Verteidigungsrechte, die ihrem Wesen nach eine Verletzung von subjektiven Rechten ist, gehört nicht zur Verletzung wesentlicher Formvorschriften und ist daher nicht von Amts wegen zu prüfen.

    (vgl. Randnr. 425)

    18. Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur dann verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten.

    Grundsätzlich kann es der Kommission daher nicht zur Last gelegt werden, dass sie die Reichweite einer endgültigen Entscheidung enger fasst als die der vorangegangenen Mitteilung der Beschwerdepunkte, da die Kommission, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten der Mitteilung zu wahren, diese anhören und ihre Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen berücksichtigen muss.

    (vgl. Randnrn. 429-430)

    19. Im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die Kommission nur verpflichtet, die Beschwerdepunkte und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt sowie dessen Bewertung so klar darzulegen, dass sich die Adressaten der Mitteilung sachgemäß verteidigen können. Sie braucht hingegen nicht die Schlussfolgerungen darzulegen, die sie aus dem Sachverhalt, den Unterlagen und den rechtlichen Erwägungen zieht.

    (vgl. Randnr. 453)

    20. Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) schafft u. a. in den Artikeln 56 und 109 das System einer „einzigen Anlaufstelle“, das von der Untersuchung an eingreift, so dass jede der beiden Behörden, sobald sie feststellt, dass die andere Behörde zuständig ist, verpflichtet ist, die Sache abzugeben und ihre Akten der anderen Behörde zuzuleiten.

    Jedoch kann der Begriff der „einzigen Anlaufstelle“ nicht vom Beginn einer Untersuchung an eingreifen, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststellbar ist, welche Behörde zuständig ist, ohne – falls die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelszone (EFTA) befasst wird, letztlich aber die Kommission zuständig ist – den vorstehend genannten Grundsatz zu verletzen, dass die Bestimmungen des EWR-Abkommens der Kommission nicht ihre Zuständigkeit zur Untersuchung von den Handel zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beeinträchtigenden Wettbewerbsverstößen nehmen können.

    Darum ist es nicht zu beanstanden, dass die Kommission für die Einleitung einer Untersuchung auf einem bestimmten Sektor als Rechtsgrundlage gleichzeitig Artikel 81 EG, die Verordnung Nr. 17, Artikel 53 des EWR-Abkommens und eine Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde, mit der ein Amtshilfeersuchen an die Kommission genehmigt wurde, heranzieht, wenn sie im Zeitpunkt der Eröffnung der Untersuchung bei vernünftiger Betrachtung nicht wissen kann, welches die richtige Rechtsgrundlage ist, weil dies gerade vom Ergebnis der durchzuführenden Untersuchung abhängt.

    (vgl. Randnrn. 489-490, 492)

    21. Soweit Unternehmen der Kommission im selben Stadium des Verwaltungsverfahrens und unter gleich gelagerten Umständen vergleichbare Informationen über den ihnen angelasteten Sachverhalt mitteilen, ist der Grad ihrer Zusammenarbeit als vergleichbar anzusehen, so dass sie bei der Bemessung der gegen sie verhängten Geldbußen insoweit auch gleich zu behandeln sind.

    (vgl. Randnrn. 501, 573)

    22. Die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen.

    Ein Unternehmen erleichtert die Aufgabe der Kommission nicht nennenswert, wenn es ihr nur die von ihr angeforderten Angaben zum Sachverhalt macht, deren Nutzen ausschließlich darin liegt, dass sie in gewissem Umfang der Kommission bereits vorliegende Erklärungen erhärten, jedoch jede Bewertung dieser Angaben ablehnt, aus der sich eine von ihm begangene Zuwiderhandlung ergeben könnte, und der Kommission gegenüber zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens erklärt, dass es die Richtigkeit des Sachverhalts einräumt, sondern diesen auch vor dem Gericht weiterhin bestreitet.

    (vgl. Randnrn. 499, 503-505)

    23. Der Bußgeldbetrag, der einem Unternehmen wegen einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung auferlegt wird, ist so zu bemessen, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere im Verhältnis steht.

    Für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sind sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind.

    (vgl. Randnr. 532)

    24. Auch wenn die Kommission für die Festsetzung der Höhe einer Geldbuße über ein Ermessen verfügt, darf sie nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat, und muss insbesondere die in ihren Leitlinien zwingend festgelegten Gesichtspunkte berücksichtigen. Soweit ihre Leitlinien sie nicht zur durchgehenden Berücksichtigung eines bestimmten Umstands verpflichten, darf die Kommission indessen die insoweit heranzuziehenden Gesichtspunkte auswählen, um so ihre Beurteilung dem Einzelfall anzupassen. Jedoch muss diese Beurteilung das Gemeinschaftsrecht wahren, zu dem nicht nur die Vorschriften des Vertrages gehören, sondern auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze.

    (vgl. Randnrn. 537, 553, 572)

    25. Wenn ein Unternehmen, das gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der ihm wegen einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße auferlegt wurde, im Rahmen seiner Klage, und sei es durch einen Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße, beantragt, dass der Gemeinschaftsrichter die Höhe der gegen es verhängten Geldbuße im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung neu festsetzt, so ist das Gericht ermächtigt, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern, um die Höhe der verhängten Geldbuße anders festzusetzen. Die dem Gemeinschaftsrichter in Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 im Einklang mit Artikel 229 EG verliehene Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung schließt ausdrücklich die Befugnis ein, die verhängte Geldbuße gegebenenfalls zu erhöhen.

    Die Bevollmächtigten der Kommission können – vorbehaltlich etwaiger ausdrücklicher Anweisungen ihrer Vorgesetzten im gegenteiligen Sinne – bei den Gemeinschaftsgerichten den Antrag stellen, die von den Mitgliedern der Kommission festgesetzten Geldbußen im Wege der unbeschränkten richterlichen Ermessensnachprüfung zu erhöhen. Denn ein Bevollmächtigter der Kommission setzt sich damit, dass er den Gemeinschaftsrichter um die Ausübung einer diesem zustehenden Befugnis ersucht und Argumente vorbringt, die dies rechtfertigen könnten, nicht an die Stelle eines Kommissionsmitglieds.

    (vgl. Randnrn. 575, 577)

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