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Document 61999TJ0097

    Leitsätze des Urteils

    URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

    16. Januar 2001

    Verbundene Rechtssachen T-97/99 und T-99/99

    Michael Charnier und Eoghan O'Hannrachain

    gegen

    Europäisches Parlament

    „Beamte — Dienstposten der Besoldungsgruppe A 1 — Artikel 29 Absatz 2 des Statuts — Stellenausschreibung — Offensichtlicher Beurteilungsfehler — Ermessensmissbrauch“

    Vollständiger Wortlaut in französischer Sprache   II-1

    Gegenstand:

    Klage auf Aufhebung der Entscheidungen des Parlaments, die Kläger nicht auf die Stelle des Generaldirektors der Generaldirektion „Finanzen und Finanzkontrolle“ zu ernennen, und der Entscheidung, einen anderen Bewerber auf diese Stelle zu ernennen, sowie auf Schadensersatz.

    Entscheidung:

    Die Klagen werden abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

    Leitsätze

    1. Beamte – Einstellung – Verfahren – Übergang vom Verfahren nach Artikel 29 Absatz 1 des Statuts zum Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 – Zulässigkeit – Ermessen der Anstellungsbehörde, um ihre Auswahlmöglichkeiten zu erweitern

      (Beamtenstatut, Artikel 29)

    2. Beamte – Freie Planstelle – Abwägung der Verdienste der Bewerber – Ermessen der Verwaltung – Gerichtliche Kontrolle – Grenzen – Dienstposten der Besoldungsgruppe A 1 – Auswahl unter den Bewerbern – Auswahl nach dem dienstlichen Interesse

      (Beamtenstatut, Artikel 29)

    3. Beamte – Klage – Gründe – Ermessensmissbrauch – Begriff

    1.  Die Verwendung des Ausdrucks „Möglichkeiten“ in Artikel 29 des Statuts lässt klar erkennen, dass die Anstellungsbehörde nicht absolut verpflichtet ist, die in diesem Artikel genannten Maßnahmen, wie Beförderung oder Versetzung innerhalb des Organs, zu ergreifen, sondern nur in jedem Fall prüfen muss, ob diese Maßnahmen zur Ernennung einer Person führen können, die nach Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügt. Somit hat die Anstellungsbehörde die in Artikel 29 Absatz 1 des Statuts genannten Verfahrensabschnitte nicht zwingend in der angegebenen Reihenfolge durchzuführen.

      Sie kann auch von einem gemäß Artikel 29 Absatz 1 des Statuts eingeleiteten Einstellungsverfahren zu einem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 übergehen, da sie nicht verpflichtet ist, das eingeleitete Verfahren abzuschließen, sondern es in ihrem Ermessen steht, ihre Auswahlmöglichkeiten im dienstlichen Interesse zu erweitern.

      Die Entscheidung, während des bereits eingeleiteten Verfahrens auf das Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 des Statuts zurückzugreifen, muss nicht unbedingt im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Stellenausschreibung vorliegen und ist an keine Veröffentlichungsvoraussetzung gebunden.

      (Randnrn. 33 bis 36)

      Vgl. Gerichtshof, 29. Oktober 1975, Marenco u. a./Kommission, 81/74 bis 88/74, Slg. 1975, 1247, Randnrn. 21 und 23; Gerichtshof, 19. Mai 1983, Mavridis/Parlament, 289/81, Slg. 1983, 1731, Randnr. 23; Gerichtshof, 12. Dezember 1989, Exarchos/Parlament, C-331/87, Slg. 1989, 4185; Gericht, 14. Februar 1990, Hochbaum/Kommission, T-38/89, Slg. 1990, II-43, Randnr. 15; Gericht, 23. Februar 1994, Coussios/Kommission, T-18/92 und T-68/92, Slg. ÖD 1994, I-A-47 und II-171, Randnr. 98; Gericht, 22. März 1995, Kotzonis/WSA, T-586/93, Slg. 1995, II-665, Randnrn. 43 und 44; Gericht, 11. Juni 1996, Anacoreta Correia/Kommission, T-118/95, Slg. ÖD 1996, I-A-283 und II-835, Randnr. 34

