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Document 62000CJ0150
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Freier Warenverkehr — Mengenmäßige Beschränkungen — Maßnahmen gleicher Wirkung — Verwaltungspraxis, nach der bestimmte Vitamin‑ und Mineralstoffpräparate bei Überschreiten der einfachen Tagesdosis als Arzneimittel eingestuft werden — Rechtfertigung — Schutz der öffentlichen Gesundheit — Keine Rechtfertigung — Erfordernis einer eingehenden Einzelfallprüfung — (Artikel 28 EG und 30 EG; Richtlinie 65/65 des Rates, Artikel 1)
Ein Mitgliedstaat, der Vitamin‑ oder Mineralstoffpräparate, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden, durchgängig als Arzneimittel einstuft, wenn ihr Gehalt an Vitaminen außer den Vitaminen A, C, D oder K oder an Mineralstoffen außer solchen der Gruppe Chromate die einfache Tagesdosis dieser Nährstoffe überschreitet oder wenn sie, unabhängig von der Dosierung, die Vitamine A, D oder K enthalten, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG.
Da nämlich eine solche Einstufung, was die Vitamine außer den Vitaminen A, C, D und K und die nicht zur Gruppe Chromate gehörenden Mineralstoffe anbelangt, nicht vollständig dem Erfordernis genügt, dass jedes Vitamin‑ oder Mineralstoffpräparat nach Maßgabe seiner pharmakologischen Eigenschaften einzustufen ist, und folglich nicht jedes betroffene Präparat unter die Definition des Arzneimittels „nach der Funktion“ im Sinne der Richtlinie 65/65 über Arzneimittel fällt und diese Einstufung, was die Vitamine A, D oder K angeht, zur Konsequenz haben kann, dass Präparate mit diesen Vitaminen auch dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn ihr Gehalt an diesen Nährstoffen zu gering ist, um unter die entsprechende Definition der Richtlinie 65/65 zu fallen, behindert diese Praxis den Handel, weil Vitamin‑ oder Mineralstoffpräparate, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht oder hergestellt werden, in dem in Frage stehenden Mitgliedstaat erst vertrieben werden dürfen, wenn sie eine Verkehrsgenehmigung für Arzneimittel erhalten haben.
Diese Praxis kann nicht mit Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Artikel 30 EG gerechtfertigt werden, da sie nicht nach den verschiedenen zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen und insbesondere nicht nach der Höhe des Risikos, das dieser Zusatz möglicherweise für die öffentliche Gesundheit begründet, unterscheidet und ihre Durchgängigkeit es somit unmöglich macht, ein reales Risiko für die öffentliche Gesundheit zu ermitteln und zu bewerten, wofür in jedem Einzelfall eine eingehende Prüfung der mit dem Zusatz der fraglichen Vitamine oder Mineralstoffe möglicherweise verbundenen Folgen erforderlich wäre.
(vgl. Randnrn. 68, 74, 82, 95-96, 102 und Tenor)