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Document 62000CJ0052

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Rechtsangleichung - Maßnahmen zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarkts - Rechtsgrundlage - Artikel 100 EG-Vertrag (jetzt Artikel 94 EG) - Keine Befugnis der Mitgliedstaaten, von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende Vorschriften beizubehalten oder einzuführen

    (EWG-Vertrag, Artikel 100 [nach Änderung Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG]; EG-Vertrag, Artikel 100a [nach Änderung jetzt Artikel 95 EG])

    2. Rechtsangleichung - Maßnahmen zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarkts - Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 153 EG bereits erlassene Richtlinien - Befugnis der Mitgliedstaaten, auf der Grundlage des Artikels 153 EG strengere Verbraucherschutzmaßnahmen beizubehalten oder zu erlassen - Unbeachtlich

    (Artikel 94 EG, 95 EG und 153 EG)

    3. Rechtsangleichung - Haftung für fehlerhafte Produkte - Richtlinie 85/374 - Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten - Durch die Richtlinie verwirklichter Grad der Harmonisierung

    (Richtlinie 85/374 des Rates)

    4. Rechtsangleichung - Haftung für fehlerhafte Produkte - Richtlinie 85/374 - Keine Möglichkeit, eine von der Regelung der Richtlinie abweichende allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten

    (Richtlinie 85/374 des Rates, Artikel 13)

    5. Vertragsverletzungsverfahren - Verstoß gegen die Verpflichtungen, die sich aus einer Richtlinie ergeben - Verteidigungsmittel - Infragestellung der Rechtmäßigkeit der Richtlinie - Unzulässigkeit

    (Artikel 226 EG, 227 EG, 230 EG und 232 EG)

    6. Rechtsangleichung - Haftung für fehlerhafte Produkte - Richtlinie 85/374 - Geltungsbereich - Unterschiedliche Haftungsregelungen für Hersteller und Geschädigte - Rechtfertigung

    (Richtlinie 85/374 des Rates, Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b)

    7. Vertragsverletzungsverfahren - Streitgegenstand - Bestimmung während des Vorverfahrens - Spätere Beschränkung - Zulässigkeit

    (Artikel 226 EG)

    Leitsätze

    1. Anders als Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) begründet Artikel 100 EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG) keine Befugnis für die Mitgliedstaaten, von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende Vorschriften beizubehalten oder einzuführen.

    ( vgl. Randnr. 14 )

    2. Artikel 153 EG ist als an die Gemeinschaft gerichtete Anweisung für ihre zukünftige Politik gefasst und kann den Mitgliedstaaten wegen der unmittelbaren Gefährdung des gemeinschaftlichen Besitzstandes keine Befugnis verleihen, selbständig Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stuenden, wie es sich aus den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 153 EG bereits erlassenen Richtlinien ergibt. Die den Mitgliedstaaten durch Absatz 5 dieser Vorschrift verliehene Befugnis, strengere Verbraucherschutzmaßnahmen als die Gemeinschaftsmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, betrifft nämlich nur die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe b EG genannten Maßnahmen. Sie bezieht sich nicht auf die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe a EG genannten Maßnahmen, also die nach Artikel 95 EG erlassenen Maßnahmen, denen die auf der Grundlage des Artikels 94 EG erlassenen Maßnahmen in diesem Zusammenhang gleichzustellen sind.

    ( vgl. Randnr. 15 )

    3. Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte wird zur Gänze von der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte selbst festgelegt und ist aus deren Wortlaut, Zweck und Systematik abzuleiten. Der Umstand, dass diese Richtlinie bestimmte Ausnahmen vorsieht oder in manchen Punkten auf das nationale Recht verweist, bedeutet nicht, dass die Harmonisierung in den durch sie geregelten Punkten nicht vollständig ist. Folglich bezweckt die Richtlinie 85/374 für diese Punkte eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.

    ( vgl. Randnrn. 16, 19 und 24 )

    4. Artikel 13 der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweicht.

    Denn die Bezugnahme in dieser Vorschrift auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund vertraglicher oder außervertraglicher Haftung geltend machen kann, ist dahin auszulegen, dass die durch die Richtlinie eingeführte Regelung nicht die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung ausschließt, die wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhen. Auch die Bezugnahme in Artikel 13 auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, ist dahin zu verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt wird, die auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt ist.

    ( vgl. Randnrn. 21-23 )

    5. Das Klagesystem des EG-Vertrags unterscheidet zwischen den in den Artikeln 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Artikeln 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll. Diese Klagemöglichkeiten verfolgen verschiedene Ziele und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher mangels einer Vorschrift des EG-Vertrags, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigt, nicht mit Erfolg zur Verteidigung gegenüber einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen.

    ( vgl. Randnr. 28 )

    6. Die vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Abgrenzungen des Geltungsbereichs der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte sind das Ergebnis einer komplexen Abwägung der verschiedenen Interessen. Wie aus der ersten und der neunten Begründungserwägung der Richtlinie hervorgeht, umfassen diese Interessen die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs, die Erleichterung des Handels innerhalb des Gemeinsamen Marktes, den Verbraucherschutz und das Bemühen um eine geordnete Rechtspflege.

    Die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers bedeutet implizit, dass die durch fehlerhafte Produkte Geschädigten zur Vermeidung einer übermäßigen Anzahl an Rechtsstreitigkeiten eine Klage bei geringfügigen materiellen Schäden nicht auf die durch die Richtlinie aufgestellten Haftungsregeln, sondern nur auf die vertragliche oder außervertragliche Haftung des allgemeinen Rechts stützen können.

    Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Selbstbeteiligung nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie das Recht der Geschädigten auf Zugang zu den Gerichten beeinträchtigt.

    Desgleichen stellt der Umstand, dass für die Hersteller fehlerhafter Produkte und für die durch diese Geschädigten verschiedene Haftungsregelungen gelten können, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar, da die Differenzierung nach Maßgabe von Natur und Höhe des erlittenen Schadens objektiv gerechtfertigt ist.

    ( vgl. Randnrn. 29-32 )

    7. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen zwar die in der Klageschrift angeführten Rügen mit denen im Aufforderungsschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme übereinstimmen; dieses Erfordernis kann jedoch, wenn der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist, nicht so weit gehen, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen.

    ( vgl. Randnr. 44 )

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