    2.  Wenn es um die Besetzung einer Stelle der Besoldungsgruppe A 1 geht, verfügt die Anstellungsbehörde bei der Abwägung der Verdienste der Bewerber um eine solche mit hoher Verantwortung verbundene Stelle und bei der Bewertung des dienstlichen Interesses über ein weites Ermessen. Dieses Ermessen kann nur im Fall eines offensichtlichen Fehlers in Frage gestellt werden. Überdies ist die Anstellungsbehörde berechtigt, einen qualifizierten Bewerber einem anderen qualifizierten Bewerber aus Gründen des dienstlichen Interesses vorzuziehen.

      Die Kontrolle, die das Gericht ausüben muss, impliziert insoweit nicht, dass es eine eigenständige Abwägung der Verdienste der Bewerber vornehmen kann, und noch weniger, dass es die Beurteilung dieser Verdienste seitens der Anstellungsbehörde durch seine eigene Beurteilung ersetzen kann. Das Gericht prüft somit, ob sich die Verwaltung im Hinblick auf die in der Stellenausschreibung aufgestellten Voraussetzungen bei der Entscheidung, den einen Bewerber und nicht den anderen zu ernennen, innerhalb vernünftiger Grenzen gehalten und ihr Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt hat.

      (Randnrn. 77 bis 79)

      Vgl. Kotzonis/WSA, Randnr. 81; Anacoreta/Kommission.Randnr. 75

    3.  Der Begriff des Ermessensmissbrauchs hat eine bestimmte Bedeutung und betrifft den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als dem ausgeübt hat, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.

      Kein Indiz dafür, dass die Entscheidung, einen bestimmten Bewerber auf die streitige Stelle zu ernennen, vom Präsidium des Parlaments vor Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 29 Absatz 2 des Statuts getroffen worden wäre, stellt eine Erklärung des Vizepräsidenten des Parlaments dar, wonach der Präsident des Parlaments den Betroffenen auf einen hochrangigen Posten ernennen wollte und deshalb beabsichtigte, politische Verhandlungen innerhalb des Präsidiums zu inszenieren, da mit dieser Erklärung jedenfalls nicht der Nachweis erbracht ist, dass die Äußerungen des Präsidenten Folgen gehabt haben und diese Verhandlungen tatsächlich innerhalb des Präsidiums geführt wurden.

      Ebenfalls kein solches Indiz ist die Erklärung eines Quästors des Parlaments, in der dieser lediglich Äußerungen wiedergibt, die Mitglieder des Parlaments ihm gegenüber gemacht haben und auf die er seine Ansicht gestützt hat, dass die Entscheidung, den Betroffenen zu ernennen, vor den Präsidiumssitzungen getroffen worden sei, auf die hin der Betroffene auf die streitige Stelle ernannt wurde. Diese Erklärung, die eine tatsächliche Darstellung dessen enthält, was dem Quästor vor diesen Präsidiumssitzungen berichtet wurde, und die seine Teilnahme an den Sitzungen bestätigt, lässt nicht erkennen, dass das vom Präsidium angewandte Ernennungsverfahren fehlerhaft gewesen wäre und sich die Mitglieder des Präsidiums vorab auf die Ernennung des Betroffenen geeinigt hätten. Gerüchte über den Ablauf des Verfahrens genügen nicht, um nachzuweisen, dass das Präsidium vor der Eröffnung des Verfahrens gemäß Artikel 29 Absatz 2 des Statuts beschlossen hatte, den Betroffenen zu ernennen, sofern das Präsidium tatsächlich die Verdienste aller in Frage kommenden Bewerber abgewogen hat.

      (Randnrn. 104, 109, 111 und 112)

      Vgl. Anacoreta Correia/Kommission.Randnr. 25; Gericht, 6. Juli 1999, Séché/Kommission, T-111/96 und T-115/96, Slg. ÖD 1999, I-A-115 und II-623, Randnr. 139

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