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Document 61999TJ0191

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Nichtigkeitsklage - Rechtsschutzinteresse - Kläger, der eine Entscheidung anficht, mit der ihm der Zugang zu Dokumenten eines Organs verweigert wurde

    (Artikel 230 Absatz 4 EG; Beschluss 94/90 der Kommission)

    2. Kommission - Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Kommissionsdokumenten - Artikel 255 EG und 1 Absatz 2 EU - Keine unmittelbare Wirkung - Auswirkung

    (Artikel 255 EG; Artikel 1 Absatz 2 EU; Beschluss 94/90 der Kommission)

    3. Kommission - Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Kommissionsdokumenten - Beschluss 94/90 - Einschränkungen des Grundsatzes des Zugangs zu Dokumenten - Urheberregel - Bedeutung - Verweigerung des Zugangs zu von einem Mitgliedstaat stammenden Dokumenten

    (Artikel 253 EG und 255 EG; Beschluss 94/90 der Kommission)

    4. Kommission - Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Kommissionsdokumenten - Beschluss 94/90 - Transparenz - Ausnahmen vom Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten - Schutz des öffentlichen Interesses - Rechtspflege - Vertragsverletzungsverfahren - Schriftliche Aufforderungen zur Äußerung und mit Gründen versehene Stellungnahmen, die im Rahmen von von der Kommission durchgeführten Untersuchungen und Inspektionen verfasst wurden

    (Artikel 226 EG; Beschluss 94/90 der Kommission)

    Leitsätze

    1. Der Beschluss 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten soll nach seiner Systematik allgemein für Anträge auf Zugang zu Dokumenten gelten, und nach diesem Beschluss kann jedermann Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument beantragen, ohne den Antrag begründen zu müssen. Daher hat eine Person, der der Zugang zu einem Dokument oder zu einem Teil eines Dokuments verweigert wird, bereits aus diesem Grund ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

    ( vgl. Randnr. 26 )

    2. Die Kriterien, anhand deren sich feststellen lässt, ob eine Bestimmung des Vertrages unmittelbar anwendbar ist, bestehen darin, dass die Vorschrift klar und unbedingt ist, ihr Vollzug also nicht an eine materielle Voraussetzung geknüpft sein darf, und dass ihre Durchführung nicht vom Erlass weiterer Maßnahmen abhängt, die die Gemeinschaftsorgane oder die Mitgliedstaaten nach ihrem Ermessen treffen könnten.

    Dies ist bei den Artikeln 1 Absatz 2 EU und 255 EG nicht der Fall. Es ist nämlich evident, dass Artikel 1 Absatz 2 EU nicht klar ist. Ebenso liegt auf der Hand, dass Artikel 255 EG im Hinblick auf die Absätze 2 und 3 nicht unbedingt ist und dass seine Durchführung vom Erlass weiterer Maßnahmen abhängt. Die Festlegung der allgemeinen Grundsätze und der aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten wird nämlich dem Rat im Rahmen der Ausübung seines gesetzgeberischen Ermessens anvertraut.

    Durch das Inkrafttreten der Artikel 1 Absatz 2 EU und 255 EG sind daher die Vorschriften des Beschlusses 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten nicht automatisch hinfällig geworden.

    ( vgl. Randnrn. 34-36 )

    3. Die Urheberregel kann angewandt werden, solange es keinen höherrangigen Rechtsgrundsatz gibt, wonach die Kommission nicht befugt ist, in dem Beschluss 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten Dokumente, die nicht von ihr stammen, vom Geltungsbereich des Verhaltenskodex auszunehmen. Diese Feststellung wird nicht dadurch entkräftet, dass die Gemeinschaftsorgane beim Erlass von Entscheidungen Dokumente verwenden, die von Dritten stammen, da die Transparenz des Beschlussverfahrens und das Vertrauen der Bürger in die Gemeinschaftsverwaltung dadurch gewährleistet werden können, dass diese Entscheidungen ausreichend begründet werden. Die Beschränkungen des Zugangs zu Dokumenten, die von Dritten stammen und sich im Besitz der Organe befinden, berühren nämlich nicht die Verpflichtung der Organe aus Artikel 253 EG, ihre Entscheidungen ausreichend zu begründen. Eine ausreichende Begründung setzt voraus, dass das Organ, sofern es seine Entscheidung auf ein von einem Dritten stammendes Dokument gestützt hat, den Inhalt dieses Dokuments in der Entscheidung darlegt und begründet, weshalb es das Dokument als Grundlage für seine Entscheidung verwendet hat. Die Kommission hat somit keinen Rechtsfehler begangen, als sie festgestellt hat, dass sie nicht verpflichtet sei, den Zugang zu Dokumenten zu gewähren, die von nationalen Stellen verfasst wurden.

    ( vgl. Randnrn. 47, 49-50 )

    4. Die Kommission hat zu Recht die Weitergabe von Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen, die im Rahmen von von der Kommission durchgeführten Untersuchungen und Inspektionen verfasst wurden, mit der Begründung abgelehnt, dass dadurch das öffentliche Interesse beeinträchtigt werden könnte. Die Mitgliedstaaten dürfen nämlich während der Untersuchungen, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, von der Kommission Vertraulichkeit erwarten. Dieses Erfordernis der Vertraulichkeit besteht auch nach Anrufung des Gerichtshofes fort, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Erfordernissen des Vertrages nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes fortgesetzt werden. Die Wahrung dieses Zweckes - die gütliche Beilegung des Streites zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor Erlass des Urteils des Gerichtshofes - rechtfertigt es, zum Schutz des öffentlichen Interesses an den Inspektionstätigkeiten und der Rechtspflege, der zur ersten Kategorie der Ausnahmen des Beschlusses 94/90 gehört, den Zugang zu Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen zu verweigern, die im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 226 EG verfasst wurden.

    ( vgl. Randnrn. 68-69 )

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