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Document 62000CJ0480

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Mitgliedstaaten — Verpflichtungen — Durchführung des Gemeinschaftsrechts — Anwendung der formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts — Voraussetzungen — (EG-Vertrag, Artikel 5 [jetzt Artikel 10 EG])

2. Landwirtschaft — Gemeinsame Agrarpolitik — Ziele — Rationalisierung der Milcherzeugung und Gewährleistung eines angemessenen Einkommens für die Erzeuger — Einführung einer Zusatzabgabe für Milch — Rechtmäßigkeit — (Verordnung Nr. 3950/92 des Rates, Artikel 10; Verordnung Nr. 536/93 der Kommission, Artikel 3 und 4)

Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Milch und Milcherzeugnisse – Zusätzliche Abgabe für Milch – Verordnungen Nrn 3950/92 und 536/93 — Referenzmengen — Nachträgliche Berichtigung und Neuberechnung der Abgaben nach Ablauf der Frist für deren Zahlung — Zulässigkeit — Keine Verletzung des berechtigten Vertrauens — (Verordnung Nr. 3950/92 des Rates, Artikel 1 und 4; Verordnung Nr. 536/93 der Kommission, Artikel 3 und 4)

Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Milch und Milcherzeugnisse – Zusätzliche Abgabe für Milch – Verordnungen Nrn 3950/92 und 536/93 — Referenzmengen — Nachträgliche Berichtigung — Pflicht zur Mitteilung an die Erzeuger — Beurteilung der Erfüllung dieser Pflicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit durch das nationale Gericht — (Verordnung Nr. 3950/92 des Rates; Verordnung Nr. 536/93 der Kommission)

Leitsätze

1. Gemäß den allgemeinen Grundsätzen, auf denen die Gemeinschaft beruht und die die Beziehungen zwischen ihr und den Mitgliedstaaten beherrschen, ist es nach Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen zu sorgen. Soweit das Gemeinschaftsrecht einschließlich seiner allgemeinen Grundsätze hierfür keine gemeinsamen Vorschriften enthält, gehen die nationalen Behörden bei der Durchführung dieser Regelungen nach den formellen und materiellen Bestimmungen ihres nationalen Rechts vor.

Beim Erlass von Maßnahmen zur Durchführung einer Gemeinschaftsregelung haben die nationalen Behörden jedoch ihr Ermessen unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts auszuüben, zu denen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gehören.

(vgl. Randnrn. 42-43)

2. Die Zusatzabgabenregelung im Milchsektor zielt darauf ab, auf dem durch strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Milchmarkt durch eine Beschränkung der Milcherzeugung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder herzustellen. Diese Maßnahme hält sich daher im Rahmen der Ziele, die Milcherzeugung zu rationalisieren und für die betroffene landwirtschaftliche Bevölkerung durch einen Beitrag zur Stabilisierung ihres Einkommens eine angemessene Lebenshaltung aufrechtzuerhalten.

Daraus folgt, dass die Zusatzabgabe nicht als eine Sanktion angesehen werden kann, die den in den Artikeln 3 und 4 der Verordnung Nr. 536/93 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor vorgesehenen Strafbeträgen entspricht. Denn die Zusatzabgabe für Milch stellt eine Beschränkung dar, die sich aus markt- oder strukturpolitischen Bestimmungen ergibt.

Außerdem ist die Zusatzabgabe, wie sich eindeutig aus Artikel 10 der Verordnung Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor ergibt, Teil der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte und wird zur Finanzierung der Ausgaben im Milchsektor verwendet. Folglich hat die Zusatzabgabe, außer dass sie offenkundig bezweckt, die Milcherzeuger zur Einhaltung der ihnen zugeteilten Referenzmengen zu zwingen, auch einen wirtschaftlichen Zweck, da sie der Gemeinschaft die Mittel verschaffen soll, die für den Absatz der von den Erzeugern durch Überschreitung ihrer Quoten erreichten Produktion benötigt werden.

(vgl. Randnrn. 57-59)

3. Die Artikel 1 und 4 der Verordnung Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor sowie die Artikel 3 und 4 der Verordnung Nr. 536/93 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor sind dahin auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, im Anschluss an Kontrollen die den einzelnen Erzeugern zugeteilten einzelbetrieblichen Referenzmengen zu berichtigen und dementsprechend die geschuldeten Zusatzabgaben nach Neuzuweisung der nicht genutzten Referenzmengen und nach Ablauf der Frist für die Zahlung der für das betreffende Milchwirtschaftsjahr geschuldeten Abgaben neu zu berechnen.

Denn zum einen kann, da die einzelbetriebliche Referenzmenge, die ein Erzeuger beanspruchen kann, der von ihm im Referenzjahr vermarkteten Milchmenge entspricht, der Erzeuger, der grundsätzlich weiß, welche Menge er produziert hat, kein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer falschen Referenzmenge haben.

Zum anderen kann es kein berechtigtes Vertrauen in den Fortbestand einer offenkundig gemeinschaftsrechtswidrigen Lage, nämlich in die Nichtanwendung der Zusatzabgabenregelung im Milchsektor, geben. Die Milcherzeuger der Mitgliedstaaten können elf Jahre nach der Einführung dieser Regelung nicht erwarten, dass sie weiter unbeschränkt Milch produzieren können.

(vgl. Randnrn. 66-68, Tenor 1)

4. Die Verordnungen Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor und Nr. 536/93 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor sind dahin auszulegen, dass die Erstzuteilung der einzelbetrieblichen Referenzmengen und jede spätere Änderung dieser Mengen den betroffenen Erzeugern von den zuständigen nationalen Behörden mitgeteilt werden müssen.

Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass diese Mitteilung geeignet ist, den betroffenen natürlichen oder juristischen Personen jede Information über die Erstzuteilung ihrer einzelbetrieblichen Referenzmenge oder deren spätere Änderung zu erteilen. Das nationale Gericht hat auf der Grundlage der ihm vorliegenden Tatsachen zu prüfen, ob dies in den Ausgangsverfahren der Fall ist.

(vgl. Randnr. 87, Tenor 2)

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