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Document 61998TJ0202

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Wettbewerb - Kartelle - Abgestimmte Verhaltensweise - Begriff - Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten selbständig zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit - Zusammenkünfte von Wettbewerbern zum Austausch von Informationen zwecks Festlegung der Marktpolitik der Teilnehmer

    (EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

    2. Wettbewerb - Kartelle - Abgestimmte Verhaltensweise - Begriff - Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten selbständig zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit - Zusammenkünfte von Wettbewerbern zum Austausch von Informationen zwecks Festlegung der Marktpolitik der Teilnehmer

    (EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

    3. Wettbewerb - Kartelle - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Beurteilungskriterien - Wettbewerbswidriger Zweck - Feststellung ausreichend

    (EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

    4. Wettbewerb - Kartelle - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Beurteilungskriterien

    (EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

    5. Wettbewerb - Kartelle - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Auf den Markt eines einzigen Mitgliedstaats beschränkte Vereinbarung - Vereinbarung über gemeinsame Schutzmaßnahmen gegen ausländische Wettbewerber

    (EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1 [jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG])

    6. Wettbewerb - Geldbußen - Höhe - Festsetzung - Kriterien - Dauer der Zuwiderhandlung - Beurteilung - Berücksichtigung weiterer Merkmale der Zuwiderhandlung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

    7. Wettbewerb - Geldbußen - Höhe - Festsetzung - Kriterien - Schwere der Zuwiderhandlungen - Beurteilungskriterien - Merkmale der Zuwiderhandlung selbst - Umstände, die dem betroffenen Unternehmen eigen sind

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C9/03 der Kommission)

    8. Wettbewerb - Geldbußen - Höhe - Festsetzung - Kriterien - Schwere und Dauer der Zuwiderhandlungen - Möglichkeit der Anhebung des Niveaus der Geldbußen, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

    Leitsätze

    1. Eine abgestimmte Verhaltensweise wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass nur einer der Teilnehmer an Zusammenkünften konkurrierender Unternehmen seine Pläne offen legt. Die Kriterien hinsichtlich der Koordinierung und Zusammenarbeit, auf die die Rechtsprechung zu abgestimmten Verhaltensweisen abstellt, verlangen nämlich nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans"; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbstständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt.

    Es ist zwar richtig, dass diese Anforderung der Selbständigkeit nicht das Recht der Unternehmen beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Wettbewerber mit wachem Sinne anzupassen; sie steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.

    ( vgl. Randnrn. 54-56 )

    2. Die Feststellung, dass ein Unternehmen mit seiner Teilnahme an einer Sitzung mit wettbewerbsfeindlichem Zweck nicht nur das Ziel verfolgt, im Voraus die Ungewissheit über das künftige Verhalten seiner Wettbewerber zu beseitigen, sondern bei der Festlegung der Politik, die es auf dem Markt verfolgen will, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen muss, gilt auch dann, wenn die Teilnahme eines oder mehrerer Unternehmen an Sitzungen mit wettbewerbsfeindlichem Zweck nicht im Informationsaustausch, sondern nur in der Entgegennahme von Informationen über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber auf dem Markt besteht.

    ( vgl. Randnr. 58 )

    3. Für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) brauchen die konkreten Auswirkungen von Absprachen nicht berücksichtigt zu werden, wenn, wie im vorliegenden Fall, feststeht, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken.

    ( vgl. Randnr. 72 )

    4. Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder eine abgestimmte Verhaltensweise ist geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinne beeinflussen kann. So ist es insbesondere nicht erforderlich, dass das beanstandete Verhalten den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt hat; es genügt der Nachweis, dass dieses Verhalten geeignet ist, eine derartige Wirkung zu entfalten.

    ( vgl. Randnr. 78 )

    5. Der Umstand, dass eine Absprache nur die Vermarktung von Produkten in einem einzigen Mitgliedstaat bezweckt, genügt nicht, um die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten auszuschließen. Auf einem für Einfuhren durchlässigen Markt können die Teilnehmer an einer nationalen Preisabsprache ihren Marktanteil nur wahren, indem sie sich gegen ausländische Konkurrenz schützen.

    ( vgl. Randnr. 79 )

    6. Die Dauer der Zuwiderhandlung ist gemäß Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 einer der Gesichtspunkte, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße für Unternehmen, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.

    Es kann nicht der Auffassung gefolgt werden, dass die Kommission eine Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung nur erhöhen dürfe, wenn zwischen dieser Dauer und einer erhöhten Schädigung der mit den Wettbewerbsregeln verfolgten Ziele der Gemeinschaft ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, woran es fehle, wenn sich die Zuwiderhandlung nicht auf den Markt ausgewirkt habe. Wie sich die Dauer der Zuwiderhandlung auf die Bemessung der Geldbuße auswirkt, ist vielmehr auch anhand der übrigen für die Zuwiderhandlung kennzeichnenden Gesichtspunkte zu beurteilen.

    ( vgl. Randnrn. 104, 106 )

    7. Gemäß den Nummern 1 Buchstabe A und 2 der Mitteilung der Kommission über die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, wird die Schwere des Verstoßes in zwei Schritten beurteilt. In einem ersten Schritt wird die Schwere ausschließlich nach den Merkmalen des Verstoßes selbst wie seine Art und Auswirkung auf den Markt beurteilt, und in einem zweiten Schritt wird die Beurteilung der Schwere nach Umständen verändert, die dem betroffenen Unternehmen eigen sind; die Kommission berücksichtigt deshalb im Übrigen nicht nur etwaige erschwerende, sondern gegebenenfalls auch mildernde Umstände. Diese Vorgehensweise widerspricht nicht nur nicht Buchstabe und Geist von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, sondern erlaubt es insbesondere bei Verstößen mit mehreren beteiligten Unternehmen, die Schwere der Zuwiderhandlung nach der unterschiedlichen Rolle jedes einzelnen Unternehmens und seiner Haltung gegenüber der Kommission während des Verfahrens abzuwägen.

    ( vgl. Randnr. 109 )

    8. Die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) oder Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) verstoßen, gehört zu den Befugnissen, die der Kommission eingeräumt worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsausgabe zu erfuellen. Diese Aufgabe umfasst gewiss die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden; sie beinhaltet aber auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken. Die Kommission darf daher das Niveau von Geldbußen anheben, um ihre abschreckende Wirkung zu verstärken, wenn die in Frage stehenden Praktiken wegen des Gewinns, den betroffene Unternehmen daraus ziehen können, immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand.

    In diesem Zusammenhang wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die Kommission muss vielmehr im Interesse der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln jederzeit das Niveau der Geldbußen den Erfordernissen dieser Politik anpassen können. Außerdem darf sie bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen, dass offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismäßig häufig sind; es steht ihr daher frei, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Schließlich darf die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus von Geldbußen u. a. die lange Dauer und die Offenkundigkeit einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag berücksichtigen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission hätte darstellen müssen.

    ( vgl. Randnrn. 133-134, 143-145 )

